Kommentar
16:12 Uhr, 05.10.2023

Deutschland: Nicht alles ist schlecht

Deutschland hat wieder den Ruf des kranken Mannes in Europa. Auf den ersten Blick mag das zutreffen, aber nicht alles ist schlecht.

Deutschlands Wirtschaft verzeichnete im ersten Halbjahr eine leichte Kontraktion von 0,1 %. Damit ist Deutschland nicht allein. Die Niederlande schrumpften um 0,8 % und in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen. Deutschland entging einer Rezession, die Niederlande haben eine technische Rezession. Auch Österreich verzeichnete im ersten Halbjahr negatives Wachstum von -0,3 %.

Wenn man lang genug sucht, gibt es immer ein Land, dessen Wachstum niedriger ist. Für Länder mit höherem Wachstum muss man nicht lange suchen. Griechenlands Wirtschaft wuchs im ersten Halbjahr um 1,3 %. In Portugal waren es sogar 1,6 %, in Spanien 1,1 %, in Frankreich 0,6 % und in Italien immerhin noch 0,2 %.

Deutschland wird von vielen abgehängt. Das gilt insbesondere im Vergleich zu den früheren Euro-Krisenländern. Das Hauptproblem ist derzeit in der Produktion zu finden. Bereits vor Beginn der Pandemie tendierte die Produktion nach unten. Vom Schock 2020 hat sich die Produktion bisher nicht erholt. Ein neues Produktionstief seit Ende der ersten Lockdowns 2020 ist sogar wahrscheinlich (Grafik 1).

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Einen Schuldigen für den Rückgang der Produktion findet man schnell. Es sind vor allem energieintensive Branchen, die ihre Produktion rasant zurückgefahren haben (Grafik 2). Hier fiel die Produktion sogar unter das Corona-Tief. Wesentlich weniger wurde selbst zu den schlimmsten Zeiten der Finanzkrise nicht produziert.

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Der schnelle Rückgang der Produktion begann im März 2022 und damit fast sofort nach Beginn des Ukrainekriegs. Seither sind vor allem die Preise für Erdgas wieder deutlich gefallen. Lag der Preis zu Kriegsbeginn bei mehr als 300 EUR je MWh, liegt er nun bei ungefähr 40 EUR. Das ist immer noch doppelt so hoch wie vor der Energiekrise und offenbar zu viel, um die Produktion hochzufahren.

Solange die Produktion in energieintensiven Branchen nicht deutlich steigt, bleibt Deutschland auf den ersten Blick der kranke Mann Europas. Ohne zumindest stabile Produktionsmengen ist solides Wirtschaftswachstum unwahrscheinlich. Die Wirtschaftsleistung wächst mit der Produktion. Ist diese leicht rückläufig, ist Stagnation das Beste, das Deutschland erreichen kann (Grafik 3).

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Um wieder auf einen robusten Wachstumspfad einzuschwenken, muss Deutschland die Frage der Energiepreise lösen, im Idealfall über konkurrenzfähige Energieproduktion und nicht Subvention. Dennoch ist nicht alles schlecht. Angesichts rückläufiger Produktion und einer tiefen Depression in energieintensiven Branchen ist wirtschaftliche Stagnation fast schon bemerkenswert.

Das gilt auch in Bezug auf die Geldpolitik. Das Wachstum folgt der Kreditverfügbarkeit. Daran gemessen müsste die deutsche Wirtschaft deutlicher schrumpfen (Grafik 4). Dass sie es nicht tut, zeigt, dass zumindest der Rest der Wirtschaft nicht am Abgrund steht. Um den Titel als kranker Mann zu verdienen, müsste das Problem weitläufiger sein.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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