Deutschland: Konjunkturmotor im roten Drehzahlbereich
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1. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt nahm im zweiten Quartal um 0,9 % qoq zu. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte leicht übertroffen (Median: 0,8 % qoq), unsere Prognose hingegen trat ein. Das Vorjahresniveau wurde aufgrund von drei fehlenden Arbeitstagen nur noch um 1,0 % übertroffen. Unter Ausschaltung des Arbeitstageeffektes lag die Jahresveränderungsrate bei 2,4 %.
2. Es kam zu bedeutenden Revisionen der Vorquartalswerte. So wurden das Schlussquartal 2005 und das erste Quartal 2006 jeweils um 0,3 Prozentpunkte auf 0,3 % qoq beziehungsweise 0,7 % qoq nach oben revidiert. Dies hat zur Folge, dass die deutsche Volkswirtschaft mit gut 0,4 Prozentpunkten mehr Schwung ins Frühjahr 2006 gestartet ist. Entsprechend müssten alle Konjunkturprognosen bei einer unveränderten Prognosestory für die kommenden Quartale nach oben revidiert werden.
3. Wie immer liegen bei der Schnellschätzung des Statistischen Bundesamtes noch keine Detailinformationen vor. Doch anhand der Konjunkturindikatoren lassen sich einige Aussagen treffen:
• Wachstumstreiber Nummer Eins sollten die Bauinvestitionen gewesen sein. Auf ihr Konto könnte ein Drittel bis die Hälfte des Anstiegs der Wirtschaftsleistung zurückgegangen sein. Dieser starke Impuls ist allerdings hauptsächlich auf einmalige Nachholeffekte zurückzuführen. Die schlechte Witterung im ersten Quartal ließ die Bautätigkeit ruhen, im zweiten Quartal wurden diese Bauausfälle nachgeholt. Nichtsdestotrotz zeigt sich der Bau in einer guten Verfassung. Die seit 1995 währende Strukturanpassungskrise scheint im Nichtwohnungsbau bewältigt worden zu sein, und die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung macht es attraktiv, in diesem Jahr noch den einen oder anderen Euro in die „eigenen vier Wände“ zu investieren.
• Die Ausrüstungsinvestitionen waren nach Aussage des Statistischen Bundesamtes ebenfalls von größerer Bedeutung. Die Inlandsumsätze der Investitionsgüterproduzenten unterstützen dies.
• Die Gretchenfrage ist, was der private Konsum macht. Er sollte den Einzelhandelsumsätzen zu Folge im Quartal der Fußballweltmeisterschaft zugenommen haben. Auch wenn die Zuwachsrate wohl geringer als im ersten Quartal ausfallen wird, ist positiv zu unterstreichen, dass der private Konsum – zumindest nach dem Vorrevisionsstand – zum ersten Mal seit dem Jahr 2002 zwei Mal in Folge angestiegen ist. Die kommenden Quartale werden die Auswirkungen der Konsumpeitsche Mehrwertsteuererhöhung widerspiegeln. Zunehmend rückt den Konsumenten ins Bewusstsein – von selbst, aber auch geschürt durch Werbung und Berichterstattung –, dass sie ab dem 1. Januar 2007 für die gleichen Artikel tiefer in ihre Taschen greifen müssen.
• Die Exportdynamik hat sich stark verlangsamt. In den kommenden Quartalen wird der Export wohl kaum an Dynamik zurückgewinnen, denn die weltwirtschaftliche Entwicklung kühlt sich ab. Globale Frühindikatoren haben dies schon seit längerem angezeigt. Dass der Außenbeitrag im zweiten Quartal dennoch nicht bremsend wirkte, dürfte auf einen noch stärkeren Rückgang der Importzuwachsrate zurückzuführen sein. In den kommenden Quartalen sollten die Importe jedoch aufgrund des Mehrwertsteuernachfragesogs stark bleiben, sodass man nicht mehr mit einem positiven Wachstumsbeitrag des Außenbeitrags rechnen kann.
4. Wie geht es weiter? Der Konjunkturmotor läuft derzeit im roten Bereich: Im ersten Quartal betrug das auf Jahresrate hochgerechnete Wachstum rund das Doppelte, im zweiten Quartal knapp das Dreifache dessen, was dauerhaft in Deutschland möglich ist, denn das Potenzialwachstum liegt bei rund 1¼ %. Das ist auf Dauer nicht durchzuhalten, ohne dass der Konjunkturmotor heißläuft. Unabhängig davon war das zweite Quartal von Sonderfaktoren geprägt – Nachholeffekte im Bau und die Fußball-WM –, die sich in den kommenden Quartal nicht wiederholen. Im zweiten Halbjahr wird – mehrwertsteuerbedingt – die Binnennachfrage das Loch auffüllen, das der sinkende Wachstumsbeitrag der Nettoexporte aufreißt. Damit sollten bis zum Jahresende „normalere“, d.h. geringere aber immer noch hohe Wachstumsraten zu erzielen sein.
5. Im ersten Quartal 2007 fallen jedoch zeitgleich geringe außenwirtschaftliche Impulse mit einer schwachen Binnennachfrage zusammen, denn die Nachfrage der privaten Haushalte ist aufgrund des vorgezogenen Konsums erst einmal befriedigt. Das Bruttoinlandsprodukt wird daher schrumpfen. Eine rezessive Entwicklung ist allerdings nicht zu befürchten! Denn schon bald beginnt der Konjunkturmotor wieder auf Touren zu kommen. Da es aber einiger Zeit bedarf, um nach einer Vollbremsung trotz hoher Drehzahlen wieder an das alte Tempo anknüpfen zu können, bleibt die Durchschnittsgeschwindigkeit – das jahresdurchschnittliche Wachstum – lediglich bei 0,6 %.
6. Obwohl unsere nach vorne gewandte Konjunkturgeschichte unverändert bleibt, müssen wir unsere Prognose für das laufende Jahr von 1,8 % auf 2,2 % anheben. Dies ist einzig und allein den oben genannten Revisionen zu verdanken, die die Vergangenheit in einem besseren Lichte darstellen.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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