Kommentar
10:44 Uhr, 19.05.2014

Deutschland ist Spitzenreiter bei Strompreisen – eine (Ab)Rechnung

Strom ist in Deutschland so teuer wie in kaum einem anderen Land. In Europa liegt nur ein einziger Staat vor Deutschland.

In Dänemark kostet eine kWh einen Hauch mehr als in Deutschland, wo man 2013 im Durchschnitt 29,2 Cents zahlen musste. In Dänemark waren es 29,4. Das ist ein so hauchdünner Vorsprung, dass Deutschland gute Chancen hat, Dänemark 2014 zu überholen. Damit sind die Deutschen dann europaweit ganz vorne. Wenn man fragt, woran das liegt, dann lautet die Antwort reflexartig: es liegt an der Energiewende. Die Energiewende, so, so...

Die Energiewende zeigt sich für Verbraucher vor allem durch die EEG Umlage. Diese lag vergangenes Jahr bei 5,28 Cents pro kWh. Das waren 18% des Gesamtpreises für eine kWh. Ohne EEG läge der Preis bei ca. 24 Cents. Aber selbst dann wäre Deutschland noch ganz weit vorne unter den Ländern mit den höchsten Strompreisen. Ohne EEG lägen nur Dänemark, Zypern und Irland vor Deutschland. In den 30 anderen Ländern Europas wäre Strom billiger. Den Preisverglich in Cent pro kWh zeigt die erste Grafik.

Das Herausrechnen der EEG Umlage ist ziemlich aufschlussreich, weil es zeigt, dass der Strompreis dann zwar deutlich günstiger wäre als jetzt, aber im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch ist. Das ganze übrigens auch im Vergleich zu Ländern, die einen deutlich höheren Anteil an erneuerbaren Energien haben als Deutschland. Laut Eurostat ist der Anteil erneuerbarer Energien in Rumänien, Portugal, Estland, Dänemark, Österreich, Finnland, Lettland und Schweden höher als in Deutschland. Schweden schafft es als absoluter Spitzenreiter im erneuerbare Energienbereich mit 20 Cents pro kWh deutlich günstiger als Deutschland. Selbst Portugal, welches mit der Krise nicht gerade Einnahmen zu verschenken hat, ist um 7 Cents günstiger.

Es steckt also mehr hinter den hohen Preisen als die EEG und die Energiewende. Ein Blick auf die Gesamtabgabenlast zeigt, woran es liegt. Fast 50% des Strompreises besteht aus Steuern und Abgaben. Nur Mazedonien und Dänemark liegen über der Quote von Deutschland. Deutschland liegt damit deutlich über dem EU 28 Schnitt, über dem Euroraum Schnitt und über den Krisenländern, die auf so ziemlich alles die Steuern in den vergangenen Jahren erhöht haben.

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Deutschland war nicht immer Spitzenreiter, wenn es um die Steuerhöhe ging. 1998 lag die Abgabenlast bei lediglich 25%. Heute eben bei 50%. Das wird teilweise durch einen geringen Anstieg bei den Kosten der Stromerzeugung kompensiert. Die Erzeugungspreise stiegen lediglich um 11% in den vergangenen 15 Jahren. Das lieg deutlich unter der allgemeinen Inflationsrate. Die Abgabenlast hingegen wuchs um 240%! Dadurch verteuerte sich der Strom in den vergangenen 15 Jahren um satte 70% oder 3,6% pro Jahr, was über der Inflation liegt.

In Deutschland zahlen übrigens nicht nur die Haushalte hohe Preise sondern auch die Industrie. Trotz der oftmals kritisierten Befreiung von gewissen Abgaben, zahlt auch die Industrie im Vergleich einen hohen Preis. Hier liegen von 34 Ländern lediglich Italien, Malta und Zypern vor Deutschland.

Die Stromerzeugung ist in Deutschland relativ günstig. Ginge es allein danach, dann wäre Deutschland Spitzenreiter im positiven Sinn. Danach geht es aber nicht. Es geht nach Steuern und hier beweist der Staat wieder einmal seine Nehmerqualitäten mit einem unersättlichen Appetit. Die Energiewende lässt sich hervorragend nutzen, um die Unersättlichkeit zu verdecken. EEG ist aber nicht allein Schuld an der exorbitanten Preissteigerung. Die Abgaben ohne EEG Umlage stiegen von 1998 von 4,2 auf 9,14 Cent pro kWh. Das ist ein Anstieg von 122%. Immer noch sehr stolz.

Wie man es dreht und wendet – man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Bürger ausgenommen wird wie eine Weihnachtsgans. Die Energiewende ist nicht alleiniger Preistreiber. Das ist der erste Punkt. Der zweite ist, dass es andere Länder auch schaffen eine Energiewende zu betreiben, ohne die Bürger immer und immer mehr zur Kasse zu bitten. Es ist auch ein wenig befremdlich, wenn sich Deutschland als erneuerbare Energienland darstellt, wenn es zahlreiche Staaten in Europa gibt, die bereits jetzt deutlich mehr Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen als Deutschland.

Clemens Schmale

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9 Kommentare

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  • Simon Hauser
    Simon Hauser Redakteur

    Wow 29 Cents ist eine Stange Geld. Hier in den USA zahle ich 11 Cents - immer noch deutlich weniger als die reinen Abgaben in Deutschland.

    03:17 Uhr, 20.05.2014
  • Protheus
    Protheus

    Wieder mal ein ausgezeichneter Artikel von Ihnen, Herr Schmale!

    20:10 Uhr, 19.05.2014
  • midgard
    midgard

    Hallo Herr Schmale,

    vielen Dank, sehr gute Gedanken!

    Eine Frage bitte: "1998 lag die Abgabenlast bei lediglich 25%. Heute eben bei 50% ... Die Abgabenlast hingegen wuchs um 240%".

    Wie bitte kommen Sie auf die 240%?

    12:32 Uhr, 19.05.2014
    1 Antwort anzeigen
  • skywalker2015
    skywalker2015

    ein sehr aufschlussreicher beitrag, herr schmale! vielen dank und weiter so!

    11:06 Uhr, 19.05.2014
  • Sherry1
    Sherry1

    Herr Schmale,
    Danke, das ist sehr aufschlussreich. Und im Grunde hat das doch schon jeder geahnt, dass die EEG vorgeschoben wird, oder?

    09:30 Uhr, 19.05.2014
    1 Antwort anzeigen
  • TomCat
    TomCat

    Wieso Eindruck, das ist mit dem Ausnehmen ist doch die Realität, und kein Ende in Sicht.Die Deutschen haben seit dem Ablaßhandel vor 400 Jahren nichts dazu gelernt.

    09:28 Uhr, 19.05.2014
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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