Analyse
12:20 Uhr, 16.02.2009

Deutsches Konjunkturprogramm stützt Wachstum um bis zu 1¼%

Externe Quelle: Unicredit

Noch bis in den Spätsommer des letzten Jahres hat die Bundesregierung an dem Plan festgehalten, bis 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen. Das atemberaubende Tempo mit dem sich die wirtschaftliche Lage des Exportweltmeisters in den letzten Monaten verschlechtert hat, zog allerdings eine Kehrtwende der Regierungsmeinung hinsichtlich der Notwendigkeit eines Konjunkturprogramms zur Stützung der deutschen Wirtschaft nach sich. Zu Jahresbeginn hat das Kabinett nun bereits das zweite kreditfinanzierte Konjunkturpaket beschlossen. Nachdem sich das erste Paket vom November hauptsächlich auf die Ausweitung von bestehenden Kreditprogrammen und steuerliche Anreize bei Investitionen und bestimmten privaten Ausgaben oder Neuanschaffungen konzentrierte, stehen beim zweiten Anlauf direkte Steuersenkungen und staatliche Infrastrukturausgaben im Zentrum. Die beiden Pakete bedeuten das größte Fiskalprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Darüber hinaus wirken sich die Verfassungsgerichtsurteile zur Pendlerpauschale und der steuerlichen Absetzbarkeit des Beitrags zur Krankenversicherung sowie das bereits im letzten Oktober verabschiedete Maßnahmenpaket "Bürger entlasten – Wachstumskräfte ankurbeln" spürbar auf das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in diesem und im nächsten Jahr aus.

Direkte Hilfe anstatt Anreize

Die Ausgestaltung des zweiten Konjunkturpakets unterstreicht die Erkenntnis, dass im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld Instrumente wie verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen, Aufstockungen von Kreditprogrammen und indirekte Steueranreize für Konsumenten – wie sie vor allem im Rahmen des ersten Konjunkturpakets verabschiedet worden sind - keine nennenswerte Wirkung entfalten können. Der Zusammenbruch der Auslandsnachfrage wird den Investitionsbedarf der Unternehmen in diesem Jahr schwer belasten. Damit wird die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung bei der Investitionsentscheidung keine Rolle spielen. Zudem haben sich, trotz der stark rückläufigen Inflation, die Zukunftsängste der Konsumenten weiter verstärkt. Dies spiegelt sich eindrucksvoll in der Arbeitsplatzunsicherheit wider. Diese schoss zuletzt in kürzester Zeit in Richtung vergangener Rekordwerte in die Höhe (siehe Grafik). Die Trendwende am Arbeitsmarkt belastet die Kaufbereitschaft der privaten Haushalte. Besonders zögerlich dürften die Verbraucher weiterhin bei kostspieligeren langfristigen Anschaffungen sein. Daran werden steuerliche Anreize wenig ändern. Entsprechend ist der Schwenk zu weitreichenden direkten staatlichen Ausgaben im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets die notwendige Konsequenz.

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Die reine Summe der verabschiedeten Maßnahmen für dieses und nächstes Jahr beläuft sich auf deutlich über 2% des BIP. Mit welchen konkreten Auswirkungen des bunten Mix an Einzelmaßnahmen auf die Konjunktur ist aber nun zu rechnen? Um dies besser beurteilen zu können, stellen wir nachfolgend zunächst die relevanten Posten vor, die sich direkt auf den Wachstumspfad auswirken sollten.

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Hohe Unsicherheiten über Wachstumswirkungen

Die oben aufgeführten Maßnahmen betreffen fast ausschließlich öffentliche Bauinvestitionen und das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. Für dieses und nächstes Jahr werden über den "Deutschlandfonds" und das Investitionsbudget des Bundes insgesamt 17,3 Mrd Euro an zusätzlichen Mitteln für staatliche Investitionen zur Verfügung gestellt. Dies entspricht rund der Hälfte der gesamten öffentlichen Bauinvestitionen im Jahr 2008. Die privaten Haushalte können im gleichen Zeitraum mit einer Nettoentlastung von rund 37 Mrd Euro oder über 2% des verfügbaren Einkommens rechnen. Ob und in welchem Ausmaß diese Mittel aber den Wachstumspfad bis Ende 2010 positiv beeinflussen werden, unterliegt in doppelter Hinsicht hoher Unsicherheit:

1. Je nach Maßnahme, kann der tatsächliche Zeitpunkt der Investitionsausgaben bzw. der Mittelzuflüsse von den Vorgaben der oben dargestellten Maßnahmenplanung abweichen. Zum Beispiel soll der einmalige Kinderbonus in Höhe von EUR 100 pro Kind mit Sicherheit noch im ersten Quartal 2009 voll ausbezahlt werden. Dahingegen dürften die Einkommenssteuererleichterungen durch eine mögliche verzögerte Umsetzung in vielen Unternehmen und nachträgliche Steuerrückerstattungen teilweise erst später bei den Arbeitnehmern ankommen. Auch der Zeitpunkt der Investitionsausgaben dürfte erheblich vom geplanten Umsetzungszeitraum abweichen. Selbst bei einer schnellen Genehmigung werden die tatsächlichen Baumaßnahmen oft mit zeitlicher Verzögerung und über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgen, vor allem bei größeren Infrastrukturprojekten.

2. Neben der Unsicherheit über den Zeitpunkt der Mittelverwendung, ist darüber hinaus nicht sicher gestellt, dass die geplanten Maßnahmen voll zur Entfaltung kommen. Vor allem die Effekte auf den privaten Verbrauch hängen stark davon ab, in welchem Ausmaß die privaten Haushalte die zusätzlichen Mittel auch tatsächlich ausgeben. Die unsicheren Arbeitsmarktperspektiven werden, wie weiter oben bereits erwähnt, die Kaufbereitschaft zunehmend belasten. Nach jüngsten Umfragen planen die Haushalte rund 50% der zusätzlichen Mittel zu sparen bzw. für das Alter zurückzulegen, und nicht direkt auszugeben (siehe Grafik).

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Um die Auswirkungen des Konjunkturprogramms quantifizieren zu können, haben wir die Maßnahmen im ökonometrischen Ländermodell von Oxford Economic Forecasting (OEF) simuliert. Das globale OEF-Makro-Modell deckt auf Quartalsbasis annährend 80 Länder ab, beinhaltet 5.800 Gleichungen und 7.800 Variablen. Es ist ein weitverbreitetes Modell zu Simulationszwecken, und wird u.a. auch vom IWF genutzt.

Im Best-Case-Szenario gehen sowohl die öffentlichen Investitionen sowie die Steuerentlastungen und Transferleistungen für die privaten Haushalte wie von der Bundesregierung geplant in voller Höhe in das Modell ein. Die Modellberechnungen weisen bis Ende 2010 insgesamt ein um 1¼% höheres BIP gegenüber dem Wachstumspfad ohne fiskalische Impulse aus. Und obwohl der größere Teil der Entlastung für die privaten Haushalte erst im kommenden Jahr voll zum Tragen kommt, führt die geplante schnelle Umsetzung der Investitionen von 13,7 Mrd Euro bis Ende 2009 im Modellergebnis dazu, dass der Großteil des zusätzlichen Wachstumsimpulses bereits im laufenden Jahr erfolgt (siehe Grafik).

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Dieses Szenario ist allerdings auf Grund der erwähnten hohen Unsicherheiten sehr ambitioniert. Dies gilt vor allem für dieses Jahr. Entsprechend erwarten wir im aktuellen düsteren Umfeld insgesamt einen spürbar schwächeren Konjunkturimpuls. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass sich die zusätzlichen Infrastrukturmaßnahmen deutlich langsamer niederschlagen werden, und das Volumen bis Ende 2010 noch nicht vollständig ausgeschöpft worden ist. Zudem geben die privaten Haushalte das zusätzliche verfügbare Einkommen teilweise nicht sofort aus. Legen die Konsumenten 50% der Konjunkturhilfen zurück, bewirkt dies einen Anstieg der Sparquote um durchschnittlich über 0,5 Prozentpunkte. Insgesamt verringert dies nach Modellberechnungen den Wachstumsimpuls bis Ende nächsten Jahres um rund ½ Prozentpunkt auf 0,8%. Darüber hinaus fällt der Effekt in 2009 nur knapp halb so stark aus wie im Best-Case-Szenario (siehe Grafik oben).

Die zu erwartenden Wachstumsimpulse werden sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken. Je nach Wirkungsgrad der Konjunkturmaßnahmen weisen die Modellergebnisse bis Ende 2010 eine Differenz der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Szenario ohne fiskalische Impulse von 100.000 – 150.000 aus. Damit wird der absehbare kräftige Abschwung am Arbeitsmarkt zwar nicht aufgehalten, aber immerhin spürbar abgeschwächt.

Im Worst-Case könnte eine breite Kaufzurückhaltung der Verbraucher das Konjunkturpaket vollständig neutralisieren. Nach Ricardos Äquivalenztheorem beeinflusst die Entwicklung der öffentlichen Schulden das Sparverhalten der privaten Haushalte. Ein kreditfinanziertes Konjunkturprogramm schürt demnach die Erwartungen zukünftiger Steuererhöhungen und wirkt sich entsprechend dämpfend auf die kurzfristigen Konsumausgaben aus. Im schlimmsten Fall legen die Konsumenten 100% der Steuererleichterungen und höheren Transferleistungen zurück. Zudem birgt die stark zunehmende Arbeitsplatzunsicherheit das Risiko von zusätzlichem Angstsparen. Wenn sich die Sparquote um durchschnittlich 1,5 Prozentpunkte erhöht, würden damit sämtliche Konjunkturmaßnahmen – auch die weitreichenden Infrastrukturinvestitionen – komplett sterilisiert. Die Fiskalmaßnahmen würden somit verpuffen.

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Fazit

Auch wenn das deutsche Konjunkturprogramm bei weitem nicht an die Maßnahmen in den USA heranreicht, ist es weitreichender als in vielen Nachbarländern Europas. Dies unterstreichen die Erwartungen der EU Kommission bezüglich der Entwicklung der strukturellen – also um Konjunktureffekte bereinigten – Defizitquoten in Europa (siehe Grafik). Nicht zuletzt auf Grund des hohen Anteils an direkten staatlichen Investitionen sollte damit das deutsche Programm nicht einfach verpuffen. Trotzdem werden die im Grunde alternativlosen Maßnahmen, über deren Details sich natürlich streiten lässt, in diesem Jahr das stärkste Schrumpfen der deutschen Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg nicht verhindern können. Denn die globale Rezession lässt die wichtigen Exporte und Investitionen massiv zurückgehen. Das erwartete Minus bei den Exporten im laufenden Jahr summiert sich auf mehr als 100 Mrd. Euro. Die Konjunkturmaßnahmen werden helfen den Abschwung zu dämpfen und nähren die Hoffnungen einer Stabilisierung der Konjunktur im zweiten Halbjahr. Insgesamt bleibt die deutsche Konjunktur aber auf eine Erholung der Weltwirtschaft angewiesen, um wieder nachhaltig in die Wachstumszone zurückkehren zu können.

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