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10:10 Uhr, 21.12.2004

Deutsche Wirtschaft hängt hinterher

"Die Weltwirtschaft boomt wie seit 28 Jahren nicht mehr, doch die deutsche Wirtschaft macht nicht mit", dies teilte das Münchener ifo-Institut heute mit. Es gebe zwar einen Aufschwung, doch sei er angesichts der hohen Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft enttäuschend schwach. Deutschland sei von der Weltkonjunktur entkoppelt und liege nach wie vor beim Wachstum unter dem Durchschnitt der alten EU-Länder, so der ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Insgesamt falle das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004 nach heutiger Einschätzung nur um 1,7 % höher als im Jahr 2003. Wobei davon 0,5 Prozentpunkte allein auf einen Sondereffekt bei den Arbeitstagen zurückzuführen sei.

So oder so bleibe Deutschland in der Gesamtbetrachtung seit Mitte der neunziger Jahre das Schlusslicht. Von 1995 bis 2004 sei kein anderes Land in Mittel- und Westeuropa langsamer gewachsen, so Sinn. Deutschland stecke seit etwa einem Jahrzehnt in einer fundamentalen Wachstumskrise, deren Ende nicht absehbar sei.

Nur der Export habe sich im Jahr 2004 gut entwickelt. Getrieben durch die Weltkonjunktur habe er sich in realer Rechnung um stattliche 9,3 % erhöht. Gleichzeitig habe sich die Binnennachfrage aber um 0,3 % verringert. Als Erklärung für die schwache Binnennachfrage komme das hohe deutsche Lohnkostenniveau in Betracht, das hinter Norwegen die Spitzenposition in der Welt einnehme und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer angesichts der wachsenden Niedriglohnkonkurrenz in Osteuropa und Asien immer mehr beeinträchtige. Die Arbeitnehmer hätten Angst vor dem Arbeitsplatzverlust und hielten sich beim Kauf langlebiger Konsumgüter daher zurück. Die schwache Binnennachfrage sei also ein unmittelbarer Reflex der Standortprobleme des Landes.

Nach den Ergebnissen des ifo World Economic Survey (WES), einer Umfrage bei 1200 Experten in 90 Ländern, hat sich der ifo-Indikator für die Lage der Weltwirtschaft bis in das vierte Quartal hinein verbessert, teilte das ifo-Institut mit. Der Erwartungsindikator sei aber schon seit Mitte des Jahres sehr deutlich gefallen. Der Klimaindex selbst, der einen Mittelwert dieser Angaben widerspiegelt, sei im vierten Quartal gesunken und liege nicht mehr so weit über dem langjährigen Durchschnitt, wie es vor kurzem noch der Fall war.

Für das Jahr 2005 sei deshalb eine Abschwächung der weltwirtschaftlichen Dynamik zu erwarten, ohne dass diese Abschwächung schon einen Abschwung bedeuten würde. Mit verringertem, aber immer noch hohem Tempo werde die Weltwirtschaft wachsen, prognostiziert der ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Insofern blieben die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch für die deutsche Wirtschaft relativ günstig.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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