Deutsche Konjunkturträume geplatzt
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Externe Quelle: Deutsche Bank Research
Diesmal ist es anders. Diesmal kann sich Europa – und Deutschland – vom harschen US-Konjunkturabschwung abkoppeln. So ähnlich klangen bis vor kurzem die Einschätzungen aus den Unternehmen und aus den Zentralbanken. In der Tat: Bereits im vergangenen Jahr übertrafen die deutschen Ausfuhren nach Russland, China und in die ostasiatischen Schwellenländer (insgesamt EUR 90,4 Mrd.) die Lieferungen in die USA (EUR 71.0 Mrd.) deutlich. Allerdings war zu erwarten, dass auch diese Absatzmärkte sich auf Grund ihrer engen Verflechtung mit der US-Wirtschaft weniger dynamisch entwickeln würden. Aber vielleicht hätten die Entkoppelungsapologeten diesmal sogar Recht behalten, wenn die Schwäche der US-Konjunktur der einzige Bremsfaktor für unsere Wirtschaft geblieben wäre. Ein weiterer Bremser ist die deutliche Abwertung des US-Dollars, die natürlich im Zusammenhang mit dem US-Abschwung und den massiven Zinssenkungen der amerikanischen Notenbank gesehen werden muss. Aber der Euro hat nicht nur gegenüber dem US-Dollar kräftig zugelegt. Gegenüber einem Korb von 42 Währungen hat er seit Anfang 2006 gut 13% gewonnen. Der Sachverständigenrat hat uns vorgerechnet, dass eine Aufwertung des so berechneten Wertes des Euro um 10% das Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um knapp einen Prozentpunkt vermindert.
Nun hat eine Euroaufwertung aber auch ihre guten Seiten: Wir importieren Stabilität, indem in ausländischer Währung zu bezahlende Importe billiger werden. Leider wird dieser Effekt, der gerade dem Verbraucher ein Mehr an realer Kaufkraft bescheren sollte, derzeit durch den Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise – die dritte Bremse am deutschen Konjunkturmotor – konterkariert. Die Dollarabwertung alleine hätte rechnerisch seit Anfang 2006 zu einem Rückgang der Importpreise um annähernd 15% geführt. Im Juni sind die Importpreise tatsächlich aber um 8,9% gegenüber Vorjahr gestiegen. Treiber sind vor allem Erdöl und Mineralölerzeugnisse; ohne diese legten die Importpreise lediglich um 2,5% zu. Zugegeben, nur ein schwacher Trost für deutsche Autofahrer. Alles in allem wird dem deutschen Konsumenten durch steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise – trotz des festeren Euro – in diesem Jahr rund 1 ½ Prozentpunkte an realer Kaufkraft genommen. Nur am Rande: Diese Kaufkraft ist hauptsächlich durch unsere gestiegene Ölrechnung in die Erdölförderländer abgewandert. Sie kann also nicht durch höhere Tariflohnsteigerungen im Inland „zurückgeholt“ werden. Inwieweit die derzeitigen Probleme am Kapitalmarkt die Wirtschaft belasten ist schwer zu quantifizieren. Zwar haben die Banken ihre Kreditkonditionen verschärft, allerdings könnte die in Ansätzen zu erkennende Verlangsamung der Kreditexpansion im Juni auch durch die Nachfrageseite verursacht sein.
Wie auch immer; dass der deutsche Konjunkturmotor ins Stottern geraten ist, war nicht erst seit der Vollbremsung des ifo-Geschäftsklimas im Juli und des Schwächeanfalls des für August prognostizierten Konsumentenvertrauens sichtbar. Bei den Auftragseingängen knirscht es schon seit Jahresbeginn; darüber konnte auch die Wachstumsbeschleunigung im ersten Quartal nicht hinwegtäuschen. Die am 14. August zur Veröffentlichung anstehende Schätzung für das deutsche BIP im zweiten Quartal wird eine Kombination aus Konjunkturschwäche und Gegenbewegung zum durch Sonderfaktoren übersteigerten ersten Quartal zeigen. Das BIP dürfte um ½ % gegenüber Vorquartal geschrumpft sein; der Rückgang könnte aber auch noch deutlicher ausgefallen sein. Zwar werden wir dank des BIP-Zuwachses um 1.5% im ersten Quartal wohl immer noch ein Wirtschaftswachstum von rund 2% im Jahresdurchschnitt erreichen, doch dürfte die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte mehr oder weniger im Leerlauf sein.
Im Wahljahr 2009 könnte die deutsche Wachstumsrate dann wohl unter die Marke von einem Prozent rutschen. Einige, wohl durch die amerikanische Fiskalpolitik inspirierte, Regierungsmitglieder in Berlin bringen schon Konjunkturprogramme ins Gespräch. Allerdings ist die Situation in Deutschland eine deutlich andere als in den USA, wo sich der Wohnungsbau immer noch im freien Fall befindet. Nach drei Jahren überdurchschnittlichen Wachstums in Deutschland ist selbst eine Wachstumsverlangsamung auf unter 1% kein Grund zur Panik, da unser langfristiges Trendwachstum bestenfalls zwischen 1 1/2% und 1 3/4% liegt. Außerdem müssen wir uns wohl darauf einstellen, dass der Anstieg der Energiepreise von Dauer ist. Notwendige Anpassungen, z.B. der Umstieg auf effizientere Autos oder - wo möglich – auf öffentliche Verkehrsmittel, sollten nicht durch die großzügige Ausgestaltung von Subventionen (Pendlerpauschale) hinausgezögert werden.
Autor: Stefan Schneider
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