Kommentar
08:29 Uhr, 11.07.2006

Deutsche Konjunktur treibt Wachstum in der Eurozone

Der deutschen Fußballelf ist am vergangenen Wochenende ein Sieg im „kleinen Finale“ des World Cup geglückt. Damit verblüffte sie Kritiker, die das Team bereits vor dem ersten Anstoß abgeschrieben hatten. Unter der Führung Deutschlands berappelt sich jetzt auch – nach Jahren der Flaute – die Konjunktur der Eurozone und widerlegt damit alle Unkenrufe.

Verbrauchervertrauen steigt

Die jüngsten Zahlen aus Deutschland sind auf jeden Fall ermutigend. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts GfK stieg das Verbrauchervertrauen im Juni auf seinen höchsten Stand seit 25 Jahren. Die anhaltende Konjunkturschwäche in Deutschland fand vor allem aufgrund des starken Exportwachstums ein Ende; die Konsumausgaben blieben dagegen schwach. Das kann sich angesichts der verbesserten Wirtschaftslage und einer entspannteren Arbeitsmarktsituation nun aber ändern, da die Verbraucher wieder Spaß am Einkaufen finden. Damit sind die Weichen für eine ausgewogenere und nachhaltige Konjunkturerholung gestellt. Auch die Einzelhandelszahlen sprechen für diese Annahme: Im April legten die Absätze der großen Einzelhandelsketten um 2,8 Prozent zu, nachdem sie in den beiden Vormonaten gefallen waren.

Neben den positiven Zahlen der Handelsunternehmen, bessert sich die Stimmung auch bei den restlichen deutschen Unternehmen zusehends. Verstärkte Investitionstätigkeit wird daher sicherlich weitere Impulse zum Aufschwung beisteuern. Der ifo-Geschäftsklima-Index, der auf einer monatlichen Umfrage bei rund 7.000 Unternehmen beruht hat beinahe sein Allzeithoch erreicht. Wie sich aus den Export- und Industrieproduktionsstatistiken ablesen lässt, hat der Höhenflug des Euro dem produzierenden Gewerbe in Deutschland bisher nichts anhaben können. Es überrascht daher nicht, dass führende deutsche Volkswirtschaftler ihre Prognosen für das deutsche Wirtschaftswachstum in 2006 von zuvor 1,2 Prozent auf 1,8 Prozent nach oben korrigiert haben. Auch wir rechnen in diesem Jahr mit einem Wachstum von rund 1,8 Prozent.

Fußballweltmeisterschaft belebt Konjunktur

Positive Impulse für die Konjunktur dürften auch von der Fußballweltmeisterschaft ausgehen, die sich wahrscheinlich in einer Größenordnung von 0,25 bis 0,5 Prozent im BIP niederschlagen werden. Das sportliche Großereignis des Jahres könnte die Konjunktur darüber hinaus aber auch langfristig beleben. So entschieden die Behörden bereits vor der Weltmeisterschaft, die rigiden Ladenschlusszeiten in Deutschland zu lockern. Einige Politiker und Branchenverbände plädieren dafür, die gelockerten Ladenschlusszeiten auch nach der Weltmeisterschaft beizubehalten, da längere Öffnungszeiten die Wirtschaft ankurbeln würden. Der deutsche Einzelhandel verfolgt das Experiment mit großem Interesse, denn noch ist nicht klar, ob längere Öffnungszeiten auch höhere Umsätze bedeuten. Wichtig ist aber auch, dass die liberalere Handhabung der Ladenschlusszeiten auf eine steigende Bereitschaft zu Reformen in anderen Bereichen der deutschen Wirtschaft hindeuten könnte.

Deutschland als Motor für Eurozone

Von einer gesunden deutschen Wirtschaft würden auch die anderen Regionen der Eurozone profitieren. Bereits jetzt zeichnet sich eine allgemeine konjunkturelle Erholung in Europa ab. So legte das Wirtschaftswachstum in den zwölf Staaten der Eurozone in den ersten drei Monaten dieses Jahres bereits zu. Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat im Mai nahm das Wachstum im ersten Quartal im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten um 0,6 Prozent zu. Das entspricht einem Zuwachs von 2,0 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr. Zuvor hatte die Europäische Kommission ihre Wachstumsprognosen für die Eurozone in diesem Jahr von 1,9 Prozent auf 2,1 Prozent angepasst. Grund für diese Korrektur waren die Zunahme von Investitionstätigkeit und Verbrauchernachfrage sowie die allgemeine Verbesserung des weltwirtschaftlichen Umfelds. Die Europäische Kommission rechnet zudem mit einer Ausweitung der Wirtschaft um 2,3 Prozent in diesem Jahr gegenüber 1,6 Prozent in 2005.

Europäischer Aktienmarkt bietet Kaufgelegenheit

Angesichts dieser erfreulichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrachtet Threadneedle die jüngste Entwicklung auf dem europäischen Aktienmarkt als günstige Kaufgelegenheit. Nach den kräftigen Zuwächsen zu Beginn dieses Jahres war eine Kurskorrektur infolge der den Markt belastenden Gewinnmitnahmen nahezu unvermeidlich. Die Faktoren, die während der ersten vier Monate des Jahres an den europäischen Aktienmärkten für Aufwind sorgten, bleiben dagegen weitgehend bestehen:

· Es findet eine spürbare Belebung der Konjunktur statt. Daraus ergeben sich wiederum positive Impulse für das Ertragswachstum.
· Die Bewertungen bewegen sich auf einem vernünftigen Niveau. So werden europäische Aktien derzeit mit einem vergleichsweise attraktiven Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 13 für 2007 gehandelt.
· Die Dividendenrendite europäischer Aktien liegt zurzeit bei rund 3,0 Prozent und damit wesentlich höher als die Renditen amerikanischer oder japanischer Werte. Für 2006 prognostizieren wir zudem ein Dividendenwachstum von 10,0 Prozent für den europäischen Markt, der damit besser als der britische und der US-Markt abschneiden würde.
· Für 2006 bleiben wir bei unserer Prognose eines zehnprozentigen Wachstums der Unternehmensgewinne in Europa. Unserer Einschätzung nach wird sich dieses Wachstum auch im nächsten Jahr nur moderat auf eine Rate von 6,0 Prozent verlangsamen.
· Wir sind der Ansicht, dass die in jüngster Zeit beobachtete Intensivierung der Übernahmetätigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach anhalten wird. Dies gilt umso mehr, als dass die Kredite zur Finanzierung dieser Deals momentan relativ billig sind.

Die Angst vor zunehmendem Inflationsdruck – und damit höheren Zinsen – ist unserer Überzeugung nach unbegründet. Paradoxerweise war es just diese Angst, die die Kurseinbrüche der letzten Wochen ausgelöst hat. Wir gehen davon aus, dass die Inflationsentwicklung unter Kontrolle bleiben wird und prognostizieren eine Teuerungsrate von 2,0 Prozent für 2006 und 2007. Zwar erwarten wir noch in diesem Jahr einen Anstieg der Zinsen auf 3,25 Prozent bzw. 3,50 Prozent in 2007, im historischen Kontext und im Vergleich zu den Zinssätzen in den USA und Großbritannien ist das Zinsniveau in der Eurozone jedoch eher niedrig. Beim gegenwärtigen Niveau ist es daher unwahrscheinlich, dass die Zinssätze den weiteren Verlauf der Konjunkturbelebung hemmen werden.

Fazit: Wir rechnen mit einem kräftigen Aufwärtstrend bei Aktien, sobald Investoren sich wieder auf das konzentrieren, worauf es eigentlich ankommt: das wirtschaftliche Umfeld. Dafür, dass sie das früher oder später tun, spricht die Erfahrung aus der Vergangenheit. Insofern lässt sich durchaus eine Parallele zum World Cup ziehen, wo Deutschland immer gut abschneidet - ob mit oder ohne „Dream-Team“.

Quelle: Threadneedle

Die im Jahre 1994 gegründete Investmentgesellschaft Threadneedle Investments ist heute die drittgrößte Publikumsfondsgesellschaft Großbritanniens und zählt mit einem verwalteten Anlagevolumen von 88,6 Milliarden Euro - davon 19,2 Milliarden Euro in Publikumsfonds - zu den namhaftesten Investmentgesellschaften in Europa (Stand: 31.12.2004). Threadneedle konzentriert sich ausschließlich auf die Verwaltung von Kundengeldern. Ziel ist es, effektive Investmentlösungen anzubieten, die überdurchschnittliche Erträge und einen hervorragenden Kundenservice kombinieren.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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