Analyse
01:00 Uhr, 07.03.2009

Der quälend lange Weg aus der Krise

Externe Quelle: Hypovereinsbank UniCredit

In der nächsten Woche wird die Fed die US-Finanzierungsrechnung vorlegen (Flow of Funds Accounts) und darin erneut einen scharfen Rückgang des Nettovermögens der privaten Haushalte ausweisen. Bis Ende September 2008 ist ihr Nettovermögen bereits um etwa 7 Bio USD geschrumpft. Grund hierfür war in erster Linie der Ausverkauf am Aktienmarkt, der zu massiven Verlusten nicht zuletzt bei den verschiedenen Pensionsplänen führten. Die sinkenden Häuserpreise haben die Situation weiter verschärft. Die in der Regel hoch verschuldeten privaten Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen sind hiervon besonders betroffen. Nach unseren Schätzungen dürfte der anhaltende Preisverfall am Aktien- und Häusermarkt seit Ende September weitere 4 Bio USD vernichtet haben. Insgesamt sank damit das Nettovermögen um etwa 11 Bio USD. Das sind fast 50% mehr als die gesamten Lohn- und Gehaltszahlungen für ein ganzes Jahr – eine in dieser Höhe bislang einmalige Relation, die das Ausgaben- und Sparverhalten der US-Verbraucher bereits nachhaltig beeinflusst hat. So sind die realen Verbraucherausgaben im dritten und vierten Quartal 2008 deutlich zurückgegangen.

Daran dürfte sich auch 2009 nichts ändern, da die USVerbraucher nun daran interessiert sein dürften, ihre Ersparnisse aufzustocken. In der Tat hat sich die Sparquote im Januar 2009 bereits auf 5% erhöht (vgl. Grafik). Dies ist der höchste Wert seit Mitte der 90er-Jahre. 2006/07 lag die Sparquote mit 0,7% bzw. 0,6% nur knapp im positiven Bereich. Damals profitierten die privaten Haushalte von der günstigen Entwicklung am Aktien- und Häusermarkt. Nettovermögen und Lebensstandard (auf kreditfinanzierter Basis) stiegen, obwohl die Reallöhne bei den meisten Verbrauchern mit geringen und mittleren Einkommen stagnierten.

Der-quälend-lange-Weg-aus-der-Krise-Chartanalyse-Redaktion-GodmodeTrader.de-1

Diese Vermögensverluste wirken sich auch auf die Investitionsentscheidungen der Unternehmen aus. So orientieren sich die Ausrüstungsinvestitionen nicht nur an der Endnachfrage bzw. der Gewinnentwicklung, sondern auch an den Bedingungen des Aktienmarkts. Wenn der Aktienkurs eines Unternehmens sinkt, fordern die Aktionäre eine strikte Kostenkontrolle. Auf diese Forderung reagieren die Unternehmen meist mit Stellenabbau. Sie stellen weniger neue Mitarbeiter ein und verschieben Investitionen, insbesondere für Sachanlagen. Diese Anpassungen waren bereits kurz nach Beginn der Rezession im Dezember 2007 zu beobachten. Im ersten Quartal 2008 schrumpften die Ausrüstungsinvestitionen um 0,6% (annualisiert). Es folgten weitere Rückgänge um 5% im zweiten, um 7,5% im dritten und schließlich um erstaunliche 28,8% im vierten Quartal 2008. Die rasche Reaktion der Unternehmen auf die sich schnell ausbreitende Rezession entspricht ihrem Verhalten in der schlimmsten Phase nach dem Platzen der High-Tech-Blase. Aus Sicht der Unternehmensinvestitionen war dies eines der fünf schlechtesten Quartale in 60 Jahren.

Der Investitionsrückgang ist größtenteils eine direkte Folge der Finanzkrise. Schon bei den ersten Anzeichen der Krise (rückläufige Vermögenswerte, wachsende Verluste) drosselten die Finanzinstitute ihre Ausgaben für Ausrüstung und Software. Die Nachfrage nach IT-Produkten brach im zweiten Halbjahr 2008 regelrecht ein. Normalerweise investieren Banken und Versicherungsunternehmen in diesen Bereich am stärksten. Doch nach der aktuellen BIP-Statistik ging die reale Endnachfrage nach Computern in diesem Zeitraum um ca. 2% zurück. In den (fast) drei Jahren zuvor verzeichnete dieser Bereich noch ein Wachstumsplus von 20%. Auch im Verarbeitenden Gewerbe beschleunigte sich der Abschwung zusehends. Die wohnungsbaunahe Produktion und die Automobilindustrie waren hiervon besonders betroffen. Laut BIP-Statistik sank die Autoproduktion 2008 um insgesamt 17,8%, wobei der Rückgang allein im Schlussquartal 2008, als die von Insolvenz bedrohten US-Autobauer unter den Rettungsschirm der Regierung flüchteten, auf beängstigende 63,5% hochschnellte.

Noch größere Besorgnis löste es allerdings aus, dass die Rezession im Verarbeitenden Gewerbe plötzlich alle Segmente erfasst hat. Das begann zur Jahresmitte und beschleunigte sich nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers. Dadurch verwandelte sich der bis dahin auf einige wenige Sektoren begrenzte Abschwung in eine wirklich tiefgreifende Rezession, die fast alle Branchen mit sich riss. Auch traditionell starke Industriezweige, wie z.B. der High-Tech-Maschinenbau, blieben nicht verschont. Und schon bald geriet praktisch die gesamte US-Industrie in einen Abwärtsstrudel. Dies lässt sich anschaulich anhand des Diffusionsindex der Fed-Statistik zur Industrieproduktion nachweisen. Der Index registriert den Prozentsatz der Industriezweige mit steigender Produktion plus den Prozentsatz der Hälfte der Industriezweige mit unveränderter Produktion. Wie die nachfolgende Grafik zeigt, entwickelt sich der Diffusionsindex seit September 2008 stark rückläufig und ist mittlerweile auf den niedrigsten Wert seit den Anfängen dieser Statistik vor 20 Jahren gefallen.

Der-quälend-lange-Weg-aus-der-Krise-Chartanalyse-Redaktion-GodmodeTrader.de-2

Auch ehemals starke Sektoren sind betroffen

Die ohnehin ausgeprägten Vermögensverluste dürften sich durch das breit angelegte Einnahmeminus bei Arbeitnehmern, die ihre Jobs verlieren, und Unternehmen, die Kunden verlieren und erhebliche Gewinneinbußen hinnehmen müssen, weiter verschärfen. Dies akzentuiert die konjunkturelle Talfahrt, die noch zusätzlich dadurch verschlimmert wird, dass wirtschaftlich starke Sektoren, die noch im letzten Jahr einen positiven Wachstumsbeitrag leisteten, dies im laufenden Jahr so wohl nicht mehr zustande bringen. Gemeint sind der Gewerbebau, die realen Nettoexporte sowie die Ausgaben der US-Bundesstaaten und Kommunen.

Zunächst zum Gewerbebau: Dieser trug 2008 stolze 0,4 Prozentpunkte zum realen Wachstum von insgesamt 1,1% bei. Hintergrund war, dass bereits deutlich vor Ausbruch der Kreditkrise begonnene Projekte fortgeführt oder fertig gestellt wurden. Neue Projekte wurden jedoch zusammengestrichen, verschoben oder ganz aufgegeben, nachdem die Finanzinstitute ihre Kreditvergabe im Gewerbebau massiv zurückgefahren haben. Die Banken befürchteten zu Recht, dass in diesem Bereich bereits Überkapazitäten vorhanden sind und die Mietpreise aufgrund der daraus resultierenden Leerstände unter Druck geraten könnten. Der Neubau von Bürogebäuden, Einkaufszentren oder vergleichbaren Einrichtungen gilt deshalb als unprofitabel. Die jüngsten Daten zum Gewerbebau implizieren, dass der Gewerbebau das Wachstum 2009 sogar belasten könnte (voraussichtlich mit 0,2 Prozentpunkten). Dies wäre in der Tat wenig erfreulich.

Zweitens dürften sich die im Jahr 2008 starke Performance der realen Exporte nicht wiederholen lassen. Statistisch gesehen war das BIP-Wachstum von 1,1% im Gesamtjahr ausschließlich auf die Kombination aus höheren Realexporten und niedrigeren Realimporten zurückzuführen. Daraus ergab sich ein positiver Beitrag von 1,38 Prozentpunkten. Dies ist einer der höchsten Werte, der jemals errechnet wurde. Aufgrund der rückläufigen Nachfrage sowohl in den USA als auch in anderen bedeutenden Volkswirtschaften dürften Exporte und Importe nun allerdings deutlich schrumpfen. Das Nettoergebnis könnte mit vielleicht 0,2 Prozentpunkten gerade noch einen positiven Wert aufweisen.

Drittens belastet die Rezession auch den Etat der US-Bundesstaaten und Kommunen. Denn ihre Steuerbasis hängt von den Einkommen der privaten Haushalte, den Umsätzen im Einzelhandel sowie von den Häuserpreisen und Verkaufszahlen (Housing Turnover) ab. So verzeichnen die von der Immobilienrezession am stärksten betroffenen USBundesstaaten bereits steigende Arbeitslosenzahlen, sinkende private Einkommen und rückläufige Einzelhandelsumsätze. Die dadurch niedrigeren Steuereinnahmen führen wiederum zu einem Anstieg des Haushaltsdefizits. Im letzten Jahr belief sich der Wachstumsbeitrag der öffentlichen Ausgaben auf bundesstaatlicher und kommunaler Ebene nur auf 0,14 Prozentpunkte. Aus dem Konjunkturprogramm der Obama-Administration fließen umfangreiche Mittel zu, die es den lokalen Regierungen erlauben, ihre Ausgaben auch in diesem Jahr weiter zu erhöhen. Hinzu kommen weitere Hilfsmaßnahmen, die Zwangsversteigerungen klammer Hausbesitzer verhindern und dadurch die Einbußen bei den steuerpflichtigen Einkommen begrenzen sollen.

Der-quälend-lange-Weg-aus-der-Krise-Chartanalyse-Redaktion-GodmodeTrader.de-3

US-Konjunkturpaket – zu wenig für nachhaltige Erholung

Die Fed verfolgt eine ultra-expansive Geldpolitik, während die neue US-Regierung gleichzeitig auf Milliarden schwere Konjunkturprogramme setzt. Eine ähnliche Politik gab es auch während der ersten Amtszeit von Präsident Bush zu Beginn des neuen Jahrtausends. Damals wurde Ex-Fed- Chef Greenspan nicht müde, für seine stark akkomodierende Geldpolitik zu werben. Allerdings bezeichnete die Bush- Administration ihre Politik aus Steuersenkungen, Investitionsanreizen und höheren Militär- und Staatsausgaben nie als Konjunkturpaket. Doch das rhetorische Etikett ist letztlich irrelevant. Unabhängig davon entfaltete nämlich das von der Bush-Administration auf den Weg gebrachte „Konjunkturpaket“ rechtzeitig seine Wirkung. Wenn wir die Wachstumswirkungen in den Jahren 2003 und 2004 mit unserem prognostizierten Beitrag des jüngsten Pakets (für 2009 und 2010) vergleichen, verspricht das Obama-Programm kaum höhere BIP-Effekte, wie die nachfolgende Tabelle zeigt.

Der-quälend-lange-Weg-aus-der-Krise-Chartanalyse-Redaktion-GodmodeTrader.de-4

Das volkswirtschaftliche Beraterteam der Obama-Administration geht im Unterschied zu unseren Prognosen dagegen von einer stärkeren Wachstumswirkung des Konjunkturprogramms aus. Dies mag zutreffend sein. Doch nach unserer Meinung unterschätzen Obamas Wirtschaftsexperten die anhaltende Belastung der privaten Haushalte und Unternehmen sowie der Auslandsnachfrage durch die globale Finanzkrise, die damit verbundene Kreditklemme und den Einbruch an den globalen Finanzmärkten. Die erhoffte nachhaltige Erholung von dieser schweren Wirtschaftskrise dürfte unseres Erachtens daher eher Jahre und sicherlich nicht nur die wenigen Monate in Anspruch nehmen, die nötig sind, um die Rezession zu beenden und die Produktion zu stabilisieren. Eine Rückkehr zu Potenzial erfordert entweder einen plötzlichen und heftigen Kursanstieg an den Börsen. Oder aber die Banken, Unternehmen, privaten Haushalte und Regierungen, nicht zuletzt die US-Bundesstaaten und Kommunen, lösen überraschend frühzeitig ihre Bilanzprobleme. Doch aus unserer Sicht sind beide Szenarios in naher Zukunft leider wenig wahrscheinlich.

Der-quälend-lange-Weg-aus-der-Krise-Chartanalyse-Redaktion-GodmodeTrader.de-5

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen