Der Pessimismus nährt den Pessimismus
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1. Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland sanken im April unerwartet kräftig von 57,6 auf 49,7 Punkte. Von Bloomberg befragte Volkswirte hatten im Mittel einen Rückgang auf 57,0 Punkte, wir auf 56,0 Punkte prognostiziert.
2. So schlecht die Konjunkturerwartungen ohnehin schon sind, sie sind noch enttäuschender, wenn man sich die eher guten Rahmenbedingungen im April vor Augen führt:
- Die Konjunkturdaten aus den Vereinigten Staaten kamen überwiegend positiv, es wird ein Wachstum von rund 5,0 % im ersten Quartal erwartet und der US-Arbeitsmarkt, auf den die Finanzmarktanalysten seit langem mit Sorge geblickten hatten, zeigte im Befragungszeitraum endlich die erhoffte kräftige Besserung. Auch in anderen Regionen dieser Welt brummt die Konjunktur, doch dies ließ die Finanzmarktanalysten kalt.
- Der Euro wertete im Befragungszeitraum ab und sank auf den niedrigsten Wert seit November 2003. Dies hätte mit Blick auf die Exportwirtschaft für etwas mehr Zuversicht sorgen sollen, doch auch das ließ die Finanzmarktanalysten kalt.
- Nach der Korrektur des deutschen Aktienmarktes auf rund 3720 Punkte stieg der DAX im Befragungszeitraum wieder deutlich an. Das ist ein Sachverhalt, der normalerweise für gute Stimmung sorgt, doch dieses Mal ließ es die Finanzmarktanalysten ebenfalls kalt.
3. Was ist also derzeit los? Eine Unklarheit und drei Antworten sind auszumachen:
- Unklar ist, wie im April die Reaktion der Marktteilnehmer auf die Attentate von Madrid ausfiel. Im Vormonat konnten nicht alle Befragten die Attentate in ihren Antworten berücksichtigen, weshalb die Konjunkturerwartungen vor dem 11. März bei 59,1 Punkten und danach bei 55,9 Punkten lagen. Es ist zumindest theoretisch denkbar, dass diejenigen, die im März die Attentate nicht berücksichtigen konnten, dies nun nachholten. Doch überzeugen kann dieses Argument nicht richtig, denn die Aktienmärkte haben die Anschläge verdaut. Warum sollte es also zu diesem Nachholeffekt kommen?
- Bleibt also als Erklärung, dass die Konjunkturprognosen für Deutschland weiter abwärts revidiert wurden. Dies sind Nachrichten, die kein Finanzmarktanalyst gerne hört. Doch blickt man hinter die Revisionen, so ist es vor allem das enttäuschende erste Quartal, das dazu Anlass gab. Es war also die Vergangenheit und nicht die Zukunft, die im Zentrum der Revisionen stand. Das einzige derzeit schlagkräftige Argument für eine weiter verdüsterte Perspektive ist die Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland: Der Märzwert war außergewöhnlich schlecht und ließ Zweifel an der Erholung am Arbeitsmarkt aufkommen. Damit musste man aber auch bei der erhofften Erholung der Konsumtätigkeit Abstriche machen.
- Nicht auszuschließen ist auch, dass ein ganz neues Thema aufgekommen ist: die Rohstoffpreisentwicklung. Mit einem schwächeren Euro würde die Kompensation der kräftigen Verteuerung der Rohstoffe wegfallen. Zudem ist es in einigen Bereichen inzwischen nicht mehr eine Frage des Preises, sondern der generellen Verfügbarkeit von Rohstoffen. Dies ist eine Thematik, die uns in der kommenden Zeit weiter beschäftigen könnte.
- Schließlich ist noch ein psychologisches Phänomen auszumachen: Die Konjunkturerwartungen waren in den vergangenen Monaten wohl wieder einmal zu hoch, und mit den schlechten harten Daten für das erste Quartal und den immer noch schlechten gegenwartsbezogenen Umfrageergebnissen - die ZEW-Lagekomponente verbesserte sich im April gerade einmal um zwei Zehntel auf -72,5 Punkte - wurden die Konjunkturbeobachter wie schon im Jahre 2002 enttäuscht. Möglicherweise wirkt sogar noch die Enttäuschung über den starken Rückgang des ifo-Geschäftsklimas im Vormonat nach.
4. Schon im November des vergangenen Jahres stellten wir in unseren Publikationen die Frage "Zuviel Optimismus?". Jetzt wissen es alle: Es gab zu viel Optimismus in den Konjunkturumfragen. Doch etwas ist neu: Inzwischen bekommt man den Eindruck, dass der Pessimismus den Pessimismus nährt. Ganz ohne Frage stehen wir nicht vor einem dynamischen Aufschwung, sondern vor einer moderaten Erholung, und ganz ohne Frage ist diese Erholung auch noch mit Risiken verbunden. Doch das sind keine Neuigkeiten, sie wurden nur durch ein Zuviel an Optimismus einige Zeit verdrängt. Man muss nun aufpassen, dass aus der notwendigen Korrektur der zu optimistischen Erwartungen nicht eine überschießende Welle des Pessimismus wird. Ein vorsichtiger Realismus ist angebracht, zuviel Pessimismus aber nicht.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 131 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands.
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