Kommentar
08:42 Uhr, 20.05.2016

Der Markt will doch hoch oder?

Seitdem das Protokoll der letzten US-Notenbanksitzung veröffentlicht ist (vorgestern Abend), spielt der Markt verrückt. Lag die vom Markt erwartete Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung im Juni bzw. Juli noch zu Wochenbeginn bei praktisch 0%, schoss sie nun deutlich nach oben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbank entweder im Juni oder Juli die Zinsen erhöht, liegt heute bei ungefähr 60 %.

Der Präsident der New Yorker Notenbank William Dudley äußerte sich gestern hocherfreut über diesen Anstieg der Wahrscheinlichkeit. Sie war in den letzten Wochen einfach viel zu niedrig. Dudley redete aber nicht nur über Wahrscheinlichkeiten und Statistiken, sondern auch über seine persönliche Meinung. Er sieht die Wirtschaft weiterhin auf einem guten Weg. Es fehlt nicht mehr viel und er ist überzeugt, dass eine weitere Zinsanpassung angebracht sein wird.

Der Markt fantasiert nach dem Protokoll und der Rede von Dudley von einer Zinserhöhung. Weder die Äußerungen noch das Fed Protokoll deuten jedoch an, dass die Zinserhöhung kommen muss. Persönlich interpretiere ich die Stimmungsmache so: Der Markt hat eine Zinserhöhung im Sommer ausgeschlossen. Die Fed ist aber grundsätzlich bereit, die Zinsen zu erhöhen, wenn sich das Wachstum im zweiten Quartal wieder deutlich beschleunigt.

Nehmen wir den Fall an, dass die Konjunkturdaten der kommenden Wochen hervorragend sind. Die Notenbank würde dann ziemlich sicher die Zinsen erhöhen. Erwartet das jedoch niemand, dann ist am Markt die Hölle los. Die Bedingungen auf dem Finanzmarkt würden sich innerhalb von Tagen dramatisch verschlechtern. So etwas haben wir zu Jahresbeginn gesehen. Die Fed will das unbedingt vermeiden.

Nun ist der Markt auf die Möglichkeit einer Zinserhöhung vorbereitet. Sind die kommenden Wirtschaftsdaten weder gut noch schlecht, dann werden die Zinsen nicht steigen. Die Notenbanker wollten uns mit ihren Bemerkungen nicht garantieren, dass es eine Anhebung geben wird, sondern lediglich in Erinnerung rufen, dass es prinzipiell möglich ist.

Persönlich sehe ich die Wahrscheinlichkeit nach wie vor recht tief. Die Notenbank beobachtet die Entwicklung in Großbritannien sehr genau. Aktuell liegen die EU-Befürworter vorne. Ändert sich das bis zur nächsten Notenbanksitzung, die wenige Tage vor der Brexit Abstimmung stattfindet, dann wird die Fed tendenziell abwarten und nichts tun.

Neben den Umfragen zum Brexit sind zwei weitere Dinge hoch auf der Beobachtungsliste der Notenbank: der Dollar und die heimische Konjunktur. Der Dollar-Index stieg in den vergangenen Wochen wieder deutlich an. An einer wichtigen charttechnischen Unterstützung drehte er nach oben. Derzeit sieht es so aus als würde sich diese Bewegung in den kommenden Tagen ausreizen und sogar wieder umkehren können. Kommt es nicht dazu, dann wird auch das die Notenbankentscheidung beeinflussen.

Beim starken Dollar geht es nicht nur um eine mögliche Schwächung der US Exporte, sondern um das weltweite Klima an den Finanzmärkten. Wertet der Dollar zu stark auf, dann stehen die Schwellen- und Entwicklungsländer meist unter großem Stress. Auch das war Zu Jahresbeginn zu beobachten. Die Abwertung des Dollars hat viel Luft verschafft.

Die US Konjunktur wiederum liefert widersprüchliche Signale. So stieg die Industrieproduktion zuletzt überraschend deutlich an. Nun zeigen jedoch die Einkaufsmanagerindizes und Indikatoren, die die gewerbliche Aktivität messen, wieder nach unten. Besonders relevant wird der Arbeitsmarktbericht für Mai. Setzt sich der Trend eines langsameren Jobwachstums aus April fort, dann kann man die Zinserhöhung de facto vergessen.

Die kommenden Wochen werden nicht einfach für den Markt. Ich erwarte ehrlich gesagt keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse. Trotz der Androhung einer Zinserhöhung arbeitet der Markt schon wieder an einem Rebound. Angesichts der extrem sportlichen Bewertung vieler Indizes und einem Dow Jones Transportation Index, der als Vorlaufindikator dient und wieder deutlich nach unten dreht, ist kaum ein nachhaltiger Ausbruch nach oben denkbar. Die US Indizes dürften sich bis zur nächsten Notenbanksitzung eher dahinschleppen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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