Kommentar
08:07 Uhr, 22.07.2015

Der "freie Markt" in den USA

In den USA sind Rekorde beliebt und die dortigen Unternehmen arbeiten gerade daran einen neuen aufzustellen. Schmeichelhaft ist dieser Rekord jedoch nicht.

In den letzten Wochen hagelte es viel Kritik. Ausnahmsweise standen nicht die USA im Mittelpunkt der Kritik, sondern Europa für Griechenland und China für seine Markteingriffe. Besonders in den USA stießen die gezielten Eingriffe der chinesischen Führungen in den Aktienmarkt auf großes Unverständnis, schließlich schmückt man sich in den USA mit dem Prädikat „Freiheit.“ Der Marktwirtschaft wird das Feld überlassen.

Freilich kann man spätestens seit Beginn des ersten QE Programms nicht mehr vom freien Markt in den USA sprechen, aber das ist ein Detail, welches gerne vergessen wird. Im Gegensatz zu massiven Eingriffen auf dem Aktienmarkt – wie in China geschehen – blieb dieser Teil des Marktes in den USA vergleichsweise unberührt. Da ließen sich die Praktiken der chinesischen Broker, der Notenbank und der Regierung besser anprangern, doch wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.

Es ist richtig, dass es in den USA kein von der Notenbank verordnetes Aktienkaufprogramm gibt. Das ist auch gar nicht notwendig, denn die Aufgabe von Stützungskäufen übernimmt der freie Markt selbst. Übersetzt heißt das: börsennotierte Unternehmen heben den Wert ihrer Aktien durch Stützungskäufe. Diese Stützungskäufe werden nicht als solche bezeichnet, sondern vielmehr als Aktienrückkäufe getarnt.

Das Ausmaß der Rückkäufe nimmt inzwischen so absurde Züge an, dass man glauben könnte, man sei in China unterwegs. US Unternehmen werden in diesem Jahr schätzungsweise 70% ihres Gewinns in den Rückkauf von Aktien stecken. Hinzu kommen noch die direkten Ausschüttungen an Aktionäre. Dividenden werden knapp 40% der Gewinne verbrauchen.

Zählt man die Ausschüttungsquote über Dividenden und von Aktienrückkäufen zusammen, dann ergeben die beiden Zahlen in der Summe mehr als 100%. Das ist kein Rechenfehler. US Unternehmen werden in diesem Jahr im Durchschnitt mehr an Aktionäre ausschütten, als sie verdienen. Finanziert wird dies größtenteils über die Aufnahme neuer Schulden.

Grafik 1 zeigt wie viel die S&P 500 Unternehmen in jedem Jahr seit 1998 in Aktienrückkäufe und Dividenden gesteckt haben. Während der Rezession 2001 als die Gewinne sanken, schütteten Unternehmen schon einmal mehr aus als sie verdienten. Das liegt vor allem daran, dass bereits von der Hauptversammlung beschlossene Ausschüttungen nicht so einfach auszusetzen sind. Einfacher ist es kurzfristig Aktienrückkäufe auszusetzen. So wurden die Rückkäufe in den Jahren 2009 und 2010 deutlich zurückgefahren während die Dividenden relativ stabil blieben.

2015 wird nicht den Spitzenplatz aller Jahre belegen, in denen US Unternehmen mehr ausschütten als sie verdienen. 2015 dürfte es immerhin unter die Top 3 schaffen. 2007 und 2008 sind derzeit nicht zu schlagen. Vor allem für 2008 wurde ein Vielfaches des Gewinns ausgeschüttet, wobei man zur Verteidigung der Unternehmen immerhin festhalten muss, dass sie die Krise nicht unbedingt erahnen konnten.
2015 erinnert ein wenig an 2007. Damals sanken die Gewinne bereits, doch die Ausschüttungssummen wurden weiter gesteigert. Genauso wird es dieses Jahr auch sein. Einige Unternehmen werden es auch dieses Jahr besonders bunt treiben. Die Kandidaten dafür sind in Grafik 2 dargestellt. Es sind jene Unternehmen mit den höchsten Ausschüttungsquoten über die letzten Jahre. Unternehmen wie IBM schütten seit Jahren mehr aus als sie an Gewinn erwirtschaften.

So wie die gestern veröffentlichten Zahlen von IBM beim Markt ankamen werden auch die Ausschüttungen nicht reichen, um die Aktie nach oben zu hieven. Vielleicht hätte IBM einen Teil der Milliarden lieber investieren sollen, anstatt sie in Stützungskäufe zu stecken.

Gerade bei Unternehmen, die auf Schrumpfkurs sind, weil sie Entwicklungen verschlafen haben (z.B. IBM, Hewlett Packard), deren Umsatz und Gewinn kontinuierlich sinkt, muss man bei Aktienrückkäufen schon eher an Stützungskäufe denken. Etwas anderes ist das de facto nicht.
Unternehmen wie IBM argumentieren häufig, dass sie nicht wissen wohin mit dem Geld. Sie behaupten keine Investitionsmöglichkeiten zu finden. Wenn das der Wahrheit entspricht, dann hat IBM nicht ausreichend gesucht. Im Idealfall hätte IBM so investiert, dass sie nicht seit Jahren Quartal um Quartal sinkende Umsatz- und Gewinnzahlen vermelden müssen.

Ausschüttungen sind nicht per se schlecht. Das momentane Ausmaß ist allerdings ungesund und fast schon verbrecherisch. Anstatt in Wachstum zu investieren und neue Geschäftsfelder zu erschließen wird der Wert, den Unternehmen haben, untergraben, indem die Ausschüttungen höher sind als der Gewinn. Sinnvoll ist das wirklich nicht. Bemerkt wird das kaum, weil die Kurse über die Stützungskäufe künstlich hoch gehalten werden oder gar steigen. Das erinnert entfernt an das, was in China gerade geschieht.

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2 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Fehlt da nicht noch ein Wort zu der Rolle der Hedgefonds und "Heuschrecken" in den Aufsichtsräten? Oder ist die Vermutung falsch? In den USA ist eben niemand außer dem Präsidenten dem Staate verpfichtet, jeder ist sich selbst der nächste. Wohin mag das führen?

    09:01 Uhr, 22.07.2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Das Ganze ist nur noch Augenwischerei und offener Betrug. Mit der sichtbaren Realitaet hat diese "Wirtschaft" offensichtlich kaum noch was zu tun. Blasen in Blasen geschaffen aus NICHTS.

    08:32 Uhr, 22.07.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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