Kommentar
11:38 Uhr, 14.02.2006

Der Euro verliert an Boden

Die US-Zinskurve hat trotz Renditeanstieg am langen Ende nunmehr über das gesamte Laufzeitenspektrum einen abwärts geneigten Verlauf. Die europäischen Rentenmärkte bewegten sich dagegen kaum. Am Devisenmarkt büßte der Euro gegenüber dem US-Dollar erneut an Boden ein.

USA: Inverse Zinskurve

Obwohl die Zehnjahresrenditen im Wochenverlauf um sieben Basispunkte auf 4,59 Prozent angestiegen sind, setzte sich die Drehung der amerikanischen Zinskurve fort. Inzwischen weist die gesamte Kurve eine inverse Struktur auf, was bedeutet, dass die Renditen mit steigender Laufzeit abnehmen ein mithin völlig untypischer Verlauf, da üblicherweise davon ausgegangen wird, dass mit längeren Laufzeiten die Risiken zunehmen und von den Marktteilnehmern entsprechend höhere Risikoprämien gefordert werden. Zweijährige US-Staatsanleihen rentierten zum Wochenschluss mit 4,7 Prozent, dreißigjährige Titel mit 4,55 Prozent. In der Vergangenheit war eine fallende Yield Curve häufig ein Vorbote für eine deutliche Abschwächung der Konjunktur bzw. eine Rezession. Doch danach sieht es bislang nicht aus. Die US-Konjunkturdaten sind nach wie vor überwiegend fest. Vor allem der amerikanische Arbeitsmarkt befindet sich in anhaltend robuster Verfassung, wie die wöchentlich veröffentlichten Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe (jobless claims) unterstreichen. Zudem bleibt, wie die jüngsten Daten zur Lohnentwicklung zeigten, ein gewisser Inflationsdruck bestehen, was ebenfalls nicht auf einen Einbruch der US-Wirtschaft hindeutet. Vieles spricht stattdessen dafür, dass die niedrigen Renditen am langen Ende auf strukturelle Gründe zurückzuführen sind, wozu nicht zuletzt die starke Nachfrage institutioneller Anleger, aber auch ausländischer Notenbanken, nach lang laufenden US-Staatsanleihen zählt, welche die Renditen am langen Ende nach unten drücken. Vor diesem Hintergrund emittierte das US-Schatzamt in der vergangenen Woche erstmals seit 2001 wieder dreißigjährige Treasuries, so genannte Longbonds, im Umfang von 14 Milliarden US-Dollar, die auf eine entsprechend kräftige Nachfrage stießen.

Für die mittelfristige Kursentwicklung am US-Rentenmarkt dürfte auch die erste Rede von Ben Bernanke vor dem US-Kongress einen nicht unterschätzenden Einfluss haben. Am Markt wird auf Signale für die weitere Gangart in der Zinspolitik gewartet. War es noch bis vor kurzem die fast einhellige Meinung, dass mit 4,5 Prozent das Ende des Zinserhöhungszyklus erreicht sei, hat sich die Stimmung mittlerweile wieder gedreht. Ein bis zwei Zinserhöhungen gelten als sicher. Zum einen hat hierzu das feste konjunkturelle Umfeld beigetragen. Und zum anderen dürfte Bernanke bestrebt sein, einen Vorschuss an Glaubwürdigkeit zu erlangen, was den Kampf gegen die Inflation angeht. Weiter steigende Geldmarktzinsen dürften auch das lange Ende nicht unbeeindruckt lassen. Renditeanstiege sollten daher nicht ausbleiben. Rentenmarktinvestoren ist im Hinblick auf langfristige Engagements am US-Bondmarkt zur Vorsicht zu raten.

Die Aussicht auf eine Fortsetzung des geldpolitischen Straffungskurses durch die Federal Reserve Bank schlägt sich auch am Devisenmarkt nieder. Entgegen den ökonomischen Fundamentaldaten wie dem immer neue Rekordstände erklimmenden US-Handelsbilanzdefizit, die eigentlich einen schwächeren Dollar erwarten lassen, setzt die amerikanische Währung ihren Höhenflug fort. Der Euro fiel erstmals in diesem Jahr unter die Marke von 1,20 US-Dollar. Die Kursgewinne der Gemeinschaftswährung seit Jahresanfang gingen damit wieder vollständig verloren.

Euroland: Konjunkturdaten schwächer als erwartet

Die europäischen Rentenmärkte haben sich in der Vorwoche von der Entwicklung am US-Bondmarkt abgekoppelt. Anders als in den Vereinigten Staaten, wo die Zehnjahresrenditen merklich anstiegen, bewegten sich die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen praktisch nicht von der Stelle. Hierzu trug bei, dass nach den günstigen Konjunkturdaten der jüngsten Zeit in der Vorwoche eher ernüchternde Zahlen bekannt gegeben wurden. Insbesondere die deutsche Industrieproduktion (Dezember) blieb mit einem Rückgang von 0,5 Prozent gegenüber Vormonat hinter den Erwartungen zurück. Enttäuschend waren auch die am Freitag veröffentlichten Zahlen zum vorläufigen französischen Bruttoinlandsprodukt für das vierte Quartal 2005. Die leichte Skepsis über die Stärke des Konjunkturaufschwungs sorgte jedenfalls dafür, dass die Renditen ihre Aufwärtsbewegung erst einmal unterbrochen haben. Von der EZB gab es dagegen nichts Neues. Die Leitzinsanhebung um 25 Basispunkte auf 2,5 Prozent im März gilt als ausgemachte Sache. Uneinigkeit besteht am Markt, wie viele Zinsschritte in diesem Jahr noch folgen werden. (Moderate) Renditeanstiege am langen Ende sind daher wahrscheinlich.

Ausblick:

Nach einer eher ruhigen Woche stehen wieder eine Vielzahl von Datenveröffentlichungen an. Im Euroraum dürften insbesondere das BIP, die Industrieproduktion sowie der ZEW-Index im Mittelpunkt stehen. Neben verschiedenen Frühindikatoren stehen in den USA Einzelhandelsumsätze sowie die Industrieproduktion auf der Agenda.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 122 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende Dezember 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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