Kommentar
10:15 Uhr, 27.04.2007

Der Erdölmarkt – kocht’s über?

Letzten Monat hieß es noch, dass die Preise im März wahrscheinlich wieder auf 65 bis 66 US-Dollar pro Barrel steigen würden. Grund seien rasch sinkende Vorräte im nordatlantischen Becken. Was der Blick in die Kristallkugel jedoch nicht verriet, war die erneute Zunahme der geopolitischen Risikoprämie im Zuge der jüngsten Iran-Krise. Der jüngste Anstieg des Ölpreises ist zweifelsohne zum Teil auf die gestiegenen Spannungen am Persischen Golf zurückzuführen. Ebenso sicher ist, dass der aktuelle Konflikt zu einer Stärkung der Rahmendaten des Erdölmarktes beigetragen hat. Die im WTI Cushing Spot notierten US-amerikanischen Headline-Erdölkurse geben das Ausmaß des Preisanstiegs noch gar nicht in vollem Umfang wider. Die zeitweilige Schließung der McKee-Raffinerie in Texas drückte nämlich auf die Notierungen. Infolge eines Brandes bei McKee im Februar war die tägliche Nachfrage nach WTI-Rohöl von 350 kbd (Barrel pro Tag in Tsd.) um ca. 170 kbd gesunken. Dieser lokale Angebotsüberhang begrenzte den Kursausschlag für WTI-Rohöl auf 66 Dollar. Im Vergleich dazu notieren Louisiana Light Sweet LLS und Brent mit 73 bzw. 70 Dollar.

In Zeiten, die von Krisen und Marktverwerfungen geprägt sind, lohnt es sich, diese Daten im Auge zu behalten. Die Zahlen sprechen für sich: Trotz eines ungewöhnlich milden Winters auf der nördlichen Erdhalbkugel könnte es im ersten Quartal 2007 zum stärksten Rückgang der weltweiten Rohölbestände seit zehn Jahren kommen. Seit Anfang des vierten Quartals 2006 haben die Lagerstätten in den USA insgesamt 110 Millionen Barrel abgezogen, das ist ungefähr das Dreifache der normalen Menge. Auch das globale Gleichgewicht stützt den Markt. So deuten die jüngsten Nachfragezahlen aus dem Mittleren Osten und China auf einen Anstieg der Weltnachfrage um rund 1,5 Millionen Barrel noch in diesem Jahr hin. Nach Konsensschätzungen wird das Erdölangebot der Nicht-OPEC-Länder in 2007 nur um 0,9 Millionen Barrel zunehmen.

Da die Raffinerien in den USA ihre Kapazitäten jetzt im Vorfeld zur Urlaubssaison hochfahren, wird der US-Markt erhebliche zusätzliche Mengen an Rohöl importieren müssen, um Engpässe zur Jahresmitte hin zu vermeiden. Das Problem besteht darin, dass in den USA Rohöl mit einem Abschlag von 2,50 Dollar gegenüber dem europäischen Markt gehandelt wird. Die US-Preise müssten daher im Vergleich zum in London notierten Rohöl der Sorte Brent erheblich zulegen, um die Sommernachfrage durch Importe decken zu können. Wir rechnen daher für April mit einer Stabilisierung des Rohölpreises zwischen 65 und 70 Dollar pro Barrel – selbst wenn der Konflikt zwischen Großbritannien und dem Iran sich entspannen sollte. Seit März sind die Preisprognosen für 2007 bis 2009 um rund 2 Dollar pro Barrel gestiegen. Wir werden unsere Modelle daher entsprechend anpassen.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2006 rund 184,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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