Kommentar
13:20 Uhr, 25.02.2007

Den Hebel auf der eigenen Seite – Fluch oder Segen?

Für viele Neulinge an der Börse sieht die Anfangszeit am Markt ziemlich ähnlich aus. Zunächst wird ein wenig gespart, dann ein Konto bei einem Broker eröffnet, danach wird der gesparte Betrag auf das Konto überwiesen – und schon kann es losgehen. Glaubt man einschlägiger Tradingliteratur, dann haben sich die Unterschiede zwischen Privaten und Institutionellen in den letzten Jahren immer mehr verkleinert, zumindest was die technischen Möglichkeiten angeht. Der große Nachteil privater Investoren liegt oftmals in der Unterkapitalisierung bzw. mangelnden Informationen. Wir wollen uns heute jedoch dem Thema Unterkapitalisierung widmen.
Doch worum handelt es sich bei Unterkapitalisierung eigentlich? Gehen wir davon aus, dass unser Tradingneuling aus der Einleitung sich einen beachtlichen Betrag von 10.000 Euro als Risikokapital zusammengespart hat. Natürlich kann er seine gesamten 10.000 Euro nehmen, und direkt in ein Investment stecken. Viel mit Risikostreuung bzw. mit angemessenen Money Management hat dies jedoch nicht zu tun. Und genau dieser Umstand, nämlich, dass der Trader auf gewisse Möglichkeiten (wie etwa Portfoliodiversifikation, oder die Auswahl aller zur Verfügung stehender Finanzvehikel) verzichten muss, macht den großen Nachteil aus. Aus diesem Grund greifen Anleger dann oft zu Aktien, deren Aktienwert sich im einstelligen Eurobereich bewegt, was zusätzlich eine Verengung des Spektrums darstellt. Während institutionelle Anleger also mit Futures sowohl von steigenden als auch fallenden Kursen profitieren können, und auch mal Optionen auf ein gewisses Underlying nicht nur kaufen sondern auch verkaufen können, beschränken sich viele Börsianer auf den Handel von Aktien, die auf niedrigem Niveau notieren. Und dies noch dazu in nur eine Richtung, nämlich die Long-Seite.

Kredit bei der Hausbank?

Wie kann man dem Thema Unterkapitalisierung als Trader nun also entgegenwirken? Natürlich ist es möglich, bei der hauseigenen Bank einen Kredit aufzunehmen und mit diesem Kapital zu spekulieren. Hiervon rät aber nicht nur die einschlägige Finanzliteratur ab, hiervon rate auch ich ganz entschieden ab. Da es beim Trading zu einem sehr großen Prozentsatz auch um psychologische Einflussfaktoren geht, bin ich der Meinung, dass man jedwede vermeidbare Stressoren, die dass eigenen Trading betreffen, ausblenden sollte. Und wie es sich als Privatperson anfühlt, wenn man nicht nur sein eigenes Geld, sondern auch noch jenes von der Bank geliehene verliert, kann sich nur sehr schwerlich positiv auf das eigene Trading auswirken. Also Finger weg, von Krediten der Hausbank um der Unterkapitalisierung Einhalt zu gebieten.

Diverse synthetische Wertpapiere geben dem Anleger die Möglichkeit gehebelt zu agieren. Diese Hebel können sehr stark differieren. Bewegen sich jedoch meist zwischen etwa 100 (was sehr viel ist) und 2 bis 5. Doch was ist so ein Hebel, und wie ermöglicht es mir dieser mein Problem der Marktunterkapitalisierung zu lösen? Der Hebel stellt grundsätzlich nichts anderes dar, als einen Multiplikator für das eingesetzt Kapital. Stehen einem also 10.000 Euro an Risikokapital zur Verfügung, kann man mit einem Hebel von 100 satte 1.000.000 Euro, in Worten „eine Million Euro“ bewegen. Das Problem der Unterkapitalisierung scheint somit gelöst. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Denn damit einem ein Broker einen solchen Hebel zur Verfügung stellt, ist man meist auf ein bestimmtes Finanzprodukt (etwa CFDs) beschränkt. Dies ist allerdings beim wachsenden Angebot an zur Verfügung stehenden Underlyings nicht mehr wirklich ein Problem. Das viel drastischere Problem liegt darin, dass es sich bei einem Hebel natürlich um ein zweischneidiges Schwert handelt. Der Hebel wirkt nämlich in beide Richtungen. Sowohl zu eigenen Gunsten, als auch zu eigenen Ungunsten. Bewegt sich der Basiswert in die von mir gewünschte Richtung, kann ich überproportional davon profitieren, in diesem Fall im Verhältnis 100:1. Läuft meine Position jedoch gegen mich, dann partizipiere ich auch überproportional an den Verlusten. Wende ich also kein angemessenes Money Management bzw. Positionsgrößenbestimmung an, und bin bei der Umsetzung dieser Komponenten nicht äußerst diszipliniert, gerate ich unweigerlich in große Probleme.

Der Hebel – Freund oder Feind?

Ist der Hebel nun also ein Fluch oder ein Segen? Eine Antwort auf diese Frage lässt sich natürlich nur sehr schwerlich geben, da eine Großzahl aller Börsianer nicht nur langfristig keine zufrieden stellende Performance erzielt, sondern sich gerade beim Handel mit Hebelprodukten schon die Finger verbrannt hat. Meiner Meinung nach, bietet einem das gehebelte Trading durchaus Vorteile. Doch kein Vorteil kommt ohne Nachteil aus. Kennt man also die Schwächen von Hebelprodukten, ist man vor unvorhergesehenen Überraschungen gefeit.

Money Management mit gehebelten Produkten

Wie bereits angesprochen ist angemessenes Money Management einer der Schlüsselfaktoren, und zwar nicht nur für das Trading allgemein, sondern für das Trading mit gehebelten Produkten im Speziellen, da es hier ja zu überproportionalen Ausschlägen kommt. Kommen wir nun erneut auf unseren Trader zurück, dem ein Kapital von 10.000 Euro zur Verfügung steht. Obwohl dieses Konto nicht allzu groß ist, ist es ihm durchaus möglich, seriös damit zu agieren. Grundlage ist jedoch hier das Money Management.
Bei dieser Kontogröße würde ich ein Einzelpositionsgrößenrisiko von 1 % empfehlen. Da es sich um einen „Tradinganfänger“ handelt, sogar nur eines von 0,5 %. Zum einfacheren Verständnis dieses Beispiels bleibe ich jedoch bei 1 %. Doch was ist Einzelpositionsrisiko? Bedeutet das, dass ich nur 1 % meines Kapitals in eine Position stecken darf? Zweitere Frage kann ich sofort mit Nein beantworten. Warum die Antwort „Nein“ lautet, erklärt die Antwort auf die erste Frage. Bei einem Einzelpositionsrisiko geht es darum, wie stark der Verlust einer Einzelposition sich auf den Wert des Gesamtportfolios auswirken darf. In unserem Fall wären dies 100 Euro, also 1 % von 10.000 Euro. Gehe ich nun also eine Long-Position in der XYZ Aktie ein, die gerade bei 100 Euro notiert, und es steht mir ein Hebel von 100 zur Verfügung, dann sieht die Rechnung folgendermaßen aus: Nehmen wir an, dass Ihr Stopp-Loss bei 99,00 Euro liegt. Also genau 1 Euro unter dem aktuellen Wert. Ihr Kursziel wird bei einem Kurs von 105,00 Euro erreicht. Ihr Trade weist also ein Chance-Risiko-Verhältnis von 5:1 auf, was zwar sehr attraktiv ist, jedoch mit einer geringen Trefferquote einhergeht. Gehen wir nun also genau auf das Beispiel ein. Ihr Stopp-Loss liegt genau 1 % unter dem aktuellen Kurs. Fällt das Underlying also um 1 % stellen Sie Ihre Position glatt. Zunächst wollen wir aber wissen, wie groß die Position war, die wir gehandelt haben. Uns steht ja ein Hebel von 100 zur Verfügung.
Da ich ein Einzelpositionsgrößenrisiko von 1 % nahe gelegt habe, liegt der maximale Verlust, den man mit diesem Trade hinnehmen darf bei 100 Euro. Ich kann also 100 Euro (hat nichts mit dem maximalen Verlust zu tun – die Zahl 100 ergibt sich aus Kontogröße und Hebel) in die Position investieren, damit aber dank meines Hebels von 100 eine Position bewegen die 10.000 Euro wert ist. Steigt das Papier nun also wie prognostiziert, dann habe ich einen Gewinn von 500 Euro gemacht. Dies wiederum stellt in Bezug auf das gesamt Portfolio einen Zugewinn von 5 % dar, was ja nicht unordentlich für einen einzelnen Trade ist. Fällt die Position jedoch um 1 %, dann ist auch der maximale Betrag, den ich mit einer Position verlieren darf ,erreicht. Ich muss die Position also unbedingt glattstellen. Tue ich das nicht, und warte einen Kurseinbruch von 10 % ab, dann wirkt sich das fatal auf meine Kontogröße aus. In diesem Fall hätte ich bei einem Hebel von 100 ganze 10 % meines Gesamtportfolios verloren. Wie Sie sich denken können, kann man sich solche Verluste nicht sonderlich oft leisten. Und dass sowohl finanziell als auch psychologisch.

Die Psychologie beim Trading mit Hebelprodukten

Die Psychologie ist einer, wenn nicht der maßgebliche Faktor, wenn man langfristig an den Märkten gewinnen will, und seinen Job noch dazu genießen möchte. Daher gilt es jedwede Stressoren auszuschalten, die einem dies ermöglichen. Erreicht werden kann dies vor allem durch Disziplin. Gerade beim gehebelten Trading ist diese Komponente von äußerster Wichtigkeit. Wie man gesehen hat, lässt einen das Hebeltrading überproportional an Kursbewegungen partizipieren – und das nicht nur finanziell sondern auch emotional. Vielen Investoren ist es schon passiert, dass sich beim Erreichen ihrer vorher festgelegten Stopp-Loss-Marke plötzlich Hoffnung breit macht. Es fallen einem immer mehr Gründe dafür ein, undiszipliniert zu handeln und die Position aufrecht zu erhalten. Daher sollte man sich in solch einem Fall der Unsicherheit die Frage stellen. Wenn ich an diesem Zeitpunkt nicht bereit bin den Verlust zu realisieren – bin ich es dann, wenn der Verlust noch größer ist? Die Antwort lautet in den meisten Fällen nein. Und so werden Trades oftmals zu Investments, und Investments zum Untergang des eigenen Portfolios.
Nehmen wir an, dass unser Börsenneuling nun also sein Konto mit einer Größe von 10.000 Euro eröffnet hat, und keine Ahnung von angemessener Positionsgrößenbestimmung hat. Er geht ein Einzelpositionsgrößenrisiko von 10 % ein und bewegt daher mit einer einzelnen Position 100.000 Euro. Wenn er dies nun mit der XYZ Aktie macht, die bei 100,00 Euro notiert und eine Longposition hält, dann wäre er bei Erreichen der Stopp-Loss-Marke 10 % seines Portofolios, also 1000 Euro los. Hält er sich nicht diszipliniert an den Stopp-Loss, dann hätte er bei einem 5 % Kurseinbruch von XYZ bereits 50 % seines Portfolios los. Und bei einem Minus von 10 % im Underlying XYZ müsste er gar nicht mehr selbst die Position glattstellen. Das würde nämlich in diesem Fall sein Broker für ihn übernehmen.

Disziplin, Disziplin, Disziplin

Was ist beim Handel mit gehebelten Produkten nun also zu beachten? Ganz wichtig ist, dass man das Konzept des gehebelten Tradings versteht. Und zwar, dass sich die Überproportionalität nicht nur zum eigenen Vorteil verhält. Hat man dieses System erst einmal verinnerlicht, gilt es zum Money Management bzw. der Einzelpositionsgrößenbestimmung überzugehen. Wie viel darf ich mit einem einzelnen Trade verlieren? Wie lange kann eine Verlustserie werden, damit ich emotional davon nicht zu stark getroffen werde? Dies sind nur zwei Fragen mit denen man sich am Weg zum erfolgreichen Hebeltrader auseinandersetzen muss. Doch wenn es ein gutes Fundament für den Handel von Hebelprodukten gibt, dann ist dies Disziplin, Disziplin und nochmals Disziplin.

TJ-Fazit:

Bei Hebelprodukten handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert. Überproportionalen Gewinnen stehen überproportionale Verluste gegenüber

Ohne Money Management und Einzelpositionsgrößenbestimmung ist langfristiger Erfolg undenkbar.

Disziplin ist die Grundlage für erfolgreiches Money Management.

Quelle des Artikels: www.traders-journal.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
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Chefmarktanalyst CMC Markets
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Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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