Deka-EZB-Kompass: Stillstand auch in der Geldpolitik
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1. Der Deka-EZB-Kompass ist im Februar von 27,0 auf nur noch 24,5 Punkte erneut gesunken. Dies ist nun der vierte Rückgang in Folge, auf den allerdings wieder leicht aufwärtsgerichtete Werte folgen dürften. So weit unterhalb der neutralen 50-Punkte-Marke signalisiert unser Scoring-Modell zur Beurteilung angemessener EZB-Leitzinsen, dass sich der ultra-expansive Krisen-Kurs der EZB mittelfristig weiterhin keinen beunruhigenden Inflationstendenzen gegenübersieht. Die Wirtschaft der Eurozone bedarf noch für längere Zeit einer sehr expansiven Geldpolitik. Dieses Bild zeichnen die zehn in den Kompass eingehenden Indikatoren, die die monetären und real-wirtschaftlichen Entwicklungen in Euroland abgreifen. Vor diesem Hintergrund rechnen wir für unseren Prognosezeitraum unverändert mit einem anhaltend niedrigen Leitzinsniveau.
2. Bei den Stimmungsindikatoren konnte das Economic Sentiment im Februar vom Schwäche- in den Normalbereich aufsteigen. Der Einkaufsmanagerindex dagegen hat seinen Aufwärtstrend vorerst unterbrochen und signalisiert mit Werten unter der 50-Punkte-Expansionsmarke weiterhin eine leicht schrumpfende Wirtschaftsleistung in der Eurozone. Dies deutet an, dass die zum Jahreswechsel eingesetzte Stimmungsaufhellung nicht einfach fortgeschrieben werden kann, sondern dass der Eurozone ein langsamer und holpriger Erholungsweg bevorsteht. Zwar werden beide Stimmungsindikatoren im Prognosezeitraum tendenziell ansteigen, jedoch können hier vor allem politische Ereignisse zwischenzeitlich wieder für Dämpfer bzw. erneut zunehmende Verunsicherung sorgen. In den harten Konjunkturdaten ist immer noch keine Trendwende zu erkennen. Die Industrieproduktion in der Eurozone bleibt schwach. Die Outputlücke dürfte daher vorerst eher negativ bleiben und damit wirtschaftliche Unterauslastung im Euroraum andeuten. Da wir aber auf Sicht der nächsten Monate mit einer Verbesserung der harten Konjunkturdaten rechnen, begründet dies maßgeblich den erwarteten Anstieg des EZB-Kompasses. Schließlich entwickelten sich die Inflations- und Kostenindikatoren (Erzeugerpreise, Importpreise und Lohnkosten) auch im Februar unbedenklich im Abwärtstrend oder stiegen marginal an. Auch sinken die Inflationserwartungen der von Consensus Economics befragten Volkswirte sowie auch der privaten Haushalte. Somit dürfte die mittelfristige Inflationsentwicklung der EZB nach wie vor keine Sorgen bereiten. Kritisch bleibt die Kreditvergabe an den privaten Sektor: Eine erneut leichte Schrumpfung gegenüber dem Vorjahr lässt hier noch keine von der EZB ersehnten Indizien für eine Wiederbelegung des Kreditkanals erkennen.
3. Musste die EZB noch Anfang Februar die Besorgnisse der Märkte zerstreuen, dass man bereits wieder dem Ausgang aus der außergewöhnlich expansiven Geldpolitik zustrebe, so sind diese Überlegungen vor dem politischen Großereignis im Februar/März – die Wahlen in Italien – wieder Makulatur. Sie sind ein Beleg dafür, dass nach wie vor die politischen Entwicklungen ganz schnell das Ruder der Finanzmärkte übernehmen können, und damit die Betrachtung der Fundamentaldaten verdrängt. Welche geldpolitischen Auswirkungen hat das Patt, die „Unregierbarkeit“ in Italien? Zunächst ist die Unsicherheit an den Märkten zurück, in den Tagen nach der Wahl regierte der Risk-off Modus, der seit Jahresbeginn nahezu als abgeschaltet gelten konnte. Neuwahlen bedeuten Unsicherheit über den Zeitpunkt (wie lange dauert der Stillstand in der italienischen Politik), das Ergebnis (bleibt der Aufwind für Berlusconi erhalten? Welches Wahlgesetz wird gelten?) und die weiteren Perspektiven (welche Politik verfolgen die neuen politischen Kräfte Italiens im Amt?). Das allein muss nichts Schlimmes bedeuten (Belgien hat sich in seiner einjährigen Regierungslosigkeit 2010/11 nicht schlechter entwickelt als vorher mit Regierung). Allerdings stellt der jetzige politische Zustand für die EZB trotzdem eine Herausforderung dar. Zum einen wäre Italien gegenwärtig wohl nicht in der Lage, im Bedarfsfall das OMT-Programm der EZB wirklich zu nutzen, da eine ausreichende Legitimation für die damit verbundenen Auflagen (Konditionalität) nicht gegeben wäre. Italien ist somit zumindest für die kommenden Monate anfällig gegen negative Schocks. Dies könnte die EZB unter Druck setzen, wenn tatsächlich Italien an den Märkten unter Beschuss käme, auch ohne Konditionalität zu intervenieren. Zum anderen wird das italienische Votum auch als Widerstand gegen Reform- und Austeritätspolitik gesehen. Dies hat Signalwirkung. Es wird entsprechende Kräfte in anderen europäischen Regionen verstärken und ihre Verhandlungsmacht stärken. Hieraus ergibt sich ebenfalls Druck auf die EZB, eher expansiv zu agieren. Nicht nur die neue Flucht in die Qualität, sondern auch dieser neue Ausblick auf weitere geldpolitische Laxheit rechtfertigt den Rückgang der Bundrenditen als Reaktion auf das italienische Wahlergebnis.
4. Hinter diesen auch die Geldpolitik betreffenden Ereignissen wird das Tagesgeschäft bei der kommenden März-Sitzung des EZB-Rates zurückstehen. So veröffentlicht die EZB turnusgemäß ihre neuen Wirtschaftsprognosen. In ihnen sollte angedeutet sein, ob die EZB eher einen konjunkturschwachen Jahresverlauf sieht, oder ob sich auch aus ihrer Sicht der Wind gedreht hat, wie dies etwa an den jüngsten Frühindikatoren (ifo) abzulesen war. Allerdings erhalten auch die jüngsten konjunkturellen Indikatoren durch die Italien-Wahl einen Beigeschmack der Unsicherheit. Denn die Verunsicherung über den weiteren Kurs in Italien könnte von Unternehmern und Managern auch wieder in eine Verunsicherung über die wirtschaftliche Zukunft Europas und damit in erneute Investitionszurückhaltung umgesetzt werden. Auch für die Geldpolitik hat sich also der Ausblick vernebelt.
5. Die Geschehnisse am Geldmarkt hatten sich zuletzt beruhigt. Die zweite Rückgabewelle des LTRO fiel geringer aus als erwartet. Dies ist ganz im Sinne Draghis, der sich bereits in den vergangenen Wochen bemüht hatte, die Reduzierung von Überschussliquidität nicht als Vorbote für eine von der EZB gewollte Straffung der Geldpolitik zu sehen. Insgesamt kann die EZB, erst recht im Zusammenhang mit den ungeklärten politischen Perspektiven in Italien, keine Akzente Richtung einer „Normalisierung“ der Geldpolitik, also höherer Zinsen, setzen. Sie wird eher eine abwartende Haltung an den Tag legen und das bedeutet die Fortsetzung der extremen Niedrigzinsen durch das gesamte Spektrum.
Quelle: DekaBank
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