Kommentar
09:53 Uhr, 03.09.2008

Deka-EZB-Kompass sinkt auf Sechsmonatssicht auf unter 50 Punkte

1. EZB-Kompass: Der Score des EZB-Kompasses ist im August von 56,3 auf 54,3 gesunken. Er bleibt damit aber über der Marke von 50 Punkten, unter der erst Zinssenkungen erwartet werden können. Bemerkenswert sind der Rückgang beim Economic Sentiment und der Outputlücke, während der Einkaufsmanagerindex bereits seit Juni unterhalb von 50 Punkten notiert und auch die Sechsmonatsveränderung der Industrieproduktion negativ bleibt. Die Inflationsvariablen liegen dagegen in einem Bereich, der für Zinssenkungen derzeit keinen Spielraum bietet. Bei der Kernrate der Erzeugerpreise, den Importpreisen sowie den Inflationserwartungen des Consensus haben sich die Werte im August voraussichtlich sogar noch verschlechtert. Allein die Preiserwartungen der Konsumenten sind im August mit den rückläufigen Benzinpreisen ebenfalls gesunken.

2. Auf Sechsmonatssicht gehen wir von sich weiter verschlechternden Konjunkturdaten aus. Auch die Inflationsdaten dürften etwas zurückgehen, sodass der Kompass Werte von knapp unter 50 Punkten erreichen kann. Der Inflationsrückgang wird aber weder besonders schnell noch besonders ausgeprägt sein, sodass mit Leitzinssenkungen nicht zu rechnen ist. Trotz der zuletzt gesunkenen Inflationsrate erwarten wir, dass Trichet auf der Pressekonferenz hauptsächlich die Inflationsgefahren thematisieren wird. Dazu tragen die nun stärker erkennbaren Zweitrundeneffekte bei. Beispielsweise führt die Augustinflation (beim Healthindex) von 4,9 % yoy in Belgien zu einer automatischen Erhöhung der Pensionen und Löhne im öffentlichen Sektor um 2 % ab Oktober. Insgesamt nutzen sieben Länder der EWU Lohnindexierungsklauseln. In anderen Ländern wie Deutschland ist dies zwar nicht der Fall, die Tarifrunden dieses Jahres werden dennoch recht hoch ausfallen und Abschlüsse oberhalb der hohen Inflationsraten aufweisen. Damit bleiben die Gefahren hoch, dass sich die derzeitige Verfehlung der Inflationsnorm der EZB nicht nur in diesem und nächstem Jahr, sondern auch darüber hinaus fortsetzt.

3. Eine Kehrtwende zu Leitzinssenkungen kann die EZB unserer Einschätzung nach nur einleiten, wenn sie sich klar von ihrem bisherigen Makrobild verabschiedet. Sowohl Trichet als auch Weber haben aber zuerkennen gegeben, dass sie die derzeitige Konjunkturschwäche als temporär ansehen und ab dem 4. Quartal eine Erholung erwarten. Bei gleichzeitig anhaltenden Inflationsgefahren ist bei diesem Szenario für Zinssenkungen kein Platz, zumal die Daten zur Kreditvergabe bis zuletzt keine Anzeichen für eine Kreditklemme liefern. Die Prognosen des Mitarbeiterstabes, die auf der Pressekonferenz vorgestellt werden, signalisieren, ob und wie stark sich die EZB von ihrem bisherigen Szenario entfernt – auch wenn die Mitarbeiterprognosen nicht die Einschätzung des EZB-Rats reflektieren. Wir erwarten für 2008 und 2009 Revisionen der Prognosen für das BIP-Wachstum von 1,8 % und 1,5 % auf 1,4 % und 1,1%. Die Inflationsprojektionen dürften von 3,4 % und 2,4 % auf 3,5 % und 2,5 % nach oben revidiert werden. Auf Basis dieser Werte könnte die EZB sogar auf 12-Monatssicht ihre Leitzinsen konstant lassen. Niedrige Inflations- und BIP-Prognosen sprechen für Zinssenkungspotenzial, höhere für Zinserhöhungsrisiken. Wir selber erwarten für 2009 inzwischen nur noch ein Wachstum von 0,7 % und sind damit vermutlich pessimistischer als die Notenbank.

4. Die EZB dürfte zudem Änderungen bei ihrer Refinanzierungspraxis ankündigen. Wir rechnen damit, dass sie Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass illiquide ABS-Papiere mit dem alleinigen Zweck der Einreichung bei EZB-Refinanzierungsgeschäften emittiert werden. Dies könnte sie beispielsweise durch schärfere Kriterien für die Art der sicherungsfähigen ABS-Papiere erreichen oder einen stärkeren Kursabschlag (haircut) auf den Marktpreis bei der Anrechnung dieser Sicherheiten. Helfen würde auch, wenn sich die EZB vorbehielte, einzelne Papiere trotz einer formalen Übereinstimmung mit ihren Kriterien abzulehnen, um bei einer aus ihrer Sicht missbräuchlichen Nutzung der Refinanzierungsfazilitäten, diskretionär handeln zu können. Sie würde damit eine Neubepreisung des bisher unterschätzten Liquiditätsrisikos bei ihren Refinanzierungsgeschäften erreichen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten