Kommentar
11:05 Uhr, 04.07.2007

Deka-EZB-Kompass: Leitzinserhöhung auf 4,5 % zum Jahresende

1. EZB-Kompass: Der bei 50 Punkten neutrale EZB-Kompass lag im Juni bei 68,8 Punkten nach 68,5 Punkten im Vormonat. Sowohl die monetäre Säule (93,2 nach 93,5 Punkten) als auch die wirtschaftliche Säule (60,7 nach 60,2 Punkten) sprechen für ein restriktives Zinsniveau. Bei beiden Säulen erwarten wir für die nächsten sechs Monate eine Seitwärtstendenz, sodass die Argumente für steigende Leitzinsen bestehen bleiben.

2. Bei der wirtschaftlichen Säule hat es im Monatsvergleich kaum Veränderungen gegeben. Auch auf Sechsmonatssicht gehen wir bei den meisten Indikatoren von einer Seitwärtstendenz auf den aktuellen Niveaus aus. Dies gilt allerdings nicht für die Gesamtinflationsrate und die Importpreise, bei denen wir höhere Werte erwarten. Insbesondere der HVPI sollte im vierten Quartal mit Werten von durchschnittlich 2,2 % yoy die Notwendigkeit einer Leitzinserhöhung auf 4,5 % deutlich machen. 2008 könnte der Inflationsdruck in einigen Bereichen etwas abnehmen. Wir gehen davon aus, dass der stärkste Lohnstückkostenanstieg in diesem Jahr stattfindet und sich im nächsten Jahr wieder im Bereich um 1 % befindet. Zudem fallen die der MwSt- Erhöhung in Deutschland geschuldeten Basiseffekte bei der Inflationsrate weg, sodass wir wieder mit Raten von unter 2 % rechnen. Im Unterschied zu den vergangenen Jahren reduzieren die konjunkturell bedingt hohen Steuereinnahmen die Gefahr von neuen Erhöhungen indirekter Steuern und administrierter Preise, die in den letzten Jahren regelmäßig zur Inflationsentwicklung beigetragen haben.

3. Leitzinsprognose: Wir erwarten weiterhin eine Zinserhöhung auf 4,25 % im September. Da im August keine den Zinsschritt vorbereitende Pressekonferenz stattfindet, wären auch Erhöhungen im August oder Oktober denkbar. Aus zwei Gründen halten wir diese Termine aber für ungünstiger. Zum einen werden im September neue Staffprojektionen veröffentlicht. Diese haben in den letzten Quartalen auch für die Kommunikation der Geldpolitik an Bedeutung gewonnen. Zum anderen würde ein früherer oder späterer Termin als September zu einer neuen Diskussion über die Frequenz von Leitzinserhöhungen führen. Der Augusttermin würde dabei die Befürchtung noch viel schneller steigender Leitzinsen forcieren; der Oktobertermin würde zu der Frage führen, warum die EZB sich so besorgt zeigt, ohne dem Taten folgen zu lassen. Eine besondere Bedeutung messen wir der EZB-Inflationsprojektion vom Juni bei, nach der sie für dieses und nächstes Jahr Inflationsraten von 2,0 % erwartet. Dies stellt eine Verfehlung ihres Inflationsziels von unter 2,0 % dar. Kurzfristig, d.h. für dieses Jahr, lässt sich mittels der Geldpolitik daran nichts mehr ändern. Mittelfristig, d.h. auch für das nächste Jahr, könnte eine restriktive Geldpolitik allerdings noch inflationsdämpfend wirken. Zumindest sollte die EZB in restriktives Terrain vordringen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie mittelfristig auch mit Inflationsraten von 2,0 %, 2,1 % oder 2,2 % zufrieden ist. Dies würde zu einer schleichenden Erosion ihrer Glaubwürdigkeit und der ihrer Inflationsnorm führen und damit nachhaltig höhere Inflationserwartungen erwirken. Ab wann die Geldpolitik expansiv, neutral oder restriktiv wirkt, hängt von vielen Variablen wie u.a. dem Wechselkurs ab und ändert sich mit der Zeit. Umso wichtiger war der Aussage mehrerer Zentralbankratsmitglieder nach der letzten Pressekonferenz, dass die aktuelle Geldpolitik „noch akkomodierend“ sei. Demnach könnte ein Leitzins von 4,25 % ungefähr neutral sein und ein Niveau ab 4,5 % restriktiv. Unter der Annahme, dass die EZB die Erwartung einer Inflationsrate von 2,0 % auf mittlere Frist nicht toleriert, muss sie demnach ihre Leitzinsen auf mindestens 4,5 % erhöhen. In Reaktion auf die letzte Pressekonferenz haben wir daher unsere Leitzinsprognose auf 4,5 % zum Jahresende angehoben. Danach erwarten wir eine längere Phase konstanter Leitzinsen, in der die EZB die Wirkung ihrer Zinserhöhungen beobachtet und prüft, ob die starke Konjunktur tatsächlich zu höheren Lohnabschlüssen, höheren Gewinnmargen der Unternehmen und allgemein höheren Inflationsgefahren führt.

4. Kommunikationsprognose: Die Pressekonferenz ist die letzte vor der erwarteten Zinserhöhung im September. Dies sollte die EZB aber nicht von ihrer üblichen Wortwahl abhalten. Sie wird daher unserer Einschätzung nach nicht ihre Wachsamkeit („strong vigilance“) betonen. Falls Präsident Trichet die Verwendung dieser Codewörter vor einer Zinserhöhung im September noch für notwendig erachten sollte, dürften ihm auch im August noch andere öffentliche Auftritte oder Interviews dafür zur Verfügung stehen. Damit besteht die Möglichkeit, dass die Pressekonferenz einen unterdurchschnittlich scharfen Eindruck hinterlässt. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass Präsident Trichet den Gebrauch von Codewörtern zukünftig aufgibt. Der Ausdruck „strongly vigilant“ unterscheidet sich mit der lange von der Fed benutzten Formulierung „measured pace“ hinsichtlich des Zeithorizontes, für den eine Grundtendenz der Geldpolitik angekündigt wird. Die EZB-Formulierung bezieht sich immer nur auf den nächsten Leitzinsentscheid, während die Fed einen mittelfristigen Trend aufgezeigt hat. Dieser geht natürlicherweise irgendwann zu Ende, während sich die Notwendigkeit für stärkere Wachsamkeit und einer zusätzlichen Leitzinserhöhung auch nach einer Zinserhöhungspause der EZB wieder ergeben kann.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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