Deka-EZB-Kompass: Auf niedrigem Niveau seitwärts
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Im Dezember ist der Deka-EZB-Kompass geringfügig auf 28,9 Punkte gefallen. Der Wert des Vormonats wurde allerdings leicht auf 29,1 nach oben revidiert. Nach dem Durchschreiten seiner Talsohle im Sommer letzten Jahres hat sich der EZB-Kompass in den vergangen drei Monaten somit kaum noch verändert. Wir gehen davon aus, dass sich diese Seitwärtsbewegung noch einige Monate fortsetzen wird. Denn die wirtschaftliche Erholung der Eurozone dürfte vorerst nur sehr langsam voranschreiten und der Preisauftrieb zwischenzeitlich noch weiter nachlassen. Erst ab Mitte dieses Jahres rechnen wir mit etwas stärker ansteigenden Kompasswerten, da die milde Rezession in der Währungsunion dann überwunden sein sollte. Der Druck auf die EZB, ihre Geldpolitik weiter zu lockern, nimmt damit tendenziell ab. Aber auch nach der morgigen Pressekonferenz dürften Spekulationen über eine erneute Senkung der Leitzinsen noch nicht endgültig ad acta gelegt werden.
Anfang Dezember überraschte Präsident Draghi seine Zuhörer mit der Aussage, dass im EZB-Rat eine breite Diskussion über eine Leitzinssenkung stattgefunden hätte. Kurz darauf gaben einzelne Ratsmitglieder den Markterwartungen zusätzliche Nahrung, indem sie darauf hinwiesen, dass sich sogar eine Mehrheit für einen solchen Schritt ausgesprochen hätte. Man habe aber letztlich davon Abstand genommen, um das Risiko eines Missverständnisses zu vermeiden. Demnach wurde befürchtet, dass die Akteure an den sich gerade erholenden Finanzmärkten einen im Vorfeld nicht angekündigten Zinsschritt als Signal dafür interpretieren könnten, dass die Sorge der Notenbanker um den Zustand der Währungsunion abrupt zugenommen hätte. Im ungünstigsten Fall hätte dies einen Großteil der Effekte zunichtemachen können, die die EZB zuvor durch die Ankündigung der Outright Monetary Transactions erzielen konnte.
Auch der gesamte Verlauf der Pressekonferenz Anfang Dezember deutet darauf hin, dass im EZB-Rat stark divergierende Auffassungen über eine eventuelle weitere Leitzinssenkung existieren. Präsident Draghi selbst nannte dabei in erster Linie Argumente gegen eine zusätzliche Lockerung: Verbesserte Stimmungsindikatoren, eine zunehmende Zuversicht an den Finanzmärkten und den ohnehin schon äußerst expansiven Kurs der EZB. Dem stehen die neuen wirtschaftlichen Projektionen für die kommenden zwei Jahre gegenüber. Diese gehen nicht nur davon aus, dass sich die konjunkturelle Schwächephase noch weit in das laufende Jahr erstrecken wird. Sie rechnen zudem auch mit auffallend niedrigen und tendenziell weiter sinkenden Inflationsraten. Derartige Vorhersagen legen der EZB in der Tat eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik nahe. Wichtig für die Einordnung dieser wirtschaftlichen Projektionen ist jedoch, dass sie im Juni und im Dezember nicht allein vom Mitarbeiterstab der EZB, sondern im Konsens mit den nationalen Zentralbanken erstellt werden. Die niedrigen Wachstums- und Inflationsvorhersagen spiegeln somit wider, dass ein Großteil der nationalen Zentralbanken die wirtschaftliche Entwicklung der Eurozone derzeit skeptischer beurteilt als die EZB und ihr Präsident. Dies wiederum bildet den Hintergrund für die unterschiedlichen Auffassungen über eine eventuelle weitere Senkung der Leitzinsen.
Dass die EZB und die nationalen Zentralbanken die konjunkturellen Aussichten der Eurozone unterschiedlich einschätzen, könnte auch an der außergewöhnlich großen Divergenz zwischen harten und weichen Konjunkturdaten liegen. Die Industrieproduktion, die mit ihrer annualisierten Sechs-Monats-Veränderungsrate in den EZB-Kompass einfließt, zeigte in den Sommermonaten Anzeichen einer Erholung, gab zuletzt aber wieder deutlich nach. Dies gilt nicht nur für die Eurozone als Ganzes, sondern insbesondere auch für die großen Kernländer Deutschland und Frankreich. Im Gegensatz dazu haben sich Stimmungsindikatoren verbessert. Einkaufsmanagerindex und Economic Sentiment deuten zwar nach wie vor nicht auf eine unmittelbar bevorstehende wirtschaftliche Belebung hin. Präsident Draghi, der diese Frühindikatoren bekanntermaßen hoch gewichtet, dürfte ihren Anstieg jedoch als Indiz dafür werten, dass die Maßnahmen der EZB die Konfidenz nicht nur an den Finanzmärkten, sondern vor allem auch im Unternehmenssektor gestärkt haben.
Die geldpolitisch wichtigste Funktion der Outright Monetary Transactions besteht jedoch darin, die Kreditbedingungen für private Schuldner in den Peripherieländern zu verbessern. Die in den EZB-Kompass einfließende Jahresrate der Buchkredite blieb im November mit -0,8 % unverändert. Insbesondere die Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen waren erneut rückläufig, was ein schlechtes Vorzeichen für die konjunkturelle Entwicklung in der Eurozone darstellt. Allerdings haben sich in den vergangenen Wochen die Hinweise darauf verdichtet, dass die Ankündigung der Outright Monetary Transactions zu einer Entspannung an den Finanzmärkten führt. Man sieht dies nicht nur an den gesunkenen Renditen spanischer, italienischer und portugiesischer Staatsanleihen. Auch die Einlagen bei Banken in den Peripherieländern haben im November leicht zugenommen, sodass sie ihre Mittelaufnahme bei der EZB zurückfahren konnten. Dieser verminderte Refinanzierungsdruck sollte mittelfristig zu weniger restriktiven Kreditbedingungen führen und damit zu einer wirtschaftlichen Erholung beitragen. Auch in dieser Hinsicht scheint EZB-Präsident Draghi optimistischer zu sein als viele seiner Ratskollegen, was seine geringere Bereitschaft zu einer weiteren monetären Lockerung begründet.
Die in den EZB-Kompass eingehenden Inflations- und Kostenindikatoren waren zuletzt mehrheitlich nach unten gerichtet. Zwar verzeichneten die Erzeugerpreise für Vorleistungsgüter im November einen wieder etwas stärkeren Anstieg. Dieser ist mit 1,4 % im Jahresvergleich aber immer noch sehr moderat. Demgegenüber hat die Jahresrate der deutschen Importpreise auf 1,1 % nachgelassen, was in erster Linie dem im November leicht gesunkenen Ölpreis geschuldet ist. Der für den mittelfristigen Inflationsausblick womöglich wichtigste Einflussfaktor sind die Lohnkosten, deren Anstieg in den vergangenen Monaten weiter abgenommen hat und auch noch für längere Zeit äußerst gering bleiben dürfte. Von Consensus Economics befragte Volkswirte erwarten für das laufende Jahr weiterhin eine Inflationsrate, die mit 1,9 % nahezu exakt den Zielsetzungen der EZB entspricht. Nachdem sich der Anstieg des Ölpreises seit September nicht mehr weiter fortgesetzt hat, haben die privaten Haushalte ihre Inflationserwartungen den dritten Monat in Folge nach unten korrigiert. Im historischen Vergleich befinden sie sich jedoch nach wie vor auf einem erhöhten Niveau. Alles in allem aber dürfte das Inflationsbild der EZB keine ernsthaften Sorgen bereiten.
Fazit: Es mag im EZB-Rat nach wie vor eine starke Fraktion geben, die niedrigere Leitzinsen befürworten würde. Präsident Draghi scheint jedoch überzeugt, dass die derzeitige Geldpolitik der EZB bereits ausreichend akkommodierend ist. Die Stabilisierung des EZB-Kompass seit Mitte letzten Jahres unterstützt seine Position. Sollten sich die positiven Effekte der Outright Monetary Transactions in den kommenden Monaten fortsetzen und der EZB-Kompass dem von uns prognostizierten Verlauf folgen, halten wir eine weitere Lockerung der Geldpolitik für wenig wahrscheinlich. Diese käme nur dann wieder auf die Agenda, wenn die Verwerfungen auf den Finanzmärkten erneut zunehmen oder sich die Konjunkturaussichten für die Eurozone aus einem anderen Grund unerwartet eintrüben sollten. Aber auch dann wäre eine Leitzinssenkung nicht der einzige und wahrscheinlich auch nicht der wichtigste Pfeil im Köcher der EZB. So könnte sie neue Langfristtender auflegen, um eventuellen Refinanzierungsschwierigkeiten im Bankensystem entgegenzuwirken, oder den Sicherheitenrahmen ihrer geldpolitischen Geschäfte lockern, um die Kreditvergabe der Banken anzuregen. Eine weitere Leitzinssenkung wäre dabei eher eine ergänzende Maßnahme, um durch einen negativen Einlagensatz die Wirkung der unkonventionellen Instrumente zu verstärken.
Quelle: DekaBank
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