Kommentar
10:56 Uhr, 03.05.2004

Deka erwartet keine Zinsänderung in USA

1. Diesen Dienstag wird sich der Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Notenbank zu seiner turnusmäßigen Sitzung zusammenfinden. Die Fed behielt bei ihrem letzten Zinsentscheid im März die Federal Funds Target Rate auf dem Niveau von 1 % konstant. Die große Herausforderung für die Fed ist, wann und wie stark sie die Zinsen erhöhen soll. Wartet sie zu lange, so könnte sie zu spekulativen Investitionen ermutigen, die auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten sind. Erhöht sie die Zinsen zu früh, könnte sie die Aufschwungsdynamik genau in dem Moment abwürgen, in dem die Wirtschaft auf einen selbsttragenden Aufschwungspfad springen will. Wir erwarten, dass die Fed die Zinsen bei diesem Zinsentscheid noch konstant halten wird. Die Risiken für die Realwirtschaft als auch die zwischen Inflation und einer Disinflation sollten im Statement als ausgeglichen angesehen werden. Möglich ist, dass die Fed den Satzteil, sie könne eine "geduldige" Geldpolitik betreiben, aus dem Statement herausnehmen wird. Diesen Schritt erwarten wir allerdings erst für den Zinsentscheid am 30. Juni. Damit sollte die Tür für eine erste Zinserhöhung am 10. August um 25 Basispunkte auf ein Niveau von dann 1,25 % geöffnet sein. Unsere bisherige Sichtweise, dass die Fed die Zinsen erst im Januar 2005 erhöhen werde, mussten wir vor dem Hintergrund starker Konjunkturdaten, relativ schlechter Inflationsberichte und einer vielsagenden Rede von US-Notenbankchef Greenspan revidieren. Greenspan hatte erklärt, dass keine Deflationsrisiken mehr bestehen und die Firmen wieder Preissetzungsmacht zurückgewinnen. Die Terminmärkte für Federal Funds gehen wie wir von der Zinswende im August 2004 aus.

2. Wenn der Zinserhöhungszyklus erst einmal begonnen hat, wo wird er enden? Bei einem gleichgewichtigen Zinsniveau von rund 4,50 % wie in der Vergangenheit, höher als 4,50 % oder niedriger? Auf welches Niveau die Fed die Leitzinsen letztendlich erhöhen wird, hängt u.a. von der Einschätzung des "neutralen" Leitzinsniveaus ab. Dieses ergibt sich grob gesagt aus zwei Komponenten: der Einschätzung über das zu erwartende gleichgewichtige Produktivitätswachstum und dem (impliziten) Inflationsziel der Notenbank. Bei einem durchschnittlichen Produktivitätsniveau und einem Inflationsziel der Fed von 2 % würde der Gleichgewichtszins bei rund 4,5 % liegen. Ist man für das Produktivitätswachstum optimistischer, so muss man einen entsprechend höheren Wert ansetzen und umgekehrt.

3. Auch die Fed weiß nicht, wo das gleichgewichtige Leitzinsniveau, bei dem keine Überhitzung und Unterkühlung der Volkswirtschaft aufkommt, liegt. Denn der "natürliche" Leitzins ist nichts konstantes und nicht beobachtbar. Sie wird daher aller Wahrscheinlichkeit nach folgendes tun: Sie wird mit einem kleinen Zinsschritt von 25 Basispunkten anfangen und abwarten, wie die Wirtschaft hierauf reagiert. Durch eine solche "Baby-Steps"-Strategie tastet sie sich dann langsam an das Gleichgewichtsniveau der Leitzinsen heran. Wie schnell der Zinserhöhungszyklus vonstatten gehen wird, hängt nicht nur von den Konjunktur- und Inflationsdaten, sondern auch von den Reaktionen des Finanzsektors und dem ökonomischen Umfeld in den Emerging Markets ab. Denn die Probleme während des Zinserhöhungszyklus im Jahr 1994 will die Fed sicher nicht noch einmal erleben.

4. Möglich ist, dass das gleichgewichtige Leitzinsniveau weitaus niedriger ist als viele bislang erwarten. Wieso? Ziehen wir die durchschnittlichen realen Tagesgeldzinsen (gemessen als nominale Federal Funds Rate abzüglich der Inflationsrate für den CPI) für den Zeitraum 1953-2003 heran, so ergibt sich ein Durchschnitt von rund 1,85 %. Für den Zeitraum 1954-1979 lag der durchschnittliche reale Tagesgeldzins bei lediglich 0,96 %, zwischen 1979 und 2003, als die Fed ihren langen Inflationskampf focht, dagegen bei 2,72 %. Einen Anti-Inflationskampf kann man aber nur dadurch gewinnen, dass die realen Leitzinsen über ihrem gleichgewichtigen Niveau liegen. Da die Fed diesen Anti-Inflationskampf aber im Mai 2003 für gewonnen erklärte, und sie in Folge sogar mit Deflationsrisiken zu kämpfen hatte, bleibt abzuwarten, ob die Fed die Leitzinsen wirklich auf ein Niveau von 4,5 % anheben muss. Wir erwarten für Ende 2005 ein nominales Leitzinsniveau von 3 %.

5. Dass der Zinserhöhungszyklus nicht so stark ausfallen könnte, dafür spricht auch, dass die USÖkonomie in gewisser Weise gespalten ist: Auf der einen Seite zeichnen ein starker Aktienmarkt, historisch niedrige Zinsen, eine niedrige Steuerlast, steigende Immobilienpreise und eine historisch relativ niedrige Arbeitslosenquote ein sehr positives Bild der Wirtschaft im historischen Vergleich. Auf der anderen Seite lässt sich ein Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit - hierauf wies Notenbankchef Greenspan explizit hin -, eine relativ zögerliche Lohneinkommensentwicklung, Outsourcing-Phänomene und eine historisch große Kluft zwischen "Reichen" und "Armen" kaum wegdiskutieren. Insbesondere die Kommentare von Greenspan zum Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit sind als subtiler Hinweis an die Bondmärkte zu verstehen, dass der Arbeitsmarkt aus Sicht der Fed immer noch fragil ist. Und was die Inflationsrate angeht, so stabilisiert sie sich gerade auf niedrigem Niveau. Die kommenden Arbeitsmarkt- und Inflationsberichte sind somit die für weitere Zinspolitik der Fed entscheidend.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 131 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands.

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