Kommentar
07:38 Uhr, 05.11.2015

Deflation: Die Gefahr, die derzeit gar nicht droht

Deflation ist schlecht. Das wissen inzwischen wahrscheinlich auch schon Kindergartenkinder. Möglich gemacht haben das die Notenbanken, die allesamt einen Kreuzzug gegen Deflation veranstalten und dabei kräftig von Medien unterstützt werden.

Die meisten Notenbanken reden nicht direkt über Deflation, sondern mehr über die Gefahren einer zu niedrigen Inflation. So wird zwar deutlich gemacht, dass die Preise zu langsam steigen, aber es wird auf das Wort Deflation verzichtet. Es soll ja niemand auf die Idee kommen, dass die Preise tatsächlich sinken. Genau diese Idee soll vermieden werden.

Während Notenbanken ihre expansive Geldpolitik mit der niedrigen Inflation begründen, bestätigen sie gleichzeitig, dass die niedrigen Teuerungsraten vorübergehend sind. Sie führen sie auf die temporär niedrigen Rohstoffpreise zurück. Rohstoffpreise fallen seit Jahren, doch vor allem die vergangenen 12 Monate zeigten einen regelrechten Crash. Das macht sich auch in den Preisen von Konsumgütern bemerkbar.

Um den Punkt einwandfrei festzuhalten: Notenbanken bestätigen, dass die niedrige Inflation vorübergehend ist, verwenden aber genau diese vorübergehend niedrige Inflation als Argument für ihre expansive Politik. An der Rechnung stimmt doch etwas nicht!

Persönlich bin ich der Meinung, dass Notenbanken die niedrige Inflation einfach nur als Vorschubargument verwenden, um ihre Politik zu rechtfertigen. Die expansive Geldpolitik ist dabei kein Selbstzweck. Sie dient der Manipulation der Wechselkurse. Da genau das – die Manipulation der Währungen – äußert verpönt ist und international abgelehnt wird, kann man Wechselkurse nicht direkt manipulieren. Es muss indirekt über die Geldpolitik geschehen, anstatt direkt über Interventionen auf dem Devisenmarkt.

Die Eurozone und Japan erhoffen sich durch ihre Maßnahmen Wettbewerbsvorteile. Produkte werden für ausländische Abnehmer günstiger. Das soll einen Vorteil im weltweiten Handel generieren und die heimische Wirtschaft ankurbeln. Kurzfristig mag das funktionieren, langfristig ist die Bereicherung auf Kosten anderer fragwürdig.

Eine künstlich niedrig gehaltene Währung verschafft kurzfristige Wettbewerbsvorteile. Daran kann man nicht rütteln. Langfristig sieht die Sache ganz anders aus. Manipulation von Währungen verursacht Ungleichgewichte und kann langfristig zu einem dramatischen Wirtschaftsabschwung führen.

Eine herbeigeführte Unterbewertung der Währung macht Produkte konkurrenzfähig. Die Konkurrenzfähigkeit liegt dann jedoch nicht daran, dass die Produkte einfach gut sind oder Unternehmen besonders effizient produzieren. Sobald die Währungsmanipulation wegfällt, sind die Produkte schlagartig nicht mehr wettbewerbsfähig. Eine starke Währung führt normalerweise dazu, dass die Produktivität schneller steigt. Wettbewerbsfähigkeit entsteht durch Innovation und Effizienz. Wertet lediglich die Währung ab, dann passiert genau das, was sinnvoll wäre, nicht. Unternehmen freuen sich über den Exporterfolg. Notwendige Investitionen, Innovation und Effizienzsteigerungen bleiben auf der Strecke.

Früher oder später bekommen Länder die Rechnung präsentiert. Wegen hoher Handelsbilanzüberschüsse entsteht ein natürlicher Aufwertungsdruck auf die Währung. Notenbanken müssen mehr und mehr manipulieren, um die Währung niedrig zu halten. Versagt die Notenbank zu einem beliebigen Zeitpunkt, dann wertet die Währung innerhalb kurzer Zeit auf.

Ohne Manipulation erfolgen Auf- und Abwertungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Das gibt Unternehmen Zeit sich anzupassen. Schocktherapien wie sie die Notenbanken verabreichen sind langfristig schädlich und gefährden die wirtschaftliche Stabilität.

In den letzten Wochen machte ein Beispiel in der ganzen Welt die Runde. Dabei handelt es sich nur am Rande um ein Beispiel, dass es auch ohne Währungsmanipulation geht. Vielmehr geht es bei diesem Beispiel um das Thema Deflation.
In der Schweiz sinken die Preise seit 4 Jahren. Das ist die längste deflationäre Phase seit der weltweiten Großen Depression der 1930er Jahre. Seit 20 Jahren liegt die durchschnittliche Inflationsrate unter einem Prozent. Das ist weniger als die Hälfte des Ziels, welches von den Notenbanken weltweit ausgegeben wurde.

Nach konventionellem Wissen müsste die Schweiz wirtschaftlich am Boden liegen. Das tut sie nicht. Nach dem Währungsschock Anfang 2015, als die Schweizer Notenbank (SNB) den Mindestkurs zum Euro aufhob, hat sich die Wirtschaft wieder erholt. Der Mindestkurs war eine effektive Manipulation der Währung. Er diente allerdings nicht dazu die Währung abzuwerten, sondern nicht allzu stark aufwerten zu lassen. Das unterscheidet die Politik der SNB von den anderen Zentralbanken.
Grafik 2 zeigt den realen Wechselkurs des Franken seit 1991. In 25 Jahren hat die Währung über 60% an Wert gewonnen. Zwei Drittel der Aufwertung fand zwischen 2007 und 2015 statt. Trotz dieser massiven Aufwertung innerhalb kurzer Zeit ist die Wirtschaft nicht in sich zusammengefallen.

Die Schweiz ist ein Exportland und leidet unter der Überbewertung des Franken, der vor allem als sicherer Hafen stark gefragt ist. Das Wachstum ist im Gegensatz zu anderen Ländern (z.B. Deutschland) nicht ganz so stark vom Export abhängig. Der Inlandskonsum ist eine sehr wichtige Stütze der Wirtschaft.
Der robuste Inlandskonsum ist unter anderem auf ein anständiges Lohnniveau zurückzuführen. Die Reallöhne (Grafik 3) stiegen in den vergangenen Jahren nicht mehr so rasant wie vor 1980, doch immerhin zeigen sie einen robusten Aufwärtstrend. Davon können Arbeitnehmer in Ländern wie Deutschland oder den USA nur träumen.

Keiner weiß, ob die Schweiz ewig ein Positivbeispiel sein kann. Derzeit aber macht das Land der Welt vor, wie es möglich ist bei sinkenden Preisen und einer überbewerteten Währung eine robuste Wirtschaft zu haben. Es zeigt auch klar, weshalb die derzeitige deflationäre Phase keine Gefahr für die Wirtschaft ist. Wie die Notenbanken selbst sagen, handelt es sich um vorübergehende Faktoren, die auf die Rohstoffpreisentwicklung zurückzuführen sind.

Die sinkenden Rohstoffpreise haben mit einem Überangebot zu tun und nicht so sehr mit einer einbrechenden Nachfrage. Wäre die Deflation eine Folge von einbrechender Nachfrage, dann sähe die Sache ganz anders aus. Das wäre dann die gefürchtete „echte“ Deflation – eine Spirale aus sinkenden Preisen, sinkenden Einkommen und sinkendem Konsum.

Die momentane Situation steigert die Kaufkraft der Bevölkerung. Wieso die Notenbanken dagegen ins Feld ziehen, wissen wohl nur sie allein. Vermutlich geht es darum, einen unlauteren Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Dieser wirkt langfristig destabilisierend. Bis es zur Destabilisierung kommt, werden Bürger einer Kaufkraftsteigerung beraubt. Wer gewinnt da eigentlich?

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14 Kommentare

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  • Hans-Jürgen Haack
    Hans-Jürgen Haack

    Sehr guter Artikel! Chapeau!

    10:12 Uhr, 06.11. 2015
  • Calimaro
    Calimaro

    Draghi (ehemals Goldman Sachs) geht es weder um Deflation noch um Inflation. Die EZB kauft den Banken nach und nach immer mehr ihrer Schrottpapiere ab und sichert damit die Ansprüche der Gläubiger. Hier findet ein gigantischer Vermögenstransfer vom Steuerzahler hin zu den Gläubigern statt. Die Staaten und ihre Bevölkerung werden ausgeplündet. Und je länger das Spiel dauert, umso größer der Transfer.

    17:39 Uhr, 05.11. 2015
    2 Antworten anzeigen
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    sehr guter Artikel.

    12:17 Uhr, 05.11. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • shark
    shark

    Deflation droht n.m.M. sehr wohl bzw ist selektiv bereits im Gange

    .Neben einem Überangebot, und sinkenden Rohstoffpreisen spricht auch die sehr hohe Verschuldung von Staat ,Unternehmen und Privaten dafür ,sowie Marktsättigungstendenzen, und die zunehmende Vermögens-und Einkommenskonzentration

    Und dies alles bei einem Niedrigstzinsniveau und QE

    Wie sie zu einer gestiegenen realen Kaufkraft kommen kann ich nicht erkennen .Im übrigen muss dies nicht im Konsum bzw Investitionen münden,

    dazu bedarf es mehr.!

    12:03 Uhr, 05.11. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Klasse Beitrag, Herr Schmale. Unsichtbare Gruesse;-)))

    08:49 Uhr, 05.11. 2015
  • Unentschieden
    Unentschieden

    Wieder mal ein klasse Betrag mit Tiefgang und rationalem Weitblick, Herr Schmale.

    Davon könnte sich Draghi-Bewunderer H.W. ein Scheibchen von abschneiden, der in Bezug auf die Politik der EZB primär auf weniger geistreiche, denn reisserische Slogans á la "Gorilla" oder "Super-Mario" zurückgreift...

    Man könnte gar meinen, Sie greifen Ihren Kollegen in der Überschrift an ;) ("und dabei kräftig von Medien unterstützt werden")

    08:13 Uhr, 05.11. 2015
  • Trading2001
    Trading2001

    Kann mich nur anschließen. Die Marktmanipulationen müssen aufhören.

    Hatte nicht Alan Greenspan die Märkte jahrelang manipuliert und damit die Dotcom-Blase erst möglich gemacht? Die Folgen davon sind bekannt...

    07:53 Uhr, 05.11. 2015
  • bembes
    bembes

    Guter Bericht.....bitte Super-Draghi vorlegen !!!!

    Die Rentner und Beschäftigten freuen sich, wenn die "Statistik" NULL-Inflation gegeben ist. Dies ist jedoch aber auch gelogen. Ein paar Preise sind auf dem niederen Niveau ( Heizöl, Benzin) die Lebensmittelpreise, Strom, Mieten und Nebenkosten steigen weit über die Inflationsrate !!

    Wie heist es so schön: glaub keiner Statistik ( Inflatiosnrate ) die du nicht selbst gefälscht hast.

    07:51 Uhr, 05.11. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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