Kommentar
14:03 Uhr, 12.05.2005

DE: Wachstum in Q1 weit über Potenzial

1. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt nahm im ersten Quartal 2005 überraschend stark um 1,0 % im Vergleich zum Vorquartal zu. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte (Median: +0,5 % qoq) und selbst unsere optimistischere Prognose (+0,6 % qoq) deutlich übertroffen. Das Vorjahresniveau wird kalender- und saisonbereinigt um gut 1 % übertroffen, ohne Berücksichtigung der geringeren Zahl an Arbeitstagen im ersten Vierteljahr 2005 stagnierte die Wirtschaftsleistung.

2. Die Zusammensetzung des Wachstums im ersten Quartal war wohl annähernd so, wie man es sich auch für die Zukunft wünschen würde. Ein zumindest solider privater Konsum, gepaart mit außenwirtschaftlichen Impulsen und leicht zunehmenden Ausrüstungsinvestitionen:

- Die heutigen Verlautbarungen des Statistischen Bundesamtes lassen den Schluss zu, dass der private Konsum nicht expandierte. Die Indikatoren sprechen aber eine andere Sprache. So stiegen die realen Einzelhandelsumsätze im Quartalsvergleich um knapp 2 %, was eine spürbare Zunahme der privaten Konsumausgaben nahe legen würde. Angesichts der im ersten Quartal zunehmenden Arbeitslosigkeit und des Überschreitens des 5-Millionengrenze wäre das ein beachtliches Ergebnis. Die steuerlichen Entlastungen dürften diese negativen Aspekte überkompensiert haben. Auch wenn man nicht von einer Fortsetzung dieser Entwicklung im zweiten Quartal ausgehen kann, wäre sie immerhin ein Zeichen dafür, dass die Konsumbereitschaft in Deutschland wächst.

- Von der Weltwirtschaft kamen im ersten Quartal stärkere Impulse als im Schlussquartal 2004: Das Bruttoinlandsprodukt der deutschen Handelspartner nahm im ersten Quartal um 0,6 % qoq zu, nach 0,4 % qoq im vierten Quartal 2005. Damit stieg die (nominale) Warenausfuhr im ersten Quartal um 1,6 % qoq an, nicht berücksichtigt sind dabei die Dienstleistungsexporte. Im gleichen Zeitraum ging die Wareneinfuhr um 0,5 % qoq zurück, was auf schwache Importe und damit auf einen kräftigen Impuls vom Außenbeitrag schließen lässt. Dies steht in Einklang mit den heutigen Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes.

- Die Ausrüstungsinvestitionen nahmen im ersten Quartal wohl moderat zu. Dies lässt sich aus der Produktion von und aus dem Inlandsumsatz mit Investitionsgütern schließen. Die Inlandsaufträge der Investitionsgüterproduzenten sind aufgrund der starken Verzerrungen durch die Großaufträge im Dezember und den darauf folgenden Rückpralleffekt hingegen nicht aussagekräftig.

- Bremsklotz Nummer 1 waren die Bauinvestitionen. Die Bauproduktion, ein guter Indikator für die Bauinvestitionen, nahm im ersten Quartal um 7,9 % qoq ab. So stark wird die Schrumpfungsrate bei der noch anstehenden Detailveröffentlichung wahrscheinlich nicht ausfallen, aber es ist mit einem deutlichen Einbruch der Bauinvestitionen zu rechnen. Denn zu dem seit Mitte der Neunzigerjahre steil abwärts geneigten Trend kam im ersten Quartal 2005 eine ungewöhnlich schlechte Witterung hinzu. Dies sollte allerdings auch dazu führen, dass in den kommenden Monaten mit einem deutlichen Rückprall nach oben zu rechnen ist.

- Die Lagerinvestitionen schließlich haben wohl positiv zum Wachstum beigetragen. Die Unternehmen haben im ersten Quartal mehr produziert, als nachgefragt wurde, und die Fertigwarenlager werden wieder in stärkerem Maße als zu hoch beurteilt. Und auch die Vormateriallager wurden nach Verbandsaussagen aus Sorge vor weiter steigenden Rohstoffpreisen aufgebaut.

3. Folgendes ist abschließend bemerkenswert. Das erste Quartal war sowohl von der Zusammensetzung des Wachstums als auch von seiner Stärke her erstaunlich. Mit dem Anstieg um 1,0 % qoq, annualisiert sind das 4,2 %, wurde eine Dynamik erreicht, die deutlich mehr als dem Dreifachen des deutschen Potenzialwachstums entspricht. Allein dies zeigt schon, dass es sich um keinen dauerhaften Zustand handelt. Auch spielten Sonderfaktoren eine wichtige Rolle. Da sind zum einen die steuerlichen Erleichterungen zu Jahresbeginn, zum anderen führten Probleme der Arbeitstagebereinigung zu einer zu starken Kontraktion des Bruttoinlandsprodukts im Schlussquartal 2004 und dafür im ersten Quartal 2005 zu mehr Wachstum. Grob geschätzt könnte dies rund drei Zehntelprozentpunkte ausgemacht haben. Diese Sonderfaktoren laufen aus, sodass die Dynamik im zweiten Quartal allein schon aus diesen Gründen geringer ausfallen wird. Dennoch zeigen die heutigen Daten eines: Die deutsche Volkswirtschaft wird nicht auf ewig stagnieren. Angestoßen von außenwirtschaftlichen Impulsen kann sie zumindest zeitweise stark expandieren.

4. Rein rechnerisch ergibt sich aus dem überraschend guten ersten Quartal bei einem unveränderten Prognoseprofil im weiteren Verlauf eine Aufwärtsrevisionsbedarf von bis zu vier Zehntelprozentpunkten gegenüber unserer Prognose eines jahresdurchschnittlichen Anstiegs um 0,6 %. Wie stark dieses Revisionspotenzial ausgeschöpft werden kann, darüber entscheidet nicht zuletzt die Zusammensetzung des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal, über die wir mehr am 24. Mai in den Detailergebnissen erfahren. Dann wissen wir definitiv, ob und wie viel Wachstum aus dem zweiten Quartal geborgt wurde.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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