Kommentar
12:36 Uhr, 24.05.2005

DE: BIP - Rückschlagpotenzial für das 2. Quartal<br />

1. Wie bereits am 12. Mai verlautbart wurde, hat das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2005 um 1,0 % qoq zugenommen. Heute wurden nun die Details bekannt gegeben.

2. Erwartungsgemäß hat sich die Investitionstätigkeit gemessen an den Ausrüstungsinvestitionen verbessert (0,9 % qoq). Hieraus den lang erwarteten Investitionsaufschwung herauszulesen, greift zu kurz. In einer Zeit einer stagnierenden Binnennachfrage und sinkender Geschäftserwartungen investieren Unternehmen bestenfalls in den Ersatz veralteter Maschinen. Die für die Arbeitsmarktentwicklung so wichtigen Erweiterungsinvestitionen bleiben Ausnahmefälle.

3. Die Bauinvestitionen sind mit -3,9 % qoq regelrecht eingebrochen. Dieses Ausmaß spiegelt aber zu einem großen Teil die ungewöhnlichen Witterungsverhältnisse im vierten Quartal 2004 und im ersten Quartal 2005 wider. Nach einem ungewöhnlich milden vierten Quartal fiel die Verschlechterung der Witterungsverhältnisse besonders stark ins Gewicht. Der Anteil der Unternehmen, die im ersten Quartal bei der ifo-Umfrage eine Baubehinderung wegen der Witterung meldeten stieg um rund 42 Prozentpunkte an, üblich ist gerade mal ein Anstieg um 29 Prozentpunkte. Es ist eher dieser Umschwung der Witterungsverhältnisse als das eigentliche Ausmaß der Witterung, die zu der im Vorquartalsvergleich schwachen Bautätigkeit führte. Dies zeigt sich auch daran, dass die Witterung im ersten Quartal mit Ausnahme des März nicht unüblich ungünstig war. Der zu erwartende positive Rückpralleffekt wird daher nur einen Teil der im ersten Quartal gesunkenen Bauinvestitionen wettmachen.

4. Die privaten Konsumausgaben sind leicht gesunken (-0,2 % qoq). Hier stellt sich allerdings die Frage, wohin die im Einzelhandel umgesetzten Güter gingen, nahm doch der Einzelhandelsumsatz im ersten Quartal real um knapp 2 % zu. Wohl aber passt die Stagnation zur Entwicklung des Arbeitsmarktes im ersten Quartal. Von der Steuerreform kam kaum etwas bei den Haushalten an. Die Nettolöhne stiegen um 0,4 % qoq, wobei sich die Lohnsteuerzahlungen und die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer im Vorquartalsvergleich sogar erhöhten. Letzteres ist auf die Erhöhung der Beitragssätze für Kinderlose in der Pflegeversicherung und auf die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen zurückzuführen. Die verfügbaren Einkommen der Haushalte sanken sogar um 1,2 % qoq.

5. Die Umfragen in der Industrie hatten zwar darauf hingedeutet, dass es im ersten Quartal zu einem Lageraufbau kam, doch gemäß den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen bremsten die Lagerinvestitionen die wirtschaftliche Entwicklung (-0,1 Prozentpunkte). Ein weiteres kleines Rätsel. Die Konsequenzen sind allerdings ermutigend, denn ein negativer Rückpralleffekt im zweiten Quartal ist damit unwahrscheinlich geworden.

6. Der Außenbeitrag war mit 1,6 Prozentpunkten der Wachstumstreiber schlechthin im ersten Quartal. Dahinter verbarg sich eine rege Exporttätigkeit (2,9 %), die sich aus der im Vergleich zum vierten Quartal 2004 besseren konjunkturellen Entwicklung in unseren Handelspartnerländern speiste. Für die Exporte ist im zweiten Quartal angesichts unserer Prognose für das weltwirtschaftliche Wachstum mit einem schwachen Ergebnis zu rechnen. Darauf deuten auch entsprechende weltwirtschaftliche Indikatoren wie der OECD-Leading Indicator, das gestern veröffentlichte ifo-Weltwirtschaftsklima oder die Länderumfragen im Rahmen der ZEW-Umfrage hin. Hinzu kommt, dass Deutschland weiterhin nur unterdurchschnittlich von der weltwirtschaftlichen Expansion profitiert, denn das Welt-BIP nimmt im zweiten Quartal mit rund 0,9 % qoq mehr als doppelt so stark zu wie das BIP der deutschen Handelspartnerländer (0,4 % qoq). Dies liegt daran, dass sich die bedeutenden deutschen Handelspartner nicht in den dynamisch wachsenden Regionen dieser Welt befinden (beispielsweise Euroland) beziehungsweise die Exporteure in den dynamischen Regionen unterrepräsentiert sind (beispielsweise China und Indien). Die Importtätigkeit im ersten Quartal schließlich war rückläufig (-1,4 %) und trug damit ebenfalls zu dem hohen Wachstumsbeitrag des Außenbeitrags bei.

7. Fügt man alles zusammen, so ergibt sich auch ohne Kenntnis harter Indikatoren für das zweite Quartal eine bescheidene Perspektive. Zwar kann mit einem positiven Rückpralleffekt bei den Bauinvestitionen gerechnet werden, doch der Rückgang des Außenbeitrags sollte diesen übertreffen. Die große Unbekannte bleibt der private Konsum, doch angesichts eines durch den Wegfall des Ostergeschäfts wohl schwachen Aprils fällt der Start in das zweite Quartal verhalten aus. Alles in allem bleiben wir bei unserer Prognose eines jahresdurchschnittlichen Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts um 0,8 %.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten