Kommentar
17:20 Uhr, 04.01.2024

DAX: Weniger Inflation ist nicht unbedingt besser

Weniger Inflation ermöglicht zwar eine weniger restriktive Geldpolitik, doch es gibt auch Nachteile. Für den DAX trifft das besonders zu.

2023 ist abgehakt, auch wenn noch nicht alle Daten bekannt sind. Erst in wenigen Wochen wissen wir, wie schlimm das Jahr für das Wirtschaftswachstum wirklich war. Mit nur noch einem Quartal an Wachstumszahlen, die fehlen, ist allerdings klar, dass 2023 kein gutes Wachstumsjahr war.

In der ersten Jahreshälfte trübten sich die Wachstumsaussichten ein. So erwartete die Europäische Kommission noch zu Beginn des Jahres ein Wachstum von 0,2 %. Der Wachstumspessimismus war im Sommer am größten. Europäische Kommission und auch das ifo-Institut erwarteten im Sommer den tiefsten Wert mit -0,4 %. Die Herbst- und Winterprognosen sehen nun übereinstimmend Wachstum von -0,3 % für 2023.

Die Herbst- und Winterprognose für 2023 hellte sich etwas auf. Der Ausblick wird dafür nach unten korrigiert. Im Frühling 2023 erwartete etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Wachstum von 1,1 % für 2024. Aktuell sind es noch 0,9 %. Beim ifo-Institut ging der Wert im Laufe des Jahres sogar von 1,7 % auf 0,9 % zurück (Grafik 1).

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Bleibt es bei diesem Trend zu immer tieferen Prognosen, bleibt am Ende des Jahres wenig Wachstum für 2024 übrig. Mit etwas Glück könnte die Wirtschaft leicht wachsen. Wesentlich schlimmer als eine Stagnation ist immerhin aktuell nicht abzusehen. Stagnation oder minimales Wachstum sind jedoch nicht das, woraus Börsenträume gemacht sind.

Der Aktienmarkt und Wirtschaftswachstum entwickeln sich parallel. Die Korrelation zum realen Wirtschaftswachstum ist am größten (Grafik 2). Das ist bis zu einem gewissen Grad eine Überraschung. Aktienkurse sind nominal und nicht inflationsbereinigt. Entsprechend sollte es auch ausreichend sein, wenn die Wirtschaft nominal wächst. Das ist es nicht immer.

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Eine mögliche Erklärung: Reales Wachstum bedeutet, dass die verkauften Mengen steigen. Nullwachstum bedeutet, dass die gleiche Menge abgesetzt wird. Ist die Nachfrage konstant, braucht es keine zusätzlichen Kapazitäten. Vielmehr reichen die vorhandenen Kapazitäten aus, um die bestehende Nachfrage zu bedienen. Mittelfristig steigt die Produktivität. Mit den gleichen Ressourcen kann mehr hergestellt werden. Es braucht daher zumindest ein gewisses Realwachstum, damit es nicht zu einem Überangebot kommt. Überangebot senkt die Gewinnmargen.

Nominales Wachstum reicht nicht, um den Aktienmarkt zu beflügeln. Dennoch dürfte hohes nominales Wachstum im abgelaufenen Jahr dem DAX geholfen haben. Die Inflation war hoch, weil es zum Teil knappes Angebot gab. Ein Inflationsrückgang bedeutet eine entsprechend geringere Gewinnmarge. Wenn gleichzeitig das reale Wachstum fehlt, sind es schlechte Voraussetzungen für den DAX. Der Inflationsrückgang ist daher nicht unbedingt positiv.

Während 2023 reales Wachstum und Aktienmarkt auseinandergingen und die Korrelation zum nominalen Wachstum höher war, ist bei einer Normalisierung der Inflation eine Entwicklung wie z.B. 2015 oder 2019 zu erwarten. Das nominale Wachstum ist leicht positiv, der DAX hingegen korrigiert (Grafik 3).

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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