Kommentar
19:00 Uhr, 17.02.2008

DAX - Von Moral und anderen Wohltätern

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Tun Sie doch nicht so überrascht. Jetzt schreien alle wieder auf und brechen eine moralische und politische Diskussion vom Zaun, als hätte man es nicht schon immer gewusst. Außer, dass die Dimensionen dieses Mal etwas anders sind, ist es doch nichts Neues, dass sich das Geld einen Zufluchtsort jenseits der Grenzen sucht. Ob es die Schweiz, Luxemburg oder jetzt Liechtenstein ist, spielt dabei seit Jahrzehnten keine Rolle. Erschocken zu sein, weil es dieses Mal einen bekannten Topmanager trifft scheint mir doch höchst unangebracht. Glaubten die, die jetzt vor der Kamera stehen und den Zeigefinger verbal in die Höhe halten denn tatsächlich, dass die deutsche Wirtschaftselite absolut unantastbar sei? Interessant wird es jetzt, wer denn noch alles auf der Liste steht. Überraschen wird es nicht. Die Frage nach Moral scheint mir allerdings an anderer Stelle ebenfalls geboten zu sein. Nicht dass es nicht notwenig ist, dem Staat die ihm zustehenden Steuergelder (wenn diese auch manchmal überzogen und kompliziert erhoben werden) einzutreiben. Die Mittel und Wege mögen zuweilen eine Gradwanderung darstellen. Wenn allerdings ein Staat, wenn auch nur durch seinen Geheimdienst, eine oder mehrere Personen durch Angebot von immensen Zahlungen zu einer Straftat verleitet (so scheint das ja gewesen zu sein), dann frage ich mich schon, ob es uns noch zusteht, über die Praktiken z.B. eines FBI oder CIA zu urteilen und den Kopf darüber zu schütteln, dass die Regierung nicht informiert war. Spannend werden die kommenden Tage allemal: Für die sensationshaschende breite Masse ebenso, wie für die Betroffenen selbst. Geben wir uns keinen falschen Illusionen hin, es bleibt nur die Spitze eines Eisberges.

Die Diskussion um Moral wird in Amerika häufig ganz anders geführt als bei uns. Wenn jemand ordentlich spendet und wohltätige Projekte großzügig unterstützt, hat er zuweilen einen Vertrauensvorschuss und darf dann auch einmal daneben treten. Manchmal jedenfalls. Einer der bekanntesten Wohltäter ist sicher Warren Buffet. Er unterstützt mit einem großen Teil seines Vermögens viele Projekte und trägt so dazu bei, das sicher nicht immer rund laufende Sozialsystem in den USA, am Laufen zu halten. Wenn es aber um das Geldverdienen geht, ist er eben kein Wohltäter mehr. Die Märkte schienen dies in der vergangenen Woche aber geglaubt zu haben. Wie sonst ließe es sich erklären, dass die Märkte, nach der Ankündigung, Warren Buffet steigt bei vier großen Anleiheversicherern ein, so in die Höhe schossen, als sei die Kredit und Finanzkrise schon beendet. Warren Buffet steigt nicht ein, um zu helfen (auch wenn das manchmal ein willkommener Nebeneffekt ist), Warren Buffet will Geld verdienen. Das ist ja auch nichts Negatives. Er will möglichst viel verdienen. Das hält er schon immer so. Deshalb kauft er unterbewertete Firmen, um sie wieder zu verkaufen, wenn sie fair oder überbewertet sind (stark vereinfacht dargestellt). Seinen Einstieg bei den Anleiheversicherern wollte er nur mit einem, aus seiner Sicht, angemessenen Abschlag tätigen. Die Gesellschaften haben abgewinkt.

So bleibt alles beim Alten und die Krise wird uns noch weiter beschäftigen. Auch die G7 sah sich am Wochenende in Alarmstimmung, wollte aber keine gemeinsamen Maßnahmen ergreifen.

Die zum Wochenanfang noch bestehende Euphorie hätte den deutschen Aktien-Markt ohne weiteres bis in den Bereich von 7.200 bis 7.400 Punkte führen können. Die Ernüchterung in der zweiten Wochenhälfte führte den Index dann bis an die untere Unterstützungslinie des kurzfristigen Aufwärtstrends. Diese wird zunächst halten können, da die Vorgaben aus den USA zum Wochenstart besser sein werden, als dies noch am Freitag zur Eröffnung den Anschein hatte. Trotzdem gehe ich davon aus, dass der Markt noch einmal kräftig nach unten tendieren wird. Ich bleibe bei meiner Zielzone von 6.200 Punkten. Wenn diese Marke allerdings nicht hält, sprechen wir über ganz andere Werte. Das werde ich allerdings erst tun, wenn es soweit ist. Bis dahin sollten Sie unverändert am Ball bleiben und Ihr Vermögen sichern.

Bis zur nächsten Woche

Ihr

Martin Marquardt

Wer ist Martin Marquardt?

Anmerkung der Redaktion: Bei dem Namen "Martin Marquardt" handelt es sich um ein Pseudonym. Unter diesem Pseudonym schreibt ein charttechnischer Analyst eines größeren Bankhauses, der anonym bleiben möchte.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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