Analyse
16:45 Uhr, 12.09.2017

Das Märchen vom starken Euro

Immer wieder dürfen wir vom Zusammenhang des starken Euros und eines schwachen DAX lesen. Bei näherer Betrachtung hat diese Korrelation mehr mit Marktpsychologie als mit ökonomischen Fakten zu tun.

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„Starker Euro setzt DAX zu“ titelte ntv am 28. August. Und ein paar Tage später, am 05.09.2017 schrieb das Manager-Magazin: „Wall Street und starker Euro setzen DAX unter Druck.“

Ich habe mich gefragt, warum ist das eigentlich so? Also wieso soll der DAX fallen, wenn der Euro steigt?

In einem Marktüberblick lieferte die Nachrichtenagentur dpa-AFX eine kurze Erklärung. „Eine starke Gemeinschaftswährung kann Exporte der hiesigen Unternehmen in Länder außerhalb der Eurozone erschweren.“ (1)

Der Kölner Stadt Anzeiger erklärte seinen Lesern die neue Marktlage ausführlicher:

„Wenn die heimische Währung teurer wird, müssten die Ausfuhren leiden. Denn deutsche Produkte werden im Ausland teurer. Verkauft ein Autobauer einen PKW in den USA für denselben Preis wie im Januar, bekommt er in Euro gerechnet heute fast 15 Prozent weniger. Mittelfristig müssen die deutschen Unternehmen also niedrigere Gewinne hinnehmen oder die Preise erhöhen. Damit droht der Verlust von Marktanteilen. Zudem können ausländische Konkurrenten in der Eurozone billiger anbieten, weil sie für jeden Euro mehr Dollar bekommen. Importe werden günstiger.“ (2)

Doch wie gültig sind diese Schlussfolgerungen, die wir immer wieder lesen?

Der Diplom-Ökonom Karsten Lamla hat in einer Studie die Exporte Baden-Württembergs in Abhängigkeit zum US-Dollarkurs zwischen 1970 und 2007 untersucht:

„In Schaubild 3a ist die Dollarkursentwicklung den Exporten in die ganze Welt gegenübergestellt. Ein besonders enger Zusammenhang ergibt sich weder optisch noch rechnerisch. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson erreicht hier einen Wert von 0,26. Von einem schwachen Zusammenhang spricht man bei Werten bis 0,5.

Schaubild 3b vergleicht die Dollarkursentwicklung mit den Exporten in die USA. Wie zu erwarten, ergibt sich hier ein engerer Zusammenhang. Doch auch hier erreicht der Korrelationskoeffizient mit einem Wert von 0,40 nicht einmal mittlere Stärke. (3)

Der Ökonom argumtiert: „Es gibt also gute Exportjahre trotz Dollarschwäche und auch vergleichsweise schlechte Jahre trotz Dollarstärke. Eine naheliegende Schlussfolgerung ist, dass andere Einflüsse eine ebenso wichtige Rolle spielen. Dazu gehören die Konjunktur in den Exportländern, Veränderungen der handelspolitischen Rahmenbedingungen oder Einmal-Effekte wie die Wiedervereinigung.“ (4)

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Karsten Lamla kommt zum dem Ergebnis:

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Dollarkurs in der Vergangenheit nicht die wichtigste Determinante für den baden-württembergischen Export war. Selbst für die Exporte in die USA geht die Gleichung „schwacher Dollar = schwacher Export“ meist nicht auf. Der Wechselkurs hat einen gewissen Einfluss, wohin exportiert wird, den Export nachhaltig behindern konnte er bislang jedoch nicht.“ (5)

Eine andere Argumentation, warum ein starker Euro den DAX belasten könnte, folgt dem Umstand, dass der überwiegende Teil ausländischer Investoren im US-Dollarraum, eben an der Wall Street, beheimatet ist.

In einer Analyse der Beratungsgesellschaft Cometis lag der Anteil US-amerikanischer Investoren in MDAX, SDAX und TecDAX zu Jahresbeginn bei 31 Prozent. (6)

Ein starker Dollar (vice versa ein schwacher Euro) macht Investitionen für US-Anleger im Euro-Land damit attraktiver.

Das klingt logisch und nachvollziehbar.

Tatsächlich zeigen DAX-Renditen eine hohe Abhängigkeit vom US-Dollar, wie ein Research der Credit Suisse zeigt. (7)

Im Zeitraum von 1991 – 2005 gab es demnach fünf kleine bis mittlere „Dollar-Bullenmärkte“. Sie dauerten im Durchschnitt 1,3 Jahre und reichten von 0,4 – 2,0 Jahre. In diesen Phasen verlor der Euro zum Dollar im Durchschnitt -23 %. Die Spanne reichte von -14 % bis – 30 %.

Die Überrendite europäischer Aktien gegenüber dem MSCI World Index lag in diesen „Dollar-Bullenmärkten“ im Durchschnitt bei 10 %. Die Spanne der Überrenditen reichte von 5 % bis sogar 17 %.

Das ist schon sehr beachtlich.

Doch ist es nur der Anreiz des billigen Euros, der die Wall Street zu Investitionen in Europa anregt?

Nicht ausschließlich.

Die Terminbörse Eurex schreibt in einem Paper mit dem Titel „The Fundamentals that Drive the Eurex European Equity Index and Interest Rate Futures Markets“:

„Global investors will only put their cash into the euro-denominated European stock and bond markets if they have confidence that the value of the euro will be preserved. (8)

Das Vertrauen in den Euro ist ein weiterer wichtiger Grund für ausländische Investoren. Denn es nützt das beste Euro-Unternehmen nichts, wenn die vielleicht sogar günstige Währung, in der die Aktien notiert sind, dramatisch an Wert verliert. Der Euro dient in diesem Fall für ausländische Investoren eben auch als „Verwahrstelle“ ihres Vermögens. Der Vertrauensaspekt könnte z.B. den dramatischen Absturz europäischer Aktienmärkte im Jahr 2011 erklären. Damals verlor der DAX deutlich stärker als die US-Märkte, obwohl der Euro in den Keller rauschte.

Bleibt am Ende noch der große Wunsch, diese Effekte als Anleger profitabel ausnutzen zu können.

Doch wie gut können wir eigentlich auf Basis eines starken oder schwachen Euros Rückschlüsse über den weiteren Kursverlauf des DAX ziehen?

In einer wissenschaftlichen Arbeit der Texas A&M University, die sich ebenfalls mit dem Einfluss von Währungen auf Aktien beschäftigt, kommt der Autor zu dem Ergebnis:

„Overall, local currency-based models support the fact that stock markets and exchange rates are independent markets and neither of these can be used to predict the movements of the other. On the contrary, it can be concluded that SAC-based models provide evidence that the exchange rates do affect the stock markets but they account only for a small percentage of the stock market uncertainty. (9)

Fazit

Ja, die Veränderung des Euro-Kurses hat einen Einfluss auf den DAX, aber der ist

1.) viel geringer und nur zu einem kleinen Teil für die Unsicherheit, die Kursschwankungen auslöst, zuständig und
2.) sind Wechselkurse nicht geeignet, um Bewegungen an den Aktienmärkten hervorzusagen.
3.) Die Erklärung, dass ein starker Dollar (schwacher Euro) die Exporte fördert und damit die Gewinne der DAX-Unternehmen antreibt, darf angezweifelt werden.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

--

(1) Aktien Frankfurt Ausblick: Lethargie hält an - Starker Euro lähmt den Dax. Dpa-AFX-Meldung. Finanzen.net vom 28.08.2017.
(2) Starker Euro. Warum sich die deutsche Industrie nicht sorgen muss. Markus Sievers. KSTA.de vom 08.09.2017.
(3) (4) (5) Schadet der starke Euro dem Export? Karsten Lamla. Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2008, S. 30ff.
(6) Der Dax ist fest in ausländischer Hand. FAZ-Online-Artikel vom 26.01.2017.
(7) What Does The U.S. Dollar Bull Market Mean For European Equities? Online-Artikel auf SeekingAlpha.com vom 20.11.2014.
(8) The Fundamentals that Drive the Eurex European Equity Index and Interest Rate Futures Markets. Optima Investment Research, S.2f.
(9) The Effect of Currency Movements on Stock Markets. Tatevik Zohrabyan. Texas A&M University. December 2005.
(10) Abbildung 2 im Anhang zeigt die wichtigsten Wechselkurseinflüsse für den DAX. Zitiert aus (9), S. 78.

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    Guter Artikel, Danke dafür

    11:32 Uhr, 13.09. 2017
  • Ridicule
    Ridicule

    Prägnanter Artikel, den ich vom Fazit her so unterschreiben würde. Allerdings wird ein Faktor ausser Acht gelassen und der war in 2017 ein wesentlicher Grund für die relative Underperformance des DAX. Nämlich die Geschwindigkeit, wie sich ein Wechselkurs verändert.

    "... „Global investors will only put their cash into the euro-denominated European stock and bond markets if they have confidence that the value of the euro will be preserved. ..."

    Letzteres ist nicht mehr der Fall, wenn sich eine Aufwertung z.B. im EURO beschleunigt abspielt, wie wir es bis dato in 2017 gegen den USD gesehen haben ... Stand Freitag 8.9. USD minus 14,4% (das sind keine normalen Bewegungen mehr und sicherlich nicht typisch für dieses Währungspaar in dieser kurzen Zeit).

    Exporteure haben weniger Schwierigkeiten, wenn sich Wechselkurse mäßig verändern. In dem Tempo, wie es bisher in 2017 geschehen ist, wird es Auswirkungen auf die Gewinne der Multinationals im DAX haben. Und das hat die Börse in den letzten Monaten perfekt gespielt, als quasi ein steigender EURO mit einem fallenden DAX einherging. Über die Zeit wird sich das ggfs. nivellieren, allerdings werden die ersten Q-Zahlen das Ausmaß der Währungseffekte zeigen. Gruß

    20:48 Uhr, 12.09. 2017
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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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