Das Licht am Ende des Corona-Tunnels ist schwach, geht aber nicht aus, sondern wird heller
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Die Weltkonjunktur im Reality Check
Anhand von mobilen Daten der Google COVID-19 Community Mobility Reports liefert der „Corona Lockerungsindex“ Bewegungstrends im Einzelhandel, in Supermärkten, Apotheken und am Arbeitsplatz. So lassen sich je nach Land wirtschaftliche Folgen der Eindämmungs- bzw. Lockerungsmaßnahmen erkennen. Demnach ist in den großen Volkswirtschaften Europas ein vorübergehender Konjunkturrückfall unvermeidlich. Amerika entwickelt sich vergleichsweise stabiler.
Dreh- und Angelpunkt für die weitere wirtschaftliche Einschätzung ist die Frage, wie schnell und in welchem Umfang es zu Impfungen und damit zu Lockerungen der Wirtschaftsschließungen kommt. Immerhin sind die Neuinfektionen in den USA und Deutschland rückläufig.
Und inzwischen wurden weltweit mehr Menschen zumindest einmal gegen Corona geimpft als sich bislang angesteckt haben.
US-Konjunkturerholung erst am Anfang, aber sie läuft
In Amerika hat Präsident Biden Impffortschritte zur Chef-Sache gemacht. Die beabsichtigte Impfung von 100 Mio. Amerikanern in seinen ersten 100 Amtstagen - also bis Ende April - läuft. Es wird drei Mal so schnell geimpft wie in Europa.
Das versprochene Konjunkturpaket über 1,9 Bio. US-Dollar wird kurzfristig von den Demokraten auch ohne Zustimmung der Republikaner beschlossen. Mit einer Verlängerung der Arbeitslosenhilfen in Höhe von 300 US-Dollar pro Woche ist zu rechnen. Auch soll erneut „Helikoptergeld“ in Form von Sozial-Checks der Binnennachfrage als Rückgrat der Wirtschaft auf die Sprünge helfen. Dem Vernehmen nach soll jeder Berechtigte eine Summe von 1.400 US-Dollar erhalten. Anstatt weiter Angstsparen zu betreiben, wird der Konsum im Sommerhalbjahr beflügelt.
Als Frühindikator zeigen sich die Umsatzerwartungen von US-Restaurants bereits deutlich aufwärtsgerichtet. Geht Amerika wieder ins Diner, ist Amerika auch auf dem Weg der Besserung.
Nicht zuletzt, geplante großzügige Infrastrukturinvestitionen in Höhe von ca. zwei Bio. Dollar in den nächsten vier Jahren mit starkem Fokus auf Klimaschutz werden die nachhaltige Erholung der Industrie und ihrer Arbeitsplätze stützen. Insgesamt ist die Stimmung in der US-Wirtschaft durchaus positiv.
China legt nur eine Erholungspause ein
Das Wiederaufleben des Virus hat die Stimmung in Chinas Industrie und bei Dienstleistern abrupt getrübt. Allerdings sorgt das harte, mitunter kritikwürdige Durchgreifen der KP selbst bei geringsten Fallzahlen für eine schnelle Eindämmung der Infektionsherde, so dass keine langfristigen Störungen von Fabriken und Lieferketten wie Anfang 2020 zu erwarten sind.
Bei Impfungen und Konjunktur ist Europa Schlusslicht
Im internationalen Vergleich verliert Europa den konjunkturellen Anschluss.
Eine apathische EU hat die frühzeitige Impfstoff-Beschaffung sträflich versäumt. Die Unterversorgung hält mindestens im I. Quartal an. Selbst das Versprechen der Bundesregierung, bis Ende September jedem Bürger ein Impfangebot machen zu wollen, ist mit Risiken behaftet, wenn nicht sogar utopisch. Wegen verlängerter Lockdowns und ohne klare Impfperspektive ist eine abermalige Wirtschaftsschrumpfung im Jahresanfangsquartal absehbar.
Auch gemäß ifo Konjunkturmatrix steht die deutsche Wirtschaft bereits am Rand der Zyklusphase „Rezession“.
In Moll zeigt sich nicht zuletzt die deutsche Binnenkonjunktur, die laut GfK Konsumklima und Anschaffungsneigung buchstäblich weggeknickt ist. Die Deutschen sind Corona-mürbe. Im Super-Wahljahr 2021 wirken zwar weitere staatliche Konjunkturhilfen stützend, die über die zuletzt beschlossenen 9 Mrd. noch hinausgehen. Eine Initialzündung werden sie jedoch nicht lostreten. Viele Aktionen bleiben Stückwerk ohne Gesamtkonzept. Erst ab Frühjahr ist im Zuge einer sich in Trippelschritten verbessernden Impfstoff-Versorgung mit Konsumaufhellungen zu rechnen.
Die konjunkturelle Underperformance im internationalen Vergleich zeigt sich auch beim Euro, der gegenüber US-Dollar auf Zwei-Monats-Tief gefallen ist.
Dagegen sorgen die weltwirtschaftliche Stabilisierung und eben auch ein schwächerer Euro für wachsende Zuversicht bei deutschen Exporteuren. Auto-, Maschinenbau- und chemische Industrie erwarten Zuwächse.
Marktlage - Pessimismus sieht anders aus
Meldungen über Konjunktur hemmende Virusmutationen und Impfstoffverzögerungen sorgen nur vorübergehend für Irritationen an den Aktienmärkten. Der Konjunkturaufschwung ist nicht aufgehoben, nur aufgeschoben. Das schlägt sich bereits positiv bei zyklischen deutschen Aktien, z.B. im MDAX und SDAX nieder. Der TecDAX profitiert weiter von der digitalen Sonderkonjunktur.
Und grundsätzlich wächst der Druck auf Bund und Länder, sich auf ihrem nächsten Corona-Gipfel am 10. Februar zumindest offen für Öffnungen zu zeigen.
Positive Signale kommen zudem von der Berichtssaison. In den USA haben viele Unternehmen ihre Gewinne erstmals seit Beginn der Corona-Krise im Vorjahresvergleich wieder gesteigert. Auch die Ausblicke, deren Orientierungspunkt eine deutliche Konjunkturerholung ab dem zweiten Halbjahr ist, überzeugen bislang. Sinnbildlich hierfür ist die Umsatznormalisierung des Baumaschinenherstellers Caterpillar als typisch frühzyklische Weltkonjunktur-Aktie.
Grafik der Woche
Dass die Inflation in der Eurozone zuletzt von minus 0,3 auf 0,9 angesprungen ist, ist kein Anlass für eine Rückkehr von Zinsangst. Zunächst ist dies Basiseffekten wie Ölpreisen und der Normalisierung der deutschen Mehrwertsteuer geschuldet. Überhaupt, eine falkenhafte Wende der EZB ist mit Blick auf Überschuldung, Zusammenhalt Europas und weiterer konjunktureller Unterfütterung politisch ohnehin nicht gewünscht.
Der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi soll es jetzt in seiner Heimat wirtschaftlich richten. In Italien genießt er einen guten Ruf und eine von ihm angeführte technokratische „Regierung der nationalen Einheit“ scheint wirklich die letzte Rettung zu sein. Akut ist die sachgerechte Verwendung der 200-Milliarden-Euro-Geschenke der EU-Kommission, die nicht in dunklen Kanäle verschwinden dürfen. Viel wichtiger ist es aber, die dramatische Wettbewerbsschwäche, Reform-Unfähigkeit und festgefahrene Polit-Landschaft aufzubrechen, was bei Gelingen auch Europa insgesamt mehr Stabilität verliehe. Ein Risikoaufschlag 10-jähriger italienischer zu deutschen Staatstiteln auf Fünf-Jahres-Tief zeigt, dass die Finanzmärkte Vorschusslorbeeren gewähren. Doch Herrn Draghi dürfte sehr klar sein, dass er es mit einer Jahrhundert-Aufgabe zu tun hat. Das Management der Gelddruck-Maschinen war dagegen ein Kinderspiel.
Die zwei an den Aktienmärkten gegensätzlich wirkenden Kräfte - enttäuschende Konjunktur- bzw. Impfnachrichten versus freizügige Fiskal- und Geldpolitik - können zwischenzeitlich für erhöhte Kursschwankungen sorgen. Diese sind mit Aktiensparplänen jedoch gut zu parieren. Und ohnehin wird längerfristig die erste Kraft die Oberhand behalten.
Sentiment und Charttechnik DAX - Die Bullen werden nicht müde
Aus Sentimentsicht hat sich der Anteil der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten wieder deutlich in neutrales Terrain zurückgebildet. Als Kontraindikator wird so eine allmähliche Beruhigung der zuletzt sehr optimistischen Aktienstimmung dokumentiert.
Auch wenn sich US-Fondsmanager zuletzt vorsichtiger zeigten, halten sie ihre Investitionsquote grundsätzlich hoch. Und die Anleger reagieren bereits wieder nach dem sattsam bekannten Muster, wonach sie Rückschläge als willkommene Kaufgelegenheit nutzen. Insofern sind nach dem fulminanten Jahresstart mit zwischenzeitlicher Konsolidierung die Zutaten für eine Fortsetzung der Rallye vorhanden.
Charttechnisch trifft der DAX auf dem Weg nach oben bei 14.132, 14.144 und 14.275 Punkten auf erste Widerstände. Darüber nimmt der Index Kurs auf die Barrieren bei 14.452, 14.657 und 14.875. Kommt es zu zwischenzeitlichen Rücksetzern, liegen erste Unterstützungen an der psychologisch wichtigen Marke bei 14.000. Darunter trifft der DAX auf weitere Haltelinien bei 13.850 und 13.721 Punkten.
Disclaimer beachten!
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/
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