Kommentar
14:09 Uhr, 24.09.2019

Das interessanteste Non-Event der letzten Jahre

Vergangene Woche erreichten die Zinsen in den USA kurzfristig ein Hoch von fast 10%. Das sorgte für Unruhe – vollkommen zu Unrecht.

Wenn sich die Zinsen innerhalb kurzer Zeit vervielfachen, kann das nichts Gutes bedeuten. Die Reaktion auf den Zinsanstieg war daher verständlich. Viele sahen Parallelen zur Finanzkrise. Als sich Banken untereinander nicht mehr vertrauten, stiegen die Zinsen von einem Tag auf den nächsten sprunghaft an.

Die Ursache für einen solchen Anstieg ist immer dieselbe. Es fehlt an Zentralbankgeld. Die Knappheit kann aus zwei Gründen erfolgen. Entweder sorgt Misstrauen unter Finanzinstituten dafür, dass der Interbankenmarkt nicht mehr funktioniert oder es fehlt effektiv Geld im System. Ersteres ist während der Finanzkrise geschehen. Letzteres war wohl dieses Mal der Auslöser.

In der Folge stiegen praktisch alle Zinssätze an (Grafik 1). Es gibt nicht nur den einen Zinssatz, sondern je nach Sicherheiten, die für das Erhalten von Liquidität hinterlegt werden und wer die Gegenpartei ist, gibt es unterschiedliche Zinssätze. Alle haben sich vervielfacht.

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Es ist dabei nicht das erste Mal, dass so etwas geschieht. Die Historie der letzten 12 Monate in Grafik 1 zeigt, dass es immer wieder zu größeren Anstiegen gekommen ist. Der bisher größte fand Ende 2018 statt. Die Zinsen erreichten in der Spitze einen Wert von 6,5 %.


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Der Anstieg Mitte September war trotzdem außergewöhnlich (Grafik 2). Das sorgt bei besorgten Anlegern gleich für böse Vorahnungen, geradezu Verschwörungstheorien. Wem fehlte das Geld, das für den Zinsanstieg sorgte? Wer steht vor dem Bankrott? Welche Bank ist in Schieflage?

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Es hat auch nicht geholfen, dass einige Banken vor einem solchen Anstieg gewarnt hatten. Das heißt, irgendjemand wusste, dass ein Anstieg kommen würde. Das wirft Fragen auf. Diese lassen sich aber relativ einfach beantworten. Es ist nicht so, dass eine bestimmte Bank von einer Schieflage wusste. Der Zinsanstieg war einfach unausweichlich.

Bereits vor Monaten konnte man erahnen, dass es früher oder später zu einer solchen Krise kommen würde. Im Mai hatte ich darüber bereits berichtet (gmtr.ly/E1ERy2CLP ). Es war also nur eine Frage der Zeit bis es zu einer solchen Situation kommt.

Nun ist es tatsächlich soweit gekommen. Das einzige, was das allerdings aussagt, ist wenig spektakulär. Die Reserven im Bankensystem sind inzwischen soweit gefallen, dass es zu Knappheit kommen kann, wenn plötzlich viel Geld benötigt wird.

Das Problem muss von der Notenbank gelöst werden. Sie hat mehrere Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht. Darüber berichte ich an anderer Stelle. Was den Zinsanstieg anbelangt, so kann man guten Gewissens sagen, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Das Ereignis war absehbar, weil das Problem seit vielen Monaten bekannt war. Die Fed hat einfach geschlafen und nicht rechtzeitig reagiert.

Das muss sie nun schnell ändern. Löst sie den Liquiditätsengpass nicht schnell, wird aus dem Non-Event ein echtes Problem. Da die Notenbank das tägliche Limit von 75 Mrd. für Repo Geschäfte (sie kauft Banken Anleihen ab) bis zum 10. Oktober praktisch aufgehoben hat, erscheint das Problem unter Kontrolle zu sein.


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14 Kommentare

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Ein Kommentar zum "Non Event"von Ernst Wolff:

    In einem wichtigen Teilbereich des US-Finanzsystems ist es in der vergangenen Woche zu heftigen Turbulenzen gekommen. Zum ersten Mal seit 2008 musste die amerikanische Zentralbank Federal Reserve am sogenannten Repo-Markt eingreifen – und das an vier aufeinanderfolgenden Tagen in einem Umfang von insgesamt 278,2 Milliarden Dollar.

    Der Repo-Markt ist ein Teil des US-Anleihenmarktes, auf dem sich US-Banken und Hedgefonds mit frischem Geld versorgen. Repo steht für Repurchase Operation, zu deutsch: Rückkaufgeschäft. Finanzinstitute, die für Transaktionen Geld brauchen, leihen es sich nicht einfach, sondern verkaufen über Nacht Wertpapiere, insbesondere US-Staatsanleihen, um diese am folgenden Tag wieder zurückzukaufen.

    Der US-Repo-Markt bewegt sich in einer Größenordnung von etwa 2,2 Billionen Dollar und hat seit den letzten Turbulenzen im Rahmen der Weltfinanzkrise weitgehend reibungslos funktioniert. Wer US-Staatsanleihen hielt und frisches Geld brauchte, konnte es sich durch einen befristeten Verkauf über Nacht besorgen. Umgekehrt konnten die Institute, die über genügend Geld (im Fachjargon „Liquidität“ genannt) verfügten, durch einen befristeten Aufkauf von Staatsanleihen Zinsen kassieren.

    In der vergangenen Woche ist dieser Handel abrupt und selbst für viele Insider überraschend ins Stocken geraten, weil die Nachfrage nach Staatsanleihen zu gering war.

    Da das zu erheblichen Folgen im Anleihenhandel und bei der Kreditvergabe, vor allem im Interbankenhandel, geführt hätte, griff die FED ein und versorgte das System ab Dienstag mit „Liquidität“. Das heißt: Sie trat selbst als Käufer auf und sorgte so für eine Senkung der vorübergehend in die Höhe geschossenen Zinsen sowie einen weitgehend reibungslosen Ablauf der Transaktionen.

    Weil die Probleme nach dem ersten Eingriff am Dienstag weiter bestanden, sah sich die FED gezwungen, den Handel auch an den drei folgenden Tagen mit jeweils 75 Milliarden Dollar zu stützen.

    Auffällig war die Reaktion der Mainstream-Medien: Während über die ersten beiden Eingriffe der FED noch recht ausführlich berichtet wurde, wurden der dritte und vierte nur noch am Rande erwähnt.

    Außer den Medien versuchten auch die Großbanken, die Ereignisse herunterzuspielen. Sie verwiesen darauf, dass es sich um ein technisch bedingtes, kurzfristiges Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage handle, ausgelöst unter anderem durch eine Geldknappheit der Unternehmen wegen der am Montag fälligen vierteljährlichen Steuervorauszahlung und wegen kurz zuvor getätigter umfangreicher Staatsanleihenkäufe.

    Diese Version der Ereignisse aber zerplatzte spätestens am Freitag Nachmittag, als die FED ankündigte, sie werde bis zum 10. Oktober mit mindestens $ 75 Milliarden pro Tag in den Repo-Markt eingreifen und außerdem den notleidenden Banken (die namentlich nicht genannt werden) drei 14-tägige Repo-Operationen von jeweils mindestens 30 Milliarden US-Dollar anbieten.

    Die Ausweitung der Eingriffe auf fast drei Wochen zeigt mehr als deutlich, dass es sich hier nicht um einen Bagatelleinsatz handelt, sondern dass die FED wegen einer drohenden Katastrophe zu einem Großeinsatz ausrücken muss.

    Zu den genauen Ursachen der Entwicklung lassen sich zur Zeit nur Vermutungen anstellen.

    Die mangelnde Nachfrage nach Staatsanleihen deutet jedenfalls auf einen Markt hin, auf dem die Alarmzeichen schon seit einiger Zeit blinken. Seit Jahresbeginn ist der Gesamtwert der globalen negativ verzinsten Staatsanleihen von $ 8,3 Billionen auf $ 17 Billionen gestiegen – eine Fieberkurve, die das weltweite Finanzsystem in seiner gesamten Geschichte noch nicht erlebt hat.

    Außerdem zeigt sich immer deutlicher, dass Investoren nach einer Fortsetzung der Politik des billigen Geldes lechzen und dass die in den letzten drei Jahren versuchte Rückkehr der Federal Reserve von ihrer ultralockeren zu einer normalen Geldpolitik gescheitert ist.

    Vor allem aber beweist die Tatsache, dass die Verantwortlichen der FED von den Ereignissen der vergangenen Woche überrascht wurden, dass der Repo-Markt inzwischen nicht mehr von ihnen kontrolliert wird, sondern eine Eigendynamik entwickelt hat, auf die sie nur noch mit Notmaßnahmen reagieren können.

    Wie lange diese Notmaßnahmen noch verhindern werden, dass der Repo-Markt vollkommen aus den Fugen gerät, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Sollte der bis zum 10. Oktober projektierte Noteinsatz der FED misslingen, kann man davon ausgehen, dass wir in der vergangenen Woche genau das Beben erlebt haben, das die nächste große Welle im globalen Finanztsunami auslösen wird.

    https://kenfm.de/tagesdosis-23...

    01:36 Uhr, 25.09.2019
    1 Antwort anzeigen
  • wizardmw
    wizardmw

    Wenn die Notenbank dann biszum 10.Oktober 1,15 Billionen Dollar rein pumpen muss, ist alles alles normal.... aha...frage mich auch grade, wie es im Ozean plötzlich zu Wassermangel kommen könnte....oder wie war das? Ach ja, plötzliche unerwartete Steuerzahlungen. Fazit: wie schon unten: weiter schlafen und alles glauben....

    14:42 Uhr, 24.09.2019
    1 Antwort anzeigen
  • grinder1337
    grinder1337

    Die Reserven im Bankensystem sind inzwischen soweit gefallen, dass es zu Knappheit kommen kann, wenn plötzlich viel Geld benötigt wird.

    weitermachen. alles gut. wachstum -> oo 🙄

    14:27 Uhr, 24.09.2019
  • Bulle86
    Bulle86

    Drucken Sie das doch freundlicherweise für einen Ihrer Kollegen aus, damit dieser wieder ruhig schlafen kann ;-)

    Gute Erklärung

    14:15 Uhr, 24.09.2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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