"Das Geld anderer Leute"
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Ein medialer Dauerbrenner in den Zeiten der schwelenden Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Vermögensentwicklung bei den ganz Großen, den sogenannten Superreichen. Wurde früher über die Vermögensveränderung der Multimilliardäre einmal jährlich in der Forbes-Liste berichtet, was dann von trockenen Wirtschaftszeitungen bis hin zur Yellow Press genüsslich aufgenommen wurde. Im laufenden Jahr sind die Berichtsfrequenzen deutlich kürzer. Das Vermögen von Familien wie Merckle, Schickedanz, Schaeffler oder auch vielen russischen Oligarchen, deren Namen wir wahrscheinlich alle kaum korrekt aussprechen können, bewegt die Menschen fortwährend.
Sicherlich aus nachvollziehbaren Gründen: So sorgen die Umwälzungen an den Kapitalmärkten für massive Veränderungen in den Geldbörsen der besonders wohlsituierten Familien. Wenn dann noch tragische Momente wie beim Selbstmord von Adolf Merckle oder bei der Erpressung von Susanne Klatten hinzu kommen, ist das Aufsehen groß. Wenn die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz nun im Boulevard ausbreitet, dass sie von 600 Euro im Monat lebe und Angst vor der Pleite habe, sollte ungeachtet der hinterfragenden Genauigkeit dieser Zahlenangaben vielleicht mal überlegt werden, ob all die Superreichen, wie etwa Forbes sie aufführt, denn auch wirklich so reich sind. Auch beim Merckle-Imperium oder auch früher in der Gruppe von Leo Kirch staunen und wundern sich Laie und Fachmann gleichermaßen, wie schnell Milliardenvermögen verschwinden.
Der Grund könnte daran liegen, dass viele dieser Ranglisten und Einzelschätzungen auf wenig transparenten Daten beruhen. Die Motivation der Superreichen, die entsprechenden Fakten über ihr Vermögen in Umlauf zu bringen, dürfte sich in Grenzen halten, so dass einige harte Recherche vonnöten ist, die Vermögenswerte richtig zu schätzen und auf zu addieren. Doch dazu kommen offenkundige handwerkliche Fehler in der Darstellung.
Denn aussagekräftig können aller Logik nach eigentlich nur Netto-Vermögenswerte sein, sprich die Assets abzüglich der korrespondierenden Finanzschulden. Und dieser Unterschied kann mitunter drastisch sein, wie etwa die Beispiele Merckle oder Kirch dokumentieren. Nur sind diese Daten noch schwerer nachzuvollziehen. So dokumentiert ein Anleger durchaus eine Beteiligung an einer börsennotierten Company, etwa wenn er eine Meldegrenze (etwa 3% des Grundkapitals) übersteigt, doch weiß niemand ob der Anleger dies überhaupt nicht, in hohem Umfang oder am Ende des Tages gänzlich auf Pump gemacht hat.
Gerade bei vielen der großen russischen Oligarchen korrespondierte die drastische Ausweitung der gehaltenen Assets mit einem gehörigen Anstieg der Verschuldung, wie man auch hier jedoch erst im Nachhinein und somit zu spät erfuhr. Die Gefahr einer auf Pump basierten Wachstumsstrategie sieht man jedoch am deutlichsten, wenn die Assets schwinden und die Schulden konstant bleiben. Hierzu könnte sicher beispielsweise Frau Schickedanz, die unter dem drastischen Wertverfall der Arcandor-Aktien litt, ein paar interessante Anekdoten beisteuern.
Doch der Fehler, dass Schulden übersehen oder in der Betrachtung vernachlässigt werden, betrifft nicht nur große Privatvermögen, sondern auch börsennotierte Vehikel. Es ist sehr oft zu lesen, dass Aktie x unterbewertet sei, weil alleine die Beteiligung y mehr wert sei, als der Börsenwert von x ausmache. Dieser Rückschluss ist natürlich aberwitzig, wenn man die Finanzschulden von x außer acht lässt, mit denen vielleicht sogar der Kauf von y finanziert wurde. Doch hier wiederum sorgt der Markt (der halt immer recht hat) für die nötige Transparenz. Am Ende des Tages ist auf dem Parkett noch jede Schuldenblase geplatzt. VW/Porsche ist nur ein Beispiel von vielen.
© 30. Juli 2009/Roger Peeters
*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der "Platow Börse" und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm 'Finde die richtige Aktie - ein Profi zeigt seine Methoden' im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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