Kommentar
12:09 Uhr, 17.12.2008

Das Börsenjahr 2008 hat die Anlagewelt langfristig verändert

Der Blick auf die Performance-Bilanz unserer Zielbörsen auf Seite zwei fällt in diesem Jahr erschreckend aus. Weisen doch alle Indizes mehr oder weniger große Verluste aus. Nun könnten erfahrene Anleger dazu neigen, diese Entwicklung als normal zu bezeichnen. Schließlich geht es an den Börsen mit den Kursen nicht nur aufwärts, sondern manchmal auch abwärts. Doch diese lockere Haltung könnte sich dieses Mal als falsch erweisen. Zwar ist es richtig, dass in der Vergangenheit früher oder später Baissen wieder durch Haussen abgelöst wurden. Aber entscheidend ist die Frage, wie lange es bis dahin dauert. Und dieses Mal könnte es etwas länger dauern, bis die Notierungen wieder die alten Rekordkurse erklimmen. Zwischenzeitliche Kurserholungen, die durchaus deutlich ausfallen können, schließt das natürlich nicht aus. Doch zu einer schnellen Rückkehr zu einem langfristigen Bullenmarkt durfte es so schnell nicht kommen. Zumindest spricht dafür die volkswirtschaftliche Ausgangslage. Im Gefolge der Kreditkrise haben sich immense Probleme aufgebaut, an denen die Weltwirtschaft vermutlich noch lange zu knabbern haben wird. Denn nachdem sich die Probleme zunächst vor allem auf den Finanzsektor erstreckten, hat sich der Virus inzwischen auch auf andere Branchen ausgebreitet. Die Krisensymptome sind zudem nicht nur auf Industrieländer mit einer Blase am Immobilienmarkt beschränkt, sondern werden praktisch überall in der Welt sichtbar. Anders als von vielen Experten erhofft, haben sich die meisten Schwellenländer inzwischen infiziert. Aus der Abkoppelungsthese ist offensichtlich nichts geworden und einige Staaten mussten bereits mit IWF-Hilfsmitteln vor dem Kollaps bewahrt werden. Deutlich wird die schwierige Lage in den Emerging Markets am MSCI-Index, der die Schwellenländer beinhaltet. Dieser ist Inflationsbereinigt auf den tiefsten Stand seit 1989 gefallen. Das bedeutet nichts anderes, als das mit Aktien in dieser Zeit nichts zu verdienen war.

Wer sich dieses Resultat bewusst macht, der sieht die Aktie als Geldanlage in einem neuen Licht. Schließlich wird dadurch die allgemein verbreitete Börsenweisheit in Frage gestellt, wonach die Aktie langfristig die beste Anlageform ist. Aber auch ohne diese ernüchternde Langfristbilanz reicht schon das schwache diesjährige Ergebnis aus, um die Psyche der Aktionäre zu zersetzen. Bei Kursverlusten einzelner Börsen von teilweise mehr als 80 Prozent, ist das auch wenig verwunderlich. Hinzu kommen die Kratzer, welche das System der Marktwirtschaft und des Kapitalismus allgemein abbekommen haben. Allerdings hat das in den meisten Fällen weniger mit systematischen Fehlern zu tun, sondern die Probleme sind vor allem auf menschliches Versagen zurückzuführen. Eine der wichtigsten Bürden stellt dabei die Gier dar. Diese ist aber so eng mit der Natur des Menschen verbunden, dass sie auch in anderen Wirtschaftssystemen immer wieder zum Vorschein käme. Fürs Erste werden wir vermutlich alle kleinere Brötchen backen müssen. Denn es erscheint fraglich, ob mit rekordtiefen Zinsen die Wende bewirkt werden kann. Schließlich waren es genau das historisch tiefe Zinsniveau, das uns die heutigen Probleme in diesem Ausmaß erst mit eingebrockt hat. Und auch die immensen staatlichen Konjunkturprogramme sind durchaus kritisch zu sehen, können sich viele Staaten diese Ausgaben doch eigentlich gar nicht leisten. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass sich Japan in den vergangenen beiden Jahrzehnten nie richtig erholt hat, obwohl das Land auf die Instrumente einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik zurückgegriffen hat. Nur wenn die Weltwirtschaft tatsächlich schon schnell wieder Tritt fassen sollte, besteht die Hoffnung auf eine nachhaltige Trendwende an den Börsen. Mehr als Wunschdenken ist das angesichts der derzeit trüben Nachrichtenlage aber nicht.

Herzlichst, Ihr Jürgen Büttner
Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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