Kommentar
11:29 Uhr, 27.05.2021

Crash bei den Kryptowährungen: Interview mit Krypto-Experte Sascha Huber

Extreme Kurseinbrüche beim Bitcoin, aber besonders auch in der zweiten und dritten Reihe der „Altcoins". Was ist passiert und wie geht es nun weiter? Wir sprachen dazu mit dem Experten für Kryptowährungen Sascha Huber.

Sascha, die Kryptowährungen sind nach einer fulminanten Rally zuletzt massiv eingebrochen. Was waren die Auslöser und sind Sorgen vor einem neuen „Kryptowinter“ berechtigt?

Naja, was – beziehungsweise besser wer – diesen „Crash" ausgelöst hat, hat ja jeder mitbekommen. Elon Musk kündigte per Twitter an, dass Tesla – die erst vor wenigen Monaten 1,5 Milliarden US-Dollar in Bitcoin investiert hatten (allerdings auch schon durch Teilgewinnmitnahmen ihr letztes Quartalsergebnis aufgebessert hatten) – aufgrund von Umweltbedenken vorerst doch keine Bezahlung mit Bitcoin mehr akzeptieren würde. Allein diese News ließen den Bitcoin von rund 58.000 um 12.000 auf rund 46.000 US-Dollar fallen.

Schlimm genug, aber leider erst der Anfang. Denn nach entsprechender Kritik der Krypto-Community deutete Musk dann auch noch wie ein trotziges Kind an, dass Tesla seinen gesamten Bitcoin-Bestand veräußern könnte. Zu guter Letzt hat dann auch China die ohnehin angespannte Situation genutzt und weiter Öl ins Feuer gegossen. Wobei wir den China FUD (Fear, Uncertainty and Doubt) schon kennen. Insofern war das eher nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Zu 90 % geht der „Crash" aber auf die Kappe von Elon Musk.

Obwohl ich Elon Musk eigentlich schätze, scheint er sich bei den Kryptos verrannt zu haben. So kauft er für Tesla zunächst mit Milliardensummen, scheint sich aber erst hinterher darüber informiert zu haben, was er da eigentlich gekauft hat. Zugleich „pusht" er regelmäßig Dogecoin. Ganz abgesehen davon, dass Dogecoin als „Spaß-Projekt" eigentlich keinen großen Wert hat, nutzt dieser auch einen „Proof of Work" Mining-Algorithmus wie Bitcoin. Dass hier viel weniger Energie verbraucht wird, liegt vor allem daran, dass der Dogecoin (DOGE) eben noch nicht annähernd so groß wie Bitcoin ist. Darüber hinaus wird zwar auch ein energieffizienterer Algorithmus genutzt (Scrypt vs. SHA 256 beim Bitcoin). Das bedeutet aber, dass DOGE und andere Coins einfacher angreifbar wären als Bitcoin. Und Sicherheit ist bei den Kryptos das wichtigste Kriterium überhaupt.

Ich wäre sehr froh, wenn sich Elon Musk in Zukunft auf Tesla und SpaceX konzentrieren würde. Zumal man ja auch mal fragen könnte, wie es bei letzterem in Sachen Energieverbrauch und Umweltverschmutzung aussieht. Denn mit Luft und Liebe fliegen die Raketen von SpaceX meines Wissen nach nicht ins Weltall.

Wie schätzt Du speziell die Situation in China ein? Angenommen China schafft es, das Mining komplett zu unterbinden – werden die Miner dann einfach weiterziehen oder siehst du die Gefahr, dass viele andere Staaten nachziehen werden?

Wenn China die Miner attackiert, wäre das tatsächlich das Schlimmste, was sie den Kryptos antun könnten. Denn viele große Miner sitzen nun mal in der Volksrepublik und wenn diese kurzfristig ausfallen, schwächt dies das Bitcoin-Netzwerk extrem. Aber einige chinesische Miner haben zuletzt schon ihren Rückzug angetreten. Grundsätzlich wäre es natürlich ein vorübergehendes Problem, aber eben ein größeres. Denn prinzipiell sind Miner nicht ortsgebunden und können/werden schnell weiterziehen.

Lustig in dem Zusammenhang finde ich, dass kein Geringerer als Peter Thiel vor einigen Wochen die US-Regierung davor warnte, dass man das Mining nicht zu sehr den Chinesen überlassen sollte. Wenn diese sich jetzt selbst ins Knie schießen möchten, bitte. Ich denke aber gar nicht, dass sie das tun. Ein großes Krypto-Portal schrieb kürzlich, dass China bisher nur gebellt, aber nicht gebissen habe. Zwar ist diese Einschätzung richtig, aber man sollte die Kommunisten vielleicht nicht mit derartigen Äußerungen provozieren. Sonst beißen sie noch wirklich zu.

Generell muss man aber sagen, dass die Haltung der Chinesen zu Kryptos nicht wirklich eindeutig ist. So sind Bitcoin und Ethereum dort schon seit 2017 verboten, wobei man dieses Verbot nie restriktiv durchgesetzt hat. Ob man nicht wollte oder nicht konnte? Zudem äußerte sich der chinesische Präsident (auf Lebenszeit), Xi Jinping, noch Ende 2019 dahingehend, dass China die Blockchain-Technologie als wichtige Zukunftstechnologie wirtschaftlich nutzen müsse. Wenn man das so sieht, sollte man vielleicht nicht unbedingt mit Verboten arbeiten.

So hat Indien beispielsweise sein zuletzt geplantes zweites Verbot (auch hier konnte das erste nicht durchgesetzt werden) erst einmal ad acta gelegt. Der Grund: Hätte man das Verbot so eng gefasst, wie es geplant war, hätte man sich der Zukunftstechnologie Blockchain beraubt. Fasst man es jedoch weniger eng, wird es sich am Ende wieder nicht durchsetzen lassen. Schließlich hat es ja seinen Grund, dass Indien innerhalb von zwei Jahren das zweite Verbot plant. Das erste Verbot hat auch hier nicht funktioniert, genauso wenig wie eben in China.

Wie siehst Du generell die Diskussion um die Energieeffizienz von Bitcoin, die nun Elon Musk erneut angestoßen hat? Ist das ein echtes Problem und wenn ja, wie kann es gelöst werden?

Das Problem der Energieeffizienz von Bitcoin ist ein großes Thema. Solche Themen kommen alle Jahre wieder mal auf den Tisch. Grundsätzlich muss man dazu Folgendes sagen: Ja, das Bitcoin-Netzwerk verbraucht zweifellos eine Menge Energie. Aber man muss eben auch sehen, was man im Gegenzug dafür bekommt. Der Bitcoin ist schließlich seinerzeit angetreten, das aktuelle Finanz-, Geld- und Wirtschaftssystem zu ersetzen. Inwiefern er dieses Ziel schon erreicht hat oder erreichen kann, steht auf einem anderen Blatt. Aber das war die Grundidee von „Satoshi Nakamoto".

Dabei war besagter Satoshi im Herzen ein „Grüner". Denn die Deflation hat er in erster Linie deshalb eingebaut, weil er durch diese eine Chance sah, dass sich die Menschen bei ihrem Konsum zurückhalten. Vorbild ist hier die sogenannte technologische Deflation: Es lohnt sich eigentlich nie, sich einen neuen Computer/Laptop oder ein neues Handy/Smartphone zu kaufen, weil es in einem Jahr für das gleiche Geld die doppelte Leistung gibt. Daher nutzt man solche Geräte länger als andere Dinge. Letztlich aber kauft man sie sich irgendwann dann doch neu.

Inwiefern das für ein Wirtschaftssystem gut ist oder nicht, ist eine andere Frage. Auch ich hatte von Anfang an gewisse Bedenken und habe daher auch in eine sehr inflationäre Kryptowährung „investiert", nämlich Quark (QRK). Diese Investition war jedoch, anders als meine Investition in Bitcoin, ein totaler Reinfall. Anscheinend ist es für die Rendite besser, wenn es eine eingebaute Deflation gibt. Logisch, denn bei einem begrenzten Angebot muss eine steigende Nachfrage ja zu steigenden Preisen führen.

Kommen wir aber zurück zum Energieverbrauch. Wenn ich mir anschaue, was unser heutiges Finanz-, Geld- und Wirtschaftssystem so an Energie schluckt, halte ich den Energieverbrauch von Bitcoin für vertretbar. Was nicht heißt, dass man nicht noch besser werden kann. Allerdings weniger im Hinblick auf den Energieverbrauch, denn dazu müsste man den Mining-Algorithmus umstellen. Aber natürlich könnte man nur erneuerbare Energien für das Mining verwenden. Was ja heute schon zu großen Teilen getan wird.

Die Schätzungen belaufen sich hier auf 39 % bis 79 %, was den Anteil „grünes Stroms" beim Mining betrifft. Was eine immer wieder angeregte Umstellung des Minings betrifft, sehe ich diese aber nicht. Zum einen ist das alles andere als trivial, Ethereum macht es gerade und wird wohl zehn Jahre benötigen, bis das Projekt abgeschlossen ist. Zum anderen hat aber auch Proof-of-Stake (PoS) durchaus seine „Nebenwirkungen". So führt dies unweigerlich dazu, dass die Reichen immer reicher werden. Da höre ich dann schon die Linken protestieren.

Besonders im Ethereum-Netzwerk war „DeFi“ – Decentralized Finance – zuletzt das große Top-Thema. User hinterlegen Coins/Token, um z. B. Liquidität für dezentrale Handelsplätze bereitzustellen und erhalten dafür Zinsen. Oder sie hinterlegen Kryptos als Sicherheit für Kredite. Wie wirkt sich eine fortgesetzte Abwärtsbewegung auf diesen Markt aus?

Klar, DeFi war und ist das große Thema bei Kryptos. Aktuell und wohl auch in den nächsten Jahren. Kein Wunder, denn hier kann man wieder Zinsen bekommen. Natürlich gibt es aber keinen Free Lunch und somit gibt es entsprechende Risiken. Je höher die Risiken, die ich bereit bin einzugehen, desto höher auch die Zinsen. Ich denke, dass die heutigen „Kryptorianer" das verstanden haben. Aber wenn immer mehr Neulinge in den Markt drängen, kann das durchaus ein Problem werden.

Solange nämlich alles rund läuft und man seine Zinsen kassieren kann, ist alles gut. Aber wehe, wenn das mal nicht mehr der Fall ist. Dann sind die Neulinge natürlich die Ersten, die enttäuscht sind. Selbstverständlich fassen sich, wie immer, auch die Wenigsten an die eigene Nase, sondern Schuld sind dann die blöden Kryptos. Insofern ist das weitere Wachstum im Bereich DeFi Fluch und Segen zugleich. Solange es rund läuft, ist es ein Segen und treibt die Kurse der Kryptos an. Aber wehe, wenn nicht. Dann kann das zu einem Bumerang werden.

Insofern beobachten wir im TAK (Technologie-Aktien & Krypto Trading-Service) diesen Bereich auch sehr genau. Aktuell sehe ich noch keine gravierenden Probleme, weil es einfach noch kein Massenmarkt ist. In der Spitze lag der sogenannte Total Value Locked (TVL) bei knapp 90 Milliarden US-Dollar. Im Zuge des „Crashs" hat dieser sich auch etwa halbiert. Dies dürfte jedoch in erster Linie eben an der Halbierung der Kurse der meisten Kryptos gelegen haben. Noch sieht der DeFi-Sektor also stabil aus. Ich rechne jedoch damit, dass es hier ein ähnliches Auf und Ab wie bei den Kryptos generell geben wird.

Nur: On the longer run sind die Kurse der Kryptos bisher eigentlich immer gestiegen. Das dürfte auch im DeFi-Sektor nicht anders sein. Die zuletzt gesehenen knapp 90 Milliarden US-Dollar TVL werden hier nicht das Allzeithoch bleiben. Vielmehr rechne ich damit, dass wir auch hier in einigen Jahren die Billion US-Dollar erreichen können und werden. Was für die Kurse der Kryptos tendenziell schon deshalb positiv wäre, weil die im DeFi-Sektor gelockten Kryptos dem Markt entzogen werden, was das ohnehin enge Angebot weiter verknappt.

Was sollen Investierte oder auch Neulinge im Kryptomarkt nun tun? Jetzt schon nachkaufen oder einen noch größeren Einbruch abwarten? Was sind deine drei Top-Coin-Empfehlungen aktuell?

Grundsätzlich ist es bei den Kryptos nicht anders als an anderen Märkten: Die Masse der Anleger strömt in den Markt, wenn die Kurse eher hoch sind. Ich hatte im TAK zuletzt mehrfach darauf hingewiesen, dass ich mich zwar über jeden neuen Abonnenten freue, aber das man ihn besser 2018 abonniert hätte. Denn damals konnte man noch Schnäppchen schießen. Dagegen schrieb ich zuletzt mehrfach, dass wir schon im achten oder neunten Inning sind und die Kurse eher hoch stünden.

Schon im „Krypto Jahresausblick"-Webinar im Januar sagte ich, dass der Mai schwierig werden könnte. Ich gebe aber zu, dass ich mit einem so schwierigen Mai auch nicht gerechnet hätte. Aber gut, die Launen des Elon Musk kann eben niemand vorhersehen.

Doch was sollte man jetzt tun? Nun, nachdem Elon Musk den Markt in Panik versetzt hat, wird dieser eine Zeit lang benötigen, bis er sich wieder beruhigt. Diese Marktberuhigung ist aber essentiell, um den Aufwärtstrend fortsetzen zu können. So wie jedes Haus ein stabiles Fundament braucht, brauchen das auch die Kryptos. Ich rechne daher kurzfristig mit einer volatilen Seitwärtsbewegung, einem Eldorado für Trader. Auf längere Sicht dürfte es jedoch weiter nach oben gehen.

Zwar habe ich langfristig ein Kursziel von einem Cent je Satoshi, aber das wird meines Erachtens noch mehr als zehn Jahre dauern. Generell bin ich kein Fan davon, hohe Kursziele auszurufen und diese dann kassieren zu müssen. Mein letztes Kursziel für Bitcoin lag bei 72.500 US-Dollar. Mit rund 65.000 US-Dollar war die „Mutter aller Kryptowährungen" da durchaus nahe dran. Solange dieses Kursziel aber nicht erreicht wurde, möchte ich kein neues und schon gar kein höheres nennen.

Drei Top-Coins respektive -Tokens zu nennen, ist natürlich immer schwierig. Denn die drei absolut besten unter den tausenden Coins/Tokens wird man kaum treffen – und wenn, wäre es auch eine gehörige Portion Glück. Aber zuletzt zeigte Polygon (MATIC) eine große relative Stärke, so dass man hier bei Kursschwäche sicherlich zugreifen kann. Darüber hinaus mag ich das Ethereum Chinas, NEO, unverändert sehr. Last but not least bleibt Decred für mich der Bitcoin 2.0. Aber gerade zu diesen Ausverkaufspreisen kann man sich einige Coins/Tokens wieder näher ansehen... Wer sich für die weitere Entwicklung am Krypto-Markt interessiert, sollte unbedingt bei meinem Service reinschnuppern!

Hinweis: Dieses Interview erschien zuerst im GodmodeTrader Newsletter.

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15 Kommentare

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  • Mika1978
    Mika1978

    Bitcoin Fear & Greed aktuell: extreme Fear bei 13. Wenn ich Milliarden übrig hätte, dann wüsste ich, was ich jetzt kaufen würde. Bitcoin.

    In 6 Monaten kauf ich mir dann den Lamborghini, oder vielleicht einen gebrauchten Bugatti Veyron, wenn Lamborghini nur noch Elektro im Angebot hat.

    16:13 Uhr, 08.06.2021
  • Mika1978
    Mika1978

    Hätte Buffett in Bitcoin investiert, hätte er sicher ein paar Dollar mehr gehabt. Auch bei aktuellem Kursniveau.

    10:43 Uhr, 07.06.2021
    1 Antwort anzeigen
  • Market Impact
    Market Impact

    Warren Buffet : Bitcoin = Rattengift :)

    10:10 Uhr, 07.06.2021
    1 Antwort anzeigen
  • backwind
    backwind

    @Sascha Huber, Sag mal ich bekomme bei Dekret nur Kurse seit heuer Februar. Ist das so neu oder stimmt hier bei meiner Kursstellung was nicht?

    14:01 Uhr, 31.05.2021
    2 Antworten anzeigen
  • backwind
    backwind

    Ich bin entspannt, habe meine BTCs schon mehr als eineinhalb Jahre und darüber bin ich extrem glücklich ;-)

    13:50 Uhr, 31.05.2021
  • Data75
    Data75

    Die Äußerungen von Personen in Machtpositionen sind auch nicht zu verachten.

    Goldman-CEO Solomon: "Bin extrem vorsichtig bezüglich Bitcoin. Käufer müssen aufpassen."

    JPMorgan-CEO Dimon: "Mein persönlicher Rat ist sich von Kryptowährungen fernzuhalten."

    04:12 Uhr, 28.05.2021
    1 Antwort anzeigen
  • Data75
    Data75

    Schon erstaunlich, dass ein Post einer Person einen Wertspeicher so aus der Bahn wirft. Wenn das Schule macht...

    17:59 Uhr, 27.05.2021
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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