Kommentar
08:14 Uhr, 09.02.2016

Crash an den Märkten: Rudert die Fed zurück?

Die Lage spitzt sich zu, egal, wo man hinsieht. Anleger flüchten in sichere Staatsanleihen und lassen Aktien fallen wie heiße Kartoffeln. Immer mehr vom Rohstoffexport abhängige Länder denken über Notkredite vom Internationalen Währungsfonds nach. Die Währungen der Entwicklungsländer kollabieren.

Kann die Fed da überhaupt die Zinsen weiter erhöhen? Muss sie nicht sogar zurückrudern?

Die Dollaraufwertung der letzten Jahre hat zu einer dramatischen Zuspitzung der Ereignisse geführt. 2015 floss nicht nur einfach Kapital aus Entwicklungsländern ab, es flüchtete regelrecht. In den Jahren 2002 bis 2007 erhöhte sich die Summe der Kapitalzuflüsse von weniger als 50 Mrd. auf über 500 Mrd. pro Jahr. Die Folgen: aufwertende Währungen und ein wirtschaftlicher Boom.

Selbst während der Finanzkrise floss weiterhin Kapital in Entwicklungsländer. Seit 2014 ist das anders. 2014 floss erstmals netto Kapital ab. Die Summe war mit geschätzten 100 Mrd. noch überschaubar. Das kann man vom vergangenen Jahr nicht mehr sagen. Es wurden knapp 750 Mrd. abgezogen. Die Folgen: kollabierende Währungen, hohe Inflation, geringes Wirtschaftswachstum oder Rezession.

Der Kapitalzustrom in den Vorjahren machte je nach Region zwischen 0,5 % und 5 % der jeweiligen Wirtschaftsleistung aus. Wenn nun genauso viel Kapital flüchtet, kann man sich vorstellen, was das mit dem Bruttoinlandsprodukt anstellt. Brasilien befindet sich inzwischen das zweite Jahr in Folge in der Rezession.

Die Dollaraufwertung ist ein Fluch für die Schwellenländer, aber auch für die US Wirtschaft ist die Stärke der Währung alles andere als ein Segen. Im vergangenen Jahr wuchs die US Wirtschaft um 0,5 Prozentpunkte weniger, weil die Importe sehr viel stärker wuchsen als die Exporte. Der starke Dollar raubt den USA effektiv Wirtschaftswachstum.

Besonders bedenklich ist die Entwicklung des Dollar Index (Grafik 1). Dieser bewegt sich in langen Zyklen und hat im aktuellen Zyklus bereits 40 % zugelegt. Das ist genauso viel wie in der Zeit von 1995 bis 2002, allerdings in einer kürzen Zeitspanne. Auch charttechnisch ist die Lage düster. Nachdem der Dollar Index fast das gesamte Jahr 2015 damit zubrachte am langfristigen Abwärtstrend nach unten abzuprallen, gelang der Ausbruch nach oben im 4. Quartal letzten Jahres.

Nachdem der langjährige Widerstand gebrochen ist hat der Dollar zunächst weitere 10 % Luft nach oben. Unterstützt wird diese Möglichkeit von der Aussicht auf weitere geldpolitische Lockerung in der Eurozone und in Japan. Nebenschauplätze sind Großbritannien, Kanada und Australien. Großbritannien wird die Zinsen wohl solange nicht anheben bis die EZB keine weitere Lockerung mehr in Aussicht stellt. In Australien und Kanada hängt alles von den Rohstoffpreisen ab. Solange diese fallen kühlt sich die Wirtschaft dort weiter ab. Zinssenkungen sind eine Möglichkeit diesem Trend entgegenzuwirken.

Die halbe Welt (Entwicklungs- und Schwellenländer) leidet unter dem starken Dollar. Staaten und Unternehmen ächzen unter den Auslandsschulden, die sie in Zeiten aufgenommen hatten, als der Dollar permanent abwertete und die Zinsen im Dollarraum niedrig waren. Jetzt werten die lokalen Währungen ab, sodass die Schulden schwieriger zu bedienen sind.

Durch fallende Rohstoffpreise fehlen vielen Ländern Deviseneinnahmen. Viele hatten zu Zeiten eines schwachen Dollars und hoher Rohstoffpreise Handelsbilanzüberschüsse und dadurch Deviseneinnahmen. Diese fehlen nun, werden aber dringend gebraucht, um Importe und Schulden bezahlen zu können.

Der Internationale Währungsfonds bereitet sich inzwischen auf eine Reihe von Hilfsgesuchen vor. Der IWF geht davon aus, dass viele Entwicklungsländer Notkredite in Anspruch nehmen müssen, wenn die Dollaraufwertung weiter anhält. Die Dollaraufwertung wird vor allem dann anhalten, wenn die Notenbankpolitik weiter divergiert. Lockern EZB und andere Notenbanken weiter, dann strömt Kapital aus diesen Regionen in den Dollarraum. Das wertet den Dollar auf, nicht nur gegenüber dem Euro und dem Yen.

Inzwischen ziehen nicht nur Investoren ihr Geld aus Entwicklungsländern ab, sondern auch die eigene Bevölkerung. Sie versucht ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Das Ganze hat inzwischen eine Eigendynamik entwickelt, die schwer zu durchbrechen ist, insbesondere, weil die US Notenbank die Warnungen anderer Länder konsequent ignoriert.
Der IWF wie auch Notenbanken von Schwellenländern hatten die US Zentralbank gebeten mit der Zinsanhebung zu warten, damit die Verwerfungen (Kapitalflucht) nicht zu groß werden. Nun ist es wohl zu spät, wenn die Fed nicht umdenkt. Für gewöhnlich denkt die US-Notenbank nicht um. Hat sie erst einmal einen Kurs eingeschlagen, dann hält sie beharrlich lange daran fest. Eine Absage der Zinswende sollte man nicht erwarten.
Was die Notenbank tun kann und vermutlich tun wird, ist eine Verlangsamung ihres Zinsanhebungsplans. Hält die Volatilität an den Märkten zu lange an und wertet der Dollar weiter auf, dann schlägt das auch irgendwann auf die Wirtschaft über. Obwohl die USA deutlich mehr importieren als sie exportieren ist die Wirtschaft auch vom Wachstum der Schwellenländer abhängig. Viele US Unternehmen verdienen ihr Geld mit Dienstleistungen, die sie in Schwellenländern anbieten. Auch rüsten US Unternehmen die Rohstoffförderer dieser Welt aus. Je länger die Malaise anhält, desto dramatischer werden die Gewinnrückgänge. Früher oder später führt das zu Entlassungen.

Die US-Notenbank sollte dringend davon absehen die Zinsen wieder zu senken. Die Wirtschaft ist robust genug, um positive Zinsen zu verkraften. Rudert die Notenbank nun zurück, dann führt das zu Fehlallokation von Kapital. Langfristig birgt das größere Gefahren als kurzfristige Volatilität an den Märkten.

Die US Notenbank muss die Zinsen nicht unbedingt sehr viel weiter erhöhen, um Fehlallokationen zu vermeiden. Grafik 2 zeigt die offiziellen Leitzinsen und eine Shadow Rate (Schattenzinssatz). Die Shadow Rate berücksichtigt die Effekte des Anleihenkaufprogramms und liegt daher niedriger und unter 0 %. Die Shadow Rate ist in den letzten anderthalb Jahren von -3 % auf 0 % gestiegen.
Ohne dass die US Notenbank die Zinsen signifikant angehoben hat, haben sich die Bedingungen an den Kreditmärkten deutlich verschärft. Die US-Wirtschaft hat de facto schon einen Zinsanstieg von 3 % hinter sich. Bremsspuren lassen sich bereits erkennen. Die Notenbank muss die Zinsen nicht auf 2 oder 3 % anheben, wie sie selbst für die kommenden Jahre prognostiziert, um Fehlallokation zu verhindern. Ein Anstieg der Zinsen auf 1 % würde absolut ausreichen.

In den letzten Zinserhöhungszyklen hob die Notenbank die Zinsen um 4 Prozentpunkte an. Hebt sie den Leitzins nun auf 1 %, dann hat das den gleichen Effekt. Mehr braucht es eigentlich nicht. Eine Pause in der gelpolitischen Straffung würde guttun, denn durch das Ende des Anleihenkaufprogramms und die Leitzinsanhebung im Dezember stiegen die Zinsen so schnell wie selten zuvor.

Der Markt scheint die Möglichkeit einer Aussetzung der Zinsanhebungen in Betracht zu ziehen. Das sollte in den kommenden Wochen zu einer Entspannung der Lage führen. Der Dollar sollte nicht weiter aufwerten, Rohstoffe dürften wieder steigen und die Währungen von Entwicklungsländern dürften sich stabilisieren. Das verleiht letztlich auch der US Wirtschaft Rückenwind, was die Fed wiederum als Signal für einen weiteren Zinsschritt werten kann - ein Paradoxon, das nicht leicht zu durchbrechen sein wird. Dennoch: auf Sicht von Monaten sollten sich die Märkte, vor allem die der Entwicklungsländer und die Rohstoffmärkte erholen.

Die US Notenbank muss nicht unbedingt zurückrudern. Es reicht, wenn sie die Zinsanhebungen deutlich verlangsamt.

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1 Kommentar

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    Egal ob das Ding Crash oder Kurs-Rakete heißt!!! Fakt ist eins - Gehirn ausschalten und Shorten !!!!!! Es gibt nicht´s schöneres ;)))))


    DAX weiter MEEEGAAAAAAAA-SHORT !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    08:25 Uhr, 09.02.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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