Kommentar
09:02 Uhr, 18.08.2004

Chinas Wirtschaftswachstum lahmt

Die US-Aktienmärkte tendierten in der vergangenen Woche uneinheitlich. So konnten sich der S&P500 und der Dow Jones mit einem leichten Plus von 0,1% behaupten, während der Nasdaq aufgrund seiner Technologielastigkeit um 1,1% nachgab. Die US-amerikanische Notenbank (Fed) hob die Leitzinsen am Dienstag erneut um 0,25% auf aktuell 1,5% an. Als Grund für die jüngste Wachstumsdelle führte die Fed die höheren Energiekosten ins Feld, betonte aber gleichzeitig, dass "die Wirtschaft dennoch weiter Anzeichen für eine stärkere Beschleunigung zeige". Die positiven Unternehmensnachrichten von Dell (+1%) konnten die weniger optimistischen Ausblicke von Cisco (-10%) und Hewlett-Packard (-17%) nicht wettmachen. Die Kurse von Technologieaktien gaben anschließend auf breiter Front nach. Die Einzelhandelsumsätze legten im Juli um 0,7% zu, während die Juni-Zahlen nach oben korrigiert wurden. Daraus lässt sich ableiten, dass die US-Wirtschaft zwar langsamer wächst, sich aber weiter auf Expansionskurs befindet. Unterstützt wurde diese These vom sehr guten Abschneiden des US-Einzelhandelsriesen Wal-Mart (+4%), der im zweiten Quartal über dem Konsens zulegen konnte und das höhere Gewinnergebnis auf die zwar etwas abgebremsten, dafür aber kontinuierlich wachsenden Handelsumsätze zurückführte. Wie das Handelsministerium mitteilte, erlitt die US-Handelsbilanz einen schweren Rückschlag. Steigende Importe von Rohöl und fallende Ausfuhren nach Japan und Europa hatten das Defizit weiter ausgeweitet. Zudem gab der Index der Universität Michigan im August überraschend nach und signalisierte damit ein Nachlassen des US-Verbrauchervertrauens.

Die Kurse japanischer Aktien gingen in der letzten Woche weiter zurück. Auslöser war das lahmende BIP-Wachstum im zweiten Quartal, das um mehr als die Hälfte hinter der Konsensprognose zurückblieb und für Unruhe unter den ausländischen Investoren sorgte. Während der globale Konjunkturaufschwung langsam an seine Grenzen stößt, hat die scheinbare Stärke der japanischen Wirtschaft die Kurse an den Aktienmärkten durch Zukäufe von ausländischen Investoren zunächst steigen lassen. Zweifel an dieser Stärke der japanischen Wirtschaft lässt allerdings das Wachstumsergebnis aufkommen, das sich annualisiert auf magere 1,7% beläuft. Berichte über stagnierende Investitionen einerseits und die Angaben der Unternehmen andererseits, die von einem aktuell hohen Investitionsniveau sprechen, deuten auf eine mögliche Korrektur der BIP-Zahlen nach oben hin. Allerdings bekommt Japan, das fast seinen gesamten Rohölbedarf über Importe decken muss, die Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten zu spüren.

Die europäischen Aktienmärkte gaben in der letzten Woche nach. Das schwache Abschneiden im Technologiesektor wurde durch den anhaltenden Ölpreisanstieg verschärft, der vor allem den Luftfahrtgesellschaften und Chemieunternehmen zu schaffen machte. Getrieben von negativen Nachrichten aus den USA fielen die Gewinnausblicke für die Technologiebranche deutlich schlechter aus, während die Kurse von Unternehmen wie Lufthansa (-5%) und BASF (-3%) unter dem hohen Rohölpreis litten. In Euroland blieb das BIP mit annualisierten 2% (die Prognose lag bei 2,4%) unter den Erwartungen. Die deutsche Wirtschaftsleistung lag hingegen im Plan (ebenfalls 2%). Frankreich übertraf sogar die Prognosen der Analysten mit einem Wachstum von 3,2%, lediglich die französische Industrieproduktion konnte die Juni-Erwartungen nicht erfüllen.

In der Region Asien-Pazifik senkte die südkoreanische Zentralbank überraschend den Leitzins, um die Inlandsnachfrage anzukurbeln. An den Börsen Südkoreas kam es daraufhin zu einem sprunghaften Kursanstieg um 6%. Unterdessen verlor der Index der in Hongkong notierten chinesischen Unternehmen (H-Aktien) 6%, weil vieles darauf hindeutet, dass sich die Konjunktur in China abkühlt. So gingen die Verbraucherpreise im Juli im dritten Monat in Folge zurück. Gleichzeitig wuchs auch das Export- und Importgeschäft weniger schnell.

Die Kurse der meisten Staatsanleihen zogen in der vergangenen Woche an. Grund hierfür sind die rückläufigen Konjunkturdaten, die auf "sanfte" Zinserhöhungen seitens der Fed schließen lassen. Zwar stärkten die schwachen BIP-Daten aus Japan und der Eurozone das Vertrauen der Anleger in die Anleihemärkte, doch gaben die Kurse britischer Staatsanleihen im Zuge des Inflationsberichts nach, der weitere Zinserhöhungen impliziert.

An den Devisenmärkten tendierte der US-Dollar schwächer. Auslöser waren Spekulationen über einen heute anstehenden Bericht des US-Finanzministeriums. So soll der so genannte Treasury International Capital (TIC)-Bericht zeigen, dass nicht genügend ausländisches Kapital in die USA fließt, um die hohen Ungleichgewichte im Zwillingsdefizit auszugleichen. Als Reaktion auf die Verkäufe japanischer Assets durch ausländische Investoren schwächte sich der Yen ebenfalls ab.

An den Rohstoffmärkten kletterte der Preis für die Ölsorte Brent sogar noch höher. Drei Faktoren sind hierfür verantwortlich: die Sabotageakte an Ölpipelines im Irak, die Auseinandersetzungen zwischen Yukos und der russischen Regierung sowie mögliche Lieferengpässe in Venezuela, ausgelöst durch das Abwahl-Referendum gegen Staatspräsident Chavez.

Starke Indikatoren federn Abwärtsrisiken für Wirtschaftswachstum ab

An den Aktienmärkten behalten die "Bären" weiter die Oberhand; man verweist dabei in erster Linie auf die abgeschwächten Konjunkturdaten und lässt positivere Zahlen außen vor. Die Daten der vergangenen Woche lieferten den "Bären" viele gute Argumente: So schloss Japans Wirtschaft das zweite Quartal mit einem enttäuschenden BIP ab, während der dramatische Anstieg des US-Handelsdefizits ein Absenken der Wachstumsprognose im gleichen Zeitraum nahe legt. Unterdessen erreicht der Ölpreis immer alarmierendere Höchststände. Während die Risiken für die Konsensprognosen in puncto Wirtschafts- und Gewinnwachstum nach unten weisen, unterstützen zahlreiche Indikatoren nach wie vor die These, dass sich das Tempo des Wachstums zwar abschwächen, aber keinesfalls völlig zum Erliegen kommen wird. So kann insbesondere Asien starke Handelszahlen vorweisen, die zyklischen Rohstoffpreise haben seit Mitte Juni wieder angezogen (der Preis für Kupfer ist um 10%, der Baltic Freight Index gar um 60% gestiegen) und die Industrie verzeichnete Umfragen zufolge in den Monaten Juli und August wieder höhere Auftragszahlen. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich Anlegern schon bald günstige Gelegenheiten bieten werden, um in zyklische Werte mit attraktiven Bewertungen zu investieren.

Quelle: Merrill Lynch Investment Managers (MLIM)

Merrill Lynch Investment Managers (MLIM) wurde 1976 gegründet und ist mittlerweile eine der größten Investmentfirmen der Welt. Das verwaltete Vermögen beträgt rund 500 Mrd. US-Dollar (per 31. Dezember 2003). Als das Tochterunternehmen für Vermögensverwaltung von Merrill Lynch verfügt MLIM über eine breite Auswahl an prämierten Anlagefonds und umfassenden Einblick in die Märkte.

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