China: Vor einer Flexibilisierung des Renminbi
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1. China hat in den vergangenen Jahren deutlich an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnnen. Das Land hat sich vom Zugpferd Asiens zur Wachstumslokomotive der Welt entwickelt, und zwar als Ex- und Importeur. In den vergangenen Monaten hat insbesondere ein Thema die internationalen Märkte bewegt: die Wechselkurspolitik Chinas. Immer wieder wird gefordert, dass China den Wechselkurs seiner Währung freigibt, weil sie künstlich unterbewertet gehalten wird. Zunächst stellt sich die Frage, ob die Unterbewertung tatsächlich so stark ausgeprägt ist. Ob wir eine Aufwertung der Währung erwarten, und welche Folgen diese hätte, ist ein wichtiger Prognosepunkt. Zudem beschäftigen wir uns mit den Wachstumsaussichten für China.
Zur Währung
2. Ist der Renminbi unterbewertet? Die Tatsache, dass hohe Kapitalzuflüsse nach China stattfinden, lässt darauf schließen, dass die Währung unter hohem Aufwertungsdruck steht. Die Ansichten darüber, ob eine Unter- oder Überbewertung existiert, sind gespalten. Zwar deuten die massiven Stützungskäufe der chinesischen Zentralbank darauf hin, dass aktuell Aufwertungsdruck besteht, allerdings gibt es auch Hinweise dafür, dass der Renminbi sogar überbewertet ist. Viel wichtiger erscheint jedoch die Frage, ob die chinesische Regierung Handlungsbedarf bezüglich des aktuellen Wechselkurses sieht. In einem Gespräch mit dem Internationalen Währungsfonds hat sie die Notwendigkeit für eine Flexibilisierung konstatiert. Diese Einschätzung hat sie beim diesjährigen G7-Treffen in Washington bestätigt. In der Tat spricht im Moment einiges für eine Unterbewertung des Renminbi.
3. Renminbi-Aufwertung: Segen oder Fluch? Vorteile wären in einer tendenziell schwächeren Entwicklung der Importpreise zu sehen. Doch die Preisentwicklung stellt zurzeit aus unserer Sicht keine besondere Gefahr für China dar. Zwar könnte eine Aufwertung des Renminbi den Inflationsdruck reduzieren, aber der wichtige Treiber der Konsumentenpreise, die Nahrungsmittelpreise, würde sich bei einer Aufwertung nicht deutlich ändern. Die Aufwertung würde in erster Linie zu einer Verringerung des politischen Drucks der USA führen und zu einer Entspannung in den Beziehungen zu den Ländern in der Region beitragen, die einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China verhindern möchten. Eine frei floatende Währung kann überdies als Dämpfer im Falle von Schocks vorteilhaft sein. Als wichtigster Nachteil einer Aufwertung ist die Einbuße an preislicher Wettbewerbsfähigkeit zu nennen, was die Exporte und damit die Konjunktur insgesamt belastet. Negativ wirken sich starke Ausschläge des Wechselkurses aus. Dass die politische Führung Chinas eine solche Instabilität fürchtet, mag die bisherige Wechselkurspolitik auch erklären.
4. Was bestimmt die hohen Kapitalzuflüsse nach China?
• Direktinvestitionen: Das Land konnte im vergangenen Jahr mit USD 53,5 Milliarden die USA als größten Empfänger von ausländischen Direktinvestitionen (FDI) ablösen, wobei diese Entwicklung von einem Rückgang entsprechender Investitionen in die USA begünstigt wurde. Seit Anfang des Jahrzehnts verharren die Direktinvestitionen in China stabil auf einem hohen Niveau. Diese erfolgen immer weniger mit dem Ziel einer billigeren Produktion für den Export in die Industrieländer, sondern vielmehr zur frühzeitigen Sicherung von Marktanteilen auf dem wachsenden chinesischen Markt. Somit ist ein Rückgang der FDI auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
• Carry: Der Rückgang des internationalen Zinsniveaus in den letzten Jahren hat ein zunehmendes Interesse der Anleger an China ausgelöst, weil dort immer noch ein relativ hohes Zinsniveau herrscht, und das Wechselkursrisiko begrenzt erscheint. Allerdings sollte dieses Interesse bei einem Anstieg der USZinsen wieder zurückgehen.
• Erwartungen: Die Spekulation auf eine Aufwertung des Renminbi führt verstärkt zu Kapitalzuflüssen, die kurzfristiger Natur sind. Ob sich die Spekulationen in den nächsten Monaten fortsetzen werden, wird von der Entscheidung der chinesischen Zentralbank abhängig sein: Eine Ausweitung des Schwankungsbereichs auf lediglich ±5 % wird den Zufluss von spekulativem Kapital nicht verhindern können, wenn nicht glaubwürdig klar gemacht wird, dass weitere Ausweitungen ausbleiben werden.
Ist ein weiterer Aufbau der Devisenreserven wahrscheinlich? Der Aufbau der Reserven wird sich solange fortsetzen, wie die Notenbank Stützungskäufe vornimmt, um dem Aufwertungsdruck durch Kapitalzuflüsse zu
begegnen. Zum einen wird dies von der Entscheidung der chinesischen Führung hinsichtlich der Wechselkursanpassung abhängen, zum anderen von der allgemeinen Marktlage.
5. Quo vadis Renminbi? Wir glauben, dass es im ersten Halbjahr 2005 zu einem kleinen Schritt in Richtung Flexibilisierung kommen wird. Die Bandbreite für die Bewegung des Renminbi gegenüber dem USDollar dürfte von ±0,3 % um die Parität (bei 8,277 CNY/USD) auf ±5 % ausgeweitet werde. Dies würde zu einer direkten Aufwertung um 5 % führen, da davon auszugehen ist, dass nach einer Vergrößerung des Wechselkursbandes die Devisenmärkte sofort den gesamten Spielraum nach oben ausreizen werden. Dieser Schritt wäre ein Signal des Entgegenkommens gegenüber der internationalen Gemeinschaft, die eine Freigabe der Währung fordert. Gleichzeitig würde dies keine wirkliche Gefahr für die Stabilität Chinas darstellen. Eine begrenzte Aufwertung des Renminbi könnte freilich die Kapitalzuflüsse beschleunigen, wenn der Markt weitere Aufwertungen erwartet. Wir glauben, dass es auch nach der Anpassung der Bandbreite zu spekulativen Kapitalzuflüssen kommen wird. Die sukzessive Beseitigung von Kapitalverkehrsbeschränkungen wird zu einer Stabilisierung der Reservenentwicklung führen. Das aktuelle Niveau der Reserven halten wir aufgrund des hohen Anteils an kurzfristigem spekulativem Kapital (hot money) für gerechtfertigt.
Mittelfristig wird China die Liberalisierung der Kapitalverkehrsbeschränkungen vorantreiben, allein schon aus der Einsicht heraus, dass langfristig eine Kontrolle immer schwieriger wird. Langfristig ist eine Flexibilisierung des Wechselkurses das erklärte Ziel der Regierung. Wir erwarten jedoch keine vollständige Freigabe der Währung in den nächsten Jahren. Diese wird sich vielmehr als langfristiger und vorsichtiger Prozess vollziehen. Der Auslöser für die Entscheidung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit politischer Natur sein. Als wichtigster Grund ist der steigende Druck der USA sowie der südostasiatischen Nachbarländer zu nennen. Die USA werden aufgrund des hohen bilateralen Handelsbilanzdefizits, das im vergangenen Jahr knapp ein Viertel des amerikanischen Handelsbilanzdefizits ausgemacht hat, in den nächsten Monaten erneut Druck hinter den Kulissen ausüben. Eine öffentlich geäußerte Kritik an der Wechselkurspolitik der chinesischen Regierung würde sich kontraproduktiv auf die Entscheidungen auswirken. Solange die Diskussion in der Öffentlichkeit ausgetragen wird, wird sich Peking wehren und keine Änderung der Wechselkurspolitik durchführen. Auch die Aufhebung der Kapitalverkehrsrestriktionen sollte daher mit geringer Außenwirkung durchgeführt werden.
Zu Wachstum, Preisentwicklung und Politik
6. In den nächsten Monaten sollten die wachstumsdämpfenden Maßnahmen der Regierung zu einer Verlangsamung der wirtschaftlichen Aktivität führen. Insbesondere die Kreditvergabe und die Investitionen werden durch die aktuelle geldpolitische Straffung beeinträchtigt. Die Überhitzungserscheinungen werden in den nächsten Monaten nachlassen. Wir rechnen mit einer sehr weichen Landung der Wirtschaft, bei der auf einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 9,0 % im Jahr 2004 weiterhin beachtliche Zuwächse von rund 8 % in den kommenden beiden Jahren folgen.
Das BIP-Wachstum bleibt hoch, wenngleich sich seine Struktur verändern wird: In den nächsten Quartalen tritt ein stärkerer Konsum in den Vordergrund, während sich die Zuwachsraten der Investitionen moderieren, und der Außenbeitrag geringer ausfällt. Die Wachstumsraten der Kreditvergabe sind in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen. Die restriktive Geld- und Finanzpolitik, die in der ersten Jahreshälfte 2004 eingeleitet wurde, hat schon zu einem Rückgang der Überhitzungserscheinungen geführt. Die Anlageinvestitionen, die im März 2004 noch einen Anstieg von 47,8 % yoy verzeichnet hatten, wiesen im Oktober eine vergleichsweise geringe Zunahme von unter 30 % yoy auf. Die Straffung der Geldpolitik wird in den nächsten Monaten noch weiter fortgesetzt werden. Der erwartete etwas stärkere Anstieg des inländischen Konsums sowie die Abschwächung des Wachstums der Industrieländer und das damit verbundene rückläufige Exportwachstum sollten zu einem Abbau von Handelsbilanz- bzw. Leistungsbilanzüberschuss führen.
7. Die Inflation hat Mitte des Jahres ihren höchsten Wert seit 1997 erreicht, bevor sich die Teuerung im dritten Quartal leicht verlangsamte. Im Oktober verzeichneten die Konsumentenpreise einen Anstieg von lediglich 4,3 % yoy und einen Rückgang gegenüber dem Vormonat um 0,9 % mom. Verantwortlich für die kräftigen Preissteigerungen in diesem Jahr waren vor allem die Nahrungsmittel, deren Preise rund 35 % des Warenkorbs ausmachen.
In den nächsten Monaten wird die chinesische Regierung ihre Anstrengungen vermehren, in Zukunft stärkere Anstiege der Nahrungsmittelpreise zu verhindern, insbesondere durch eine Förderung der Getreideproduktion. Preisliches Ungemach droht indes von einer anderen Seite: Die anhaltend hohen Ölpreise machen es wahrscheinlich, dass es bei den Energiepreisen demnächst zu einer Überwälzung der gestiegenen Kosten auf die Endverbraucher kommt. Diese blieb bislang aus.
8. Von politischer Seite ist schließlich bemerkenswert, dass Präsident Hu Jintao mit der Übernahme des Vorsitzes der Militärischen Kommission einen weiteren Schritt in Richtung Ausweitung seiner Machtbasis getan hat. Der politische Übergang in die vierte Generation ist sehr weit vorangetrieben worden, aber noch nicht abgeschlossen. Die Verlangsamung der wirtschaftlichen Dynamik und die Vermeidung eines gefürchteten hard landing werden die Bewährungsprobe für die neue Generation der Kommunistischen Partei sein. Wir gehen von einer Fortsetzung des friedlichen und glatten Übergangs aus. Die Außenpolitik sollte keine großen Schwierigkeiten bereiten. Abgesehen von der Beziehung zu Taiwan und den handelspolitischen Zwischenfällen mit den USA und anderen Ländern rechnen wir nicht mit einer deutlichen Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zu den Handelspartnern.
Fazit: Die Flexibilisierung des Renminbi kommt
9. In der ersten Hälfte des Jahres 2005 sollte die chinesische Regierung die Ausweitung der Schwankungsbreite des Renminbi von ±0,3 % auf ±5 % bekanntgeben. Der Renminbi sollte daraufhin aufwerten. Dies wird den politischen Druck aus den USA und den südostasiatischen Ländern in Richtung einer Freigabe des Renminbi reduzieren. Allerdings sollten die Handelsströme von dieser Maßnahme eher unbeeindruckt bleiben. Die langfristigen Kapitalzuflüsse dürften in den nächsten Jahren aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeutung Chinas hoch bleiben. Jedoch wird China längerfristig im Zuge einer Flexibilisierung der Kapitalverkehrsbeschränkungen einen gegenläufigen Effekt in Form von Kapitalabflüssen aufweisen. Die Straffung der Geldpolitik wird anhalten, mit dem Ergebnis, dass sich keine Überhitzung der chinesischen Volkswirtschaft einstellen sollte. Investitionen und Außenbeitrag werden als Wachstumstreiber vom privaten Konsum abgelöst. Die Inflationsgefahr wird bei weniger Druck von Seiten der Nahrungsmittelpreise geringer, trotzdem bleiben die hohen Rohstoff- und Energiepreise als Risikofaktoren erhalten.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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