China - Vom weltwirtschaftlichen Breitbandantibiotikum zum Krisenvirus?
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Die Geldpolitik versucht die Alternativtherapie!
Lange Jahre galt China als Jungbrunnen der Weltwirtschaft. Doch zeigen sich mittlerweile Risse in der schönen Wirtschaftsfassade. Der Immobilienmarkt hat seinen Zenit überschritten und das Schicksal des Aktienmarkts erinnert an unseren Neuen Markt. Diese negativen Vermögenseffekte über Immobilien und Aktien bedrohen die Konsum- und Investitionsfreude in China. Bereits jetzt steht beim chinesischen Wachstum - nach westlichen Maßstäben - schon längst nicht mehr die Sieben, sondern eher die Vier vor dem Komma. Auch Chinas Anrainerstaaten bekommen die Nachfrageschwäche zu spüren. Auch die Rohstoffländer machen sich mit der neuen Wirtschafts-Sachlichkeit Chinas bekannt: Kanada ist in die Rezession gerutscht und gegenüber Brasiliens Haushaltsdefizit ist Griechenland ein Hort der Stabilität. Bislang konnten die von China ergriffenen, wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen noch keine konjunkturelle Stabilisierung herbeiführen.
Vor diesem Hintergrund zeigt auch die vermeintlich so stabile US-Konjunktur auf den zweiten Blick durchaus Schwächen. Die seit Jahresbeginn im Trend schwachen Auftragseingänge in der US-Industrie sind kein Beweis für ungetrübte Investitionsfreude. Der Frühindikator für Neuaufträge in der Industrie gemäß ISM-Subindex deutet bislang auf keine zukünftige Besserung hin.
Rohstoffe - In Moll-Stimmung
Allein auf Asien entfällt mehr als die Hälfte der weltweiten Nachfrage nach Industriemetallen. Vor allem das konjunktursensitivste aller Industriemetalle Kupfer musste der dortigen ökonomischen Skepsis Tribut zollen. Bislang konnte sich die weltwirtschaftliche Stimmung nicht festigen, auch da die USA kein flächendeckend positives Konjunkturbild zeigen. Insofern ist nur von einer fragilen Erholung der Metallpreise auszugehen.
Vom Jahreshoch Anfang Mai ist Rohöl der Sorte Brent in einen Bärenmarkt zurückgefallen. Der Ölmarkt leidet nicht nur unter einem Nachfrage- sondern ebenso unter einem Angebotsproblem. Ab 2016 wird der Iran wieder an die Energiemärkte zurückkehren. Damit ist der Kampf um Marktanteile vor allem an den Ölmärkten eröffnet: Saudi-Arabien wird über die Beibehaltung seiner hohen Förderquote den Ölpreis niedrig halten, um die neue Konkurrenz fernzuhalten. Deutlich steigenden Ölpreisen ist ohnehin ein Riegel vorgeschoben. Ab Preisen von knapp 70 US-Dollar pro Barrel wird die alternative Ölfördermethode „Fracking“ wieder rentabel.
Die Geldpolitik muss wieder die Lufthoheit über den Börsen-Stammtischen erringen
Die Notenbanken müssen das verunsicherte Kopfkino der Finanzanleger bzw. realwirtschaftlicher Investoren beruhigen. Ansonsten könnte aus einer finanzwirtschaftlichen Mücke schnell ein die Weltwirtschaft zertrampelnder Elefant werden. So war auch die Lehman-Pleite 2008 allein betrachtet nicht schlimm. Erst die Stimmungseintrübung an den Finanzmärkten und der dann ausbleibende Konsum und Investitionen sorgten für die verheerenden Kollateralschäden. Diese gefährlichen Anfänge werden die Notenbanken vorbeugend bekämpfen. Sie werden ihre langjährige Allmacht nicht durch plötzliche Impotenz ersetzen können. Eine verhaltene Weltkonjunktur verträgt keine zins- und liquiditätspolitischen Restriktionen. Im Gegenteil, die aktuelle Rohstoffpreisschwäche sorgt für Deflationstendenzen in den USA und der Eurozone.
Dies verdeutlicht ebenso der ISM-Subindex für bezahlte Preise. Mit einem erneut schwachen Wert von 39 signalisiert dieser weiterhin nicht den geringsten Inflationsdruck. Demnach haben US-Unternehmen offensichtlich große Schwierigkeiten, höhere Preise durchzusetzen. Das ist kein Umfeld, das eine dynamische Zinserhöhungspolitik der Fed rechtfertigt.
EZB - Warten auf QE 2.0
Die EZB ist von den bislang zu beobachtenden Erfolgen des Anleiheaufkaufprogramms ernüchtert. So ist in der Eurozone eher von Deflationierung als Inflationierung zu sprechen. Insofern gibt es keinen Grund für geldpolitische Restriktion. Im Gegenteil, angesichts der Abkühlung in den Schwellenländern und der in der Folge herunter revidierten Projektionen für die Eurozone in puncto Wachstum (2015: 1,4 statt 1,5 Prozent, 2016: 1,7 statt 1,9 Prozent, 2017: 1,8 statt 2 Prozent) und Inflation (2015: 0,1 statt 0,3 Prozent, 2016: 1,1 statt 1,5 Prozent, 2017: 1,7 statt 1,8 Prozent) ist auf der letzten Sitzung der EZB im Dezember sogar eine Ausweitung des Anleiheaufkaufprogramms möglich. Dies gilt umso mehr, als dass sich die gestutzten Prognosen noch als zu optimistisch erweisen könnten. Ende des Jahres, nach nochmaliger Senkung der Wachstums- und Inflationsprognosen und der erneuten Betonung der Abwärtsrisiken, könnte Mario Draghi nicht nur ankündigen, die Anleihekäufe über das geplante Ende im September 2016 hinaus zu verlängern. Um die Wirkung zu erhöhen, könnte die EZB zusätzlich das monatliche Volumen der Anleihekäufe von derzeit 60 Mrd. Euro ausweiten.
Euro - Abwertung abgesagt?
Anhaltende Zweifel an der US-Leitzinswende führten in Kombination mit einer vergleichsweise robusten Konjunkturstimmung in der Eurozone zu einer Befestigung des Euro sowohl zum US-Dollar als auch gegenüber seinen wichtigsten Handelskonkurrenzwährungen. Daneben sorgten Konjunkturängste in Asien und dort mögliche Währungsabwertungswettläufe für eine erste Kapitalrepatriierungswelle zurück in die Eurozone.
China wird jedoch mit planwirtschaftlichen fiskal- und geldpolitischen Instrumenten eine nachhaltige Krise verhindern. Insofern ist zwar nicht mit einer ähnlich massiven Kapitalflucht wie während der Asien-Krise ab 1997 zu rechnen. Allerdings liefern die grundsätzlich vorsichtigere globale Konjunktureinschätzung sowie das unselige Rätselraten, ob und wann die US-Notenbank ihre Leitzinsen erhöht, keine Argumente für eine deutliche Euro-Schwäche. Eher dürfte der Euro gegenüber dem US-Dollar bis Jahresende lediglich auf 1,07 abwerten.
Wechselkurs Euro/US-Dollar und Euro, gewichtet gegenüber wichtigsten Handelswährungen
Aktuelle Marktlage - Deutsche Aktien keine Insel der wirtschaftlichen Glückseligkeit, aber…
Wohl und Wehe deutscher Aktien hängen aufgrund des Globalisierungsgrads der Industrie auch an der Weltwirtschaft. Und diese hat, setzt man die vom ifo Institut ermittelte weltweite Geschäftslage und -erwartungen gemäß den vier Phasen eines Konjunkturzyklus zueinander in Beziehung, im III. Quartal an Kraft eingebüßt und die Boom-Phase verlassen. Denn neben Asien ist selbst die US-Wirtschaft nicht so robust wie immer behauptet wird. Immerhin befindet sich die Weltwirtschaft aber noch in der Aufschwungsphase.
Belastend für die Aktienmärkte wirkt ebenso die Unklarheit über die US-Zinswende. Auf der psychologischen Ebene kommt erschwerend der berüchtigte Crash-Monat September hinzu. Trotz der überverkauften Situation kann die Findungsphase zunächst weiter andauern.
Hilfreich ist aber die Einschätzung, dass der Ausverkauf am chinesischen Aktienmarkt seinen Höhepunkt hinter sich hat. Die ausländischen Großinvestoren dürften ihre Positionen bereinigt haben und die inländischen werden regulativ an Verkäufen gehindert.
Den Aktienmärkten bleibt grundsätzlich das Argument der Liquiditätshausse erhalten. Die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität entspricht dem illusionären Wunsch „Man müsste noch mal 20 sein“. Nicht zuletzt kommen insbesondere deutschen Aktien - vor allem den zyklischen - neben der Liquiditätshausse die günstigen Rohstoffpreise, die zu Margen- und Kaufkraftverbesserungen führen, und das wirtschaftliche Nachholpotenzial der Eurozone zugute. Vor diesem Hintergrund steht der DAX am Jahresende weit oberhalb von 11.000 Punkten.
Anlegerstimmung: Volatilität bietet Kaufgelegenheiten
Insgesamt hat sich die Risikoaversion an den Aktienmärkten zwar markant erhöht. Der VDAX-Volatilitätsindex für die nächsten 30 Handelstage als Risikomaßstab befindet sich auf dem höchsten Niveau seit dem der Euro-Rettung durch die EZB im Sommer 2012. Von Unsicherheitsniveaus wie während der Asien-Krise oder gar der Pleite der Lehman-Bank sind wir jedoch weit entfernt. Anleger sollten ihre regelmäßigen Aktiensparpläne unbedingt weiterführen und Kursrücksetzer unter 10.000 Punkte für Zukäufe nutzen.
Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50: Vor hohen Hürden
Aus charttechnischer Sicht ist der DAX mittelfristig zwar angeschlagen. Aufgrund der extrem überverkauften Lage und der sehr starken Unterstützung um 10.000 Punkte könnte jedoch bald eine kleine Erholung starten. Wird der schwache Widerstand bei 10.125 Punkten sowie der Bereich zwischen 10.050 und 9.900 Punkten verteidigt, könnte eine Erholung schließlich bis zur Barriere bei 10.437 reichen. Darüber warten stärkere Hürden bei 10.653 und 10.800 Punkten. Weiteres Ungemach droht, wenn der Index die Marke bei 9.900 Punkten durchbrechen sollte. Darunter liegen Unterstützungen bei 9.800 und 9.338 Punkten. Werden diese durchbrochen, könnte auf mittlere Sicht der seit 2009 bestehende langfristige Aufwärtstrend einem Test unterzogen werden. Die Linie verläuft derzeit bei rund 8.250 Punkten.
Der Euro Stoxx 50 trifft auf der Oberseite auf die starke Widerstandszone zwischen 3.290 und 3.325 Punkten. Darüber liegen bedeutende Hürden bei 3.417 und 3.473 Punkten. Auf der Unterseite trifft der Index bei rund 3.190 Punkten auf eine schwache Unterstützung, der eine starke Auffanglinie bei rund 2.970 folgt. Das bisherige Jahrestief wurde im Rahmen des Ausverkaufs am 24. August bei 2973,16 Zählern erreicht.
Und was passiert in KW 37?
In den USA bewegen sich die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe grundsätzlich auf niedrigem Niveau. Das von der University of Michigan veröffentlichte Konsumentenvertrauen dürfte sich im September stabilisiert haben.
In der Eurozone spiegeln sich in den Sentix Konjunkturerwartungen für die folgenden 6 Monate zunehmend weltkonjunkturelle Sorgen wider. Im zurückliegenden II. Quartal konnte die Euro-Wirtschaft jedoch ihren zyklischen Erholungskurs fortsetzen.
In Deutschland bleibt abzuwarten, ob Industrieproduktion und Exporte sich von ihrer Delle im Juli erholen konnten.
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