Kommentar
10:33 Uhr, 09.11.2009

China und der US-Dollar bestimmen die künftige Schwellenländer-Performance maßgeblich

Die steigende Korrelation der Kurse an den Schwellenländer- und Rohstoffmärkten gehört zu den bemerkenswertesten Entwicklungen an den globalen Aktienmärkten der letzten Jahre. Dass das Schaubild unten für die Krisenmonate des vergangenen Jahres einen massiven Anstieg zeigt, kommt für uns daher nicht überraschend: alles brach gleichzeitig zusammen, als den Kapitalmärkten Geld entzogen wurde. Der anhaltende Anstieg des Korrelationskoeffizienten im Verlauf dieses Jahres hingegen verdient nähere Betrachtung.

Wir haben bei der Betrachtung der Schwellenländer schon immer zwei Gruppen unterschieden: Märkte, die von steigenden Rohstoffpreisen profitieren (die Rohstoffexporteure), und Märkte, die unter steigenden Rohstoffpreisen leiden (die Rohstoffimporteure). In den 1990er Jahren, als die Rohstoff importierenden Tigerstaaten Asiens den globalen Schwellenländerindex (GEM-Index) dominierten, waren steigende Rohstoffpreise für die Anlageklasse als Ganze nicht grundsätzlich erfreulich. Die Wachstumsaussichten in den USA und Europa bestimmten die Rohstoffpreise. Natürlich waren bessere globale Wachstumsaussichten auch positiv für den Welthandel, und die asiatischen Tigerstaaten profitierten vom höheren Exportwachstum. Doch innerhalb der Schwellenländermärkte bestand ein klarer Unterschied zwischen rohstoffreichen und rohstoffarmen Ländern.

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Aus der Grafik oben ist abzulesen, dass die Wechselwirkung zwischen Rohstoffen und dem GEM-Universum insgesamt dramatisch zugenommen hat. Unseres Erachtens sind hierfür zwei Faktoren verantwortlich: zum einen die steigende Bedeutung Chinas für das weltweite Wachstum und besonders für das Wachstum der Schwellenländer und zum anderen die Nullzinspolitik in den USA, aufgrund derer der US-Dollar zur Finanzierung der globalen Carry Trades die Währung der Wahl geworden ist.

Während die USA und Europa noch mühsam die ersten Schritte in Richtung Erholung tun, erreicht China schon fast wieder Vorkrisen-Wachstumsniveaus. Dank seiner schnell steigenden Nachfrage nach Rohstoffen und seiner wirtschaftlichen Vorrangstellung in Asien ist China zum wichtigsten Wachstumsmotor der sich entwickelnden Welt geworden. Die wiederum liefert mittlerweile einen entscheidenden Beitrag zum globalen Wachstum (vergl. Abbildung unten). Wenn also die chinesische Nachfrage den größten Teil der Rohstoffpreisänderungen erklärt und das chinesische Wirtschaftswachstum der wichtigste Motor für das Wachstum in den Schwellenländern und der Welt ist, überrascht es nicht, dass die Korrelation zwischen den Kursen von Emerging Market-Aktien und Rohstoffen so stark gestiegen ist.

Die enge Wechselwirkung zwischen Schwellenländeraktien und Rohstoffen, die wir derzeit beobachten, erklärt sich sowohl aus unserer heutigen wirtschaftlichen Realität als auch aus den positiven Erwartungen für das künftige Wachstum Chinas. Anleger, die die jüngsten Wachstumstrends in China in die Zukunft extrapolieren und in den USA und Europa über mehrere Jahre hinaus ein niedriges Wachstum erwarten, stützen sich bei ihrer Entscheidung für Anlagen in den Schwellenländern vor allem auf das chinesische Wachstumswunder.

Wenn also in China etwas schief geht, bestehen kaum noch Gründe für ein weiteres Emerging Market-Engagement. Es liegt uns fern, Anlegern, die die Entwicklung in China optimistisch einschätzen, von Anlagen in den Schwellenländern abzuraten. Ganz im Gegenteil. Wir gehören auch zu jenen, die China in den nächsten Jahren ein schnelles Wachstum vorhersagen. Wichtig ist uns nur die Feststellung, d, dass globale Schwellenländeraktien immer stärker auf die Entwicklung Chinas reagieren.Die zweite Erklärung für die enge Korrelation zwischen den Rohstoffen und den Emerging Market-Aktien liegt im US-Dollar. Sowohl die Rohstoffpreise als auch der GEM-Aktienindex lauten auf US-Dollar. Daher ist es ohnehin naheliegend, dass sich beide bei starken Bewegungen des US-Dollars ähnlich verhalten. Doch durch die Nullzins-Geldpolitik der US-Notenbank reagieren Risikowerte künftig womöglich noch sensibler auf US-Dollarschwankungen.

Der globale Carry Trade wird mittlerweile hauptsächlich über US-Dollar finanziert. Und die Vermutung, dass die US-Zinsen in den nächsten Jahren nur langsam steigen, während die Zinsen in den globalen Schwellenländern bereits in den nächsten Quartalen erhöht werden müssen, macht den Carry Trade sogar noch attraktiver. Daher wird der US-Dollar nach unserem Dafürhalten weiter abwerten, wenn hochrentierliche Schwellenländerwerte und Rohstoffpreise (die so stark mit dem Schwellenländerwachstum verbunden sind) im Wert steigen.

Die hohe Korrelation zwischen Schwellenländer-Aktienerträgen und Rohstoffpreisänderungen ist Ausdruck des dominanten Einflusses Chinas auf das globale Wachstum und wurde durch billiges Geld aus der Nullzins-Politik der US-Notenbank noch verstärkt. Weiß man dies, fällt es nicht schwer, die zwei größten Risikofaktoren für die Schwellenländer-Aktienmärkte zu identifizieren: ein unerwartetes Ereignis in China, das die Wachstumsaussichten des Landes ernsthaft beeinträchtigt, und überraschend schnelle und aggressive Zinserhöhungen in den USA.

Fazit:

Die Aktienrallye in den Schwellenländern dauert nun schon acht Monate, und sie ist nach unserem Dafürhalten noch nicht zu Ende. Dafür haben die Emerging Markets einfach viel bessere Wachstumsaussichten als die etablierten Industrienationen. Gleichzeitig scheinen uns die Bewertungen an den Schwellenländermärkten noch nicht überteuert. Für uns sind vor allem das globale Liquiditätsumfeld und die zunehmende Attraktivität des Carry Trades Garanten für anhaltend gute Aktienerträge in den Emerging Markets.

Dass Schwellenländeraktien vornehmlich dank der attraktiven Wachstumsaussichten der chinesischen Wirtschaft zulegen, raubt uns nicht den Schlaf. Denn wir sind zuversichtlich, dass letztere auch in den kommenden Jahren schnell wächst. Vor 2015, wenn der Anteil der arbeitenden Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung seinen Höhepunkt erreicht, ist vermutlich nicht mit ernsthaften demographischen Problemen zu rechnen.

Hingegen beunruhigt uns, dass dank der extrem expansiven US-Geldpolitik immer mehr Anlagen in Risikowerte über den Carry Trade finanziert werden. Eine negative geldpolitische Überraschung in den USA kann unseren Märkten dadurch sehr schaden. Bisher ist die US-Wirtschaft zu schwach, als dass die US-Notenbank schon bald an Zinserhöhungen denken könnte. Doch der Erfolg des Carry Trade und zunehmende Hinweise auf Übertreibungen an den Finanzmärkten könnten die Fed etwas eher zu Maßnahmen zwingen, als die Märkte derzeit erwarten.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

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