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10:00 Uhr, 23.01.2008

China: Überhitzende Konjunktur wird zur Bürde

Was volkswirtschaftlich los ist in China, wurde bereits angedeutet. Das Geschehen wird geprägt von einem überaus dynamischen Wirtschaftswachstum. Nach ersten inoffiziellen Schätzungen stieg das Bruttoinlandsprodukt 2007 um 11,5 Prozent. Das ist so schnell wie seit 1994 nicht mehr (zum noch besseren Verständnis: in den vergangenen 25 Jahren hat das Land im Schnitt ein BIP-Plus von 9,5 Prozent aufzuweisen) und die Früh- und Stimmungsindikatoren deuten auf reichlich konjunkturellen Schwung zum Jahreswechsel hin: Der OECD-Frühindikator für China stieg in den vergangenen Monate wieder an, und das Konsumentenvertrauen liegt aktuell nur knapp unter dem Vierjahreshoch vom Juni 2007. Als ein Nebeneffekt dieser Entwicklung beliefen sich die Devisenreserven Ende 2007 auf 1,53 Bill. Dollar. Das sind 461,9 Mrd. Dollar mehr als noch vor einem Jahr und absolut gesehen die weltweit größten Devisenreserven.

An einigen der zuvor genannten Daten lässt sich unschwer erkennen, dass die von der Regierung und der Zentralbank eingeleiteten Maßnahmen zur Vermeidung einer konjunkturellen Überhitzung bislang kaum Wirkung gezeigt haben (dies hat auch damit zu tun, dass seit zwei Jahren auf Sparguthaben Zinsen gezahlt werden, die deutlich unter der Inflationsrate liegen). Bei der Unicredit rechnet man in diesem Jahr nur mit einer Konjunkturabschwächung auf knapp zehn Prozent und für 2009 wird dann mit einem BIP-Wachstum von acht Prozent gerechnet. Die chinesische Regierung selbst peilt für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von acht Prozent an. Um diesen Rückgang zu erreichen, werden vermutlich weitere bremsende Maßnahmen nötig sein. Unter Druck kommen die Verantwortlichen auch durch die anziehende Inflation. Während man lange Zeit eher gegen deflationäre Tendenzen ankämpfte, ist in diesem Jahr die Preisspirale etwas in Gang geraten. So dürften die Verbraucherpreise im Vorjahr um 4,8 Prozent angezogen sein und die Regierung rechnet auch für 2008 immerhin mit einer Teuerungsrate von 4,6 Prozent. Ob dieses Ziel allerdings erreicht werden kann, steht in den Sternen. Das starke Wachstum der breit gefassten Geldmenge M2 im Dezember von 16,72 Prozent und von 18,45 Prozent im November lassen Zweifel berechtigt erscheinen. Und die Inflation belief sich im November auf 6,9 Prozent. Das war so hoch wie seit elf Jahren nicht mehr.

Im Rahmen der Inflationsbekämpfung wurden bisher neben einer mehrfach verschärften zinspolitischen Gangart (diese soll 2008 noch weiter verschärft und der Mindestreservesatz für Geschäftsbanken sowie die Sätze für Ausleihungen und Einlagen weiter angehoben werden) auch beschlossen, die Preise von Ölprodukten, Naturgas und Strom einzufrieren sowie eine Reihe von Lebensmittelpreisen zu regulieren. Zudem drohen künftig Unternehmen härtere Strafen, die der illegalen Preissetzung, Preisabsprachen mit anderen Firmen oder der Hortung von Gütern überführt werden. Das sind typische Maßnahmen, die Regierungen bei Preisanstiegen beschließen. Und was jetzt noch fehlt, um den Reigen abzuschließen, sind Schuldzuweisungen an Kräfte außerhalb des Landes. Letztlich wird man aber auch in China nicht umhin kommen, wirklich geeignete Maßnahmen einzuleiten. Dazu zählt neben staatlichen Ausgabenbegrenzungen auch eine Aufwertung der Landeswährung Renmimbi. Hätte dies neben den damit verbundenen Bremswirkungen auf den Export auch noch den schönen Nebeneffekt, dass sich dadurch die Importe verbilligen würden.

Die zu erwartenden Bremsversuche bergen aber natürlich auch gewisse Risiken. Es besteht die Gefahr einer Übersteuerung, zumal die Feinjustiz auch durch die schwammigen weiteren Konjunkturaussichten in Amerika erschwert wird. Das Ganze ist auch deshalb ein Drahtseilakt, weil die Aktien- und Immobilienpreise auf dem Festland als überhitzt bezeichnet werden müssen. Das ist, wie die Unicredit in einer Ausarbeitung anmahnt, auch deshalb ein Problem, weil die angesichts der überschießenden Nahrungsmittelpreise ohnehin schon aufgebrachte Bevölkerung dann zum unkalkulierbaren politischen Risiko werden könnte. Gerade im Jahr der Olympischen Spiele in Peking wird die Regierung aber alles daran setzen, Schwierigkeiten zu vermeiden und das Land in einem möglichst glänzenden Licht der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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