Kommentar
09:55 Uhr, 18.02.2016

China boomt weiter!

Weltweit herrscht in Bezug auf die chinesische Wirtschaft Untergangsstimmung. Davon scheinen Chinesen selbst wenig mitzubekommen. Sie sind guter Laune.

Chinas Wirtschaft ist nach wie vor auf Expansionskurs. Das glaubt zwar niemand mehr, doch das ändert nichts an der ökonomischen Realität. Ebenso wie Marktteilnehmer vor 2015 an eine immerwährende Beschleunigung des chinesischen Wachstums glaubten, glauben sie nun an eine tiefe Wirtschaftskrise. Beides sind Übertreibungen. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.

Den offiziellen Daten nach wächst und gedeiht China. Grafik 1 zeigt das nominale Wirtschaftswachstum (vor Inflationsbereinigung). Dargestellt ist auch das Wachstum der Konsumausgaben. Dieses Wachstum liegt aktuell über dem Wirtschaftswachstum. Das ist genau das, was die Regierung will, denn die Wirtschaft soll weniger von der Produktion und dem Export und mehr vom Binnenkonsum angetrieben werden.

Das überdurchschnittliche Konsumwachstum ist notwendig, um den Anteil des Konsums an der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Der Anteil der Konsumausgaben an der Wirtschaftsleistung ist seht Jahrzehnten rückläufig. Zu Beginn der Datenreihe 1960 lag der Anteil bei knapp 50 % und stieg zeitweise auf über 65 %. Danach ging es kontinuierlich bergab.

Der niedrigste Wert, der bis dato gemessen wurde, lag bei 35,3 % im Jahr 2009. Seither stabilisiert sich der Anteil und kann leicht zulegen. Die Stabilisierung ist ein erster Schritt, doch das reicht nicht aus, um die Wirtschaft tatsächlich umzustellen. Dafür braucht es höheres Konsumwachstum.
Geht man nun davon aus, dass die Umstellung des Wirtschaftsmodells wirklich funktioniert, dann ist das für die Welt eine große Chance. Kaum eine Bevölkerung konsumiert so wenig wie die Chinesen. Würde China so viel konsumieren wie der internationale Durchschnitt (60 % der Wirtschaftsleistung), dann sind das beim aktuellen Bruttoinlandsprodukt 2,5 Billionen Dollar höhere Konsumausgaben. Wenn jemand in der Welt auf einmal um 2,5 Billionen Dollar (3 % der Weltwirtschaftsleistung) mehr konsumiert bleibt das wohl kaum unbemerkt. Gelingt der chinesischen Führung die Neuausrichtung der Wirtschaft kann das zu einem globalen Aufschwung führen.

Noch ist es nicht soweit und das Vertrauen in die offiziellen Daten ist ohnehin nicht sehr hoch. Wer kann schon sagen, ob Chinesen wirklich mehr konsumieren?

Mit Sicherheit kann man nicht sagen, ob sich China wirklich auf einem guten Weg befindet. Das Konsumentenvertrauen gibt jedoch einen Anhaltspunkt. Sind Konsumenten gut gelaunt, dann ist es unwahrscheinlich, dass der Konsum zusammenbricht. Grafik 2 zeigt das Konsumentenvertrauen für China, einmal von der OECD erhoben, einmal von MNI Westpac. Das Vertrauen in den OECD Ländern ist relativ robust und kann seit 2011 steigen. In China bewegt es sich im gleichen Zeitraum volatil seitwärts.

Die OECD und MNI Daten sind auf der konservativen Seite. Das globale Konsumforschungsinstitut Nielsen führt eine eigene Erhebung durch. Dieser Erhebung nach ist die Lage sehr viel besser als in Grafik 2 dargestellt. Das Konsumentenvertrauen ist demnach seit Mitte 2014 stabil und liegt höher als in der Periode von 2005 bis 2011.

Wenn sich nicht alle privaten Erhebungen, die nichts mit offiziellen Daten aus China zu tun haben, vollkommen irren, dann geht es der chinesischen Wirtschaft gut und die Neuausrichtung der Ökonomie geht ihren Gang. Die Wahrnehmung ist im Ausland eine ganz andere. Hier wird vor allem der Schuldenberg gesehen und eine Abschwächung der Industrieproduktion.

Es wird vergessen, dass es ja genau der Plan der Regierung ist die Produktionskapazität nicht weiter zu erhöhen. Es wäre äußert kontraproduktiv, wenn China die Kapazitäten weiter ausbauen würde. Bleiben die Kapazitäten konstant und wird mehr konsumiert, dann löst sich auch das Problem der Überkapazität mit der Zeit. Die Überschuldung vieler Unternehmen kann so gelöst werden.
Unternehmen haben sich verschuldet, um Produktionskapazitäten aufzubauen, die keiner braucht. Nun sitzen Firmen auf Schulden für Anlagen, die keine Rendite bringen. Setzt sich das Konsumwachstun hingegen fort, dann steigt die Auslastung der Kapazität und die Notwendigkeit für großangelegte Kreditausfälle wird kleiner.

Der chinesische Konsument kann und muss das Land retten. Die Konsumenten haben die geringste Verschuldung und eine absurd hohe Sparquote. Die Gesamtersparnisse der Bevölkerung werden auf 20 bis 25 Billionen Dollar geschätzt. Stellt man das der Verschuldung von Staat, Unternehmen und Bürgern von 28 Billionen gegenüber, dann wirkt der Schuldenberg schon wesentlich weniger bedrohlich, den das Land angehäuft hat.

Es ist vollkommen klar, dass China nicht scheitern darf. Das würde die Welt in eine Krise stürzen. China hat allerdings die Mittel die Wirtschaft neu auszurichten und kann dabei für einen globalen Boom sorgen. Die Angst vor einem Kollaps ist maßlos übertrieben. Auch die Überinterpretation der Handelsdaten sind am Thema vorbei.

Zu Jahresbeginn gaben die Exporte und Importe stärker nach als erwartet. Das hat zunächst für Unruhe gesorgt. Wieso aber ist das beunruhigend, wenn sich China vom Wirtschaftsmodell „Werkbank der Welt“ weiterentwickeln will? Auch ein Rückgang der Importe Chinas muss nicht problematisch sein. China ist immer weniger auf Importe angewiesen. Es ist ja nicht so, dass China nicht auch selbst Smartphones, Computer und Autos herstellen könnte...

Man kann jeden Datensatz interpretieren wie man will. Man kann immer etwas Positives oder etwas Negatives finden. Derzeit wird in Bezug auf China alles in ein negatives Licht gerückt. Das ist verständlich, denn die Intrasparenz des Regimes macht Vertrauen unmöglich. Das rechtfertigt allerdings nicht die absolute Einseitigkeit der Berichterstattung über die chinesische Wirtschaft. Ich vermute, dass das Bild, welches von China kreiert wird, sehr weit von der Realität entfernt ist.

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11 Kommentare

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  • Karl55
    Karl55

    Sehr guter Artikel!

    07:07 Uhr, 19.02.2016
  • tschak
    tschak

    Einfach & genial! Auf den Punkt gebracht - wie immer! Vielen Dank für den kompakten Artikel.

    19:22 Uhr, 18.02.2016
  • 21d15
    21d15

    9300 morgen 16 Uhr

    18:46 Uhr, 18.02.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Trendcoach
    Trendcoach

    Super Artikel ! Ich halte die Hysterie um den "China Crash" auch für übertrieben.

    Viele scheinen den Zusammenbruch Chinas aus politischen oder ideologischen Gründen herbei zusehnen. Das hat mit der Realität nicht viel zu tun, denn auch wenn das Wirtschaftswachstum zurück geht, so liegt es für europäische Verhältnisse immer noch in unerreichbaren Höhen.

    Wenn es tatsächlich zu einer hard landing in China kommt, wäre das speziell für die deutsche Wirtschaft eine Katastrophe, denn die mega Gewinne der Auto und Chemie Konzerne wurden zum großen Teil in China gemacht. Nur mit RWE, Telecom und den Banken als Zugpferde würden wohl erheblich tiefere Kurse im DAX drohen.

    Vielen Dank für Ihren differenzierten Artikel !

    11:27 Uhr, 18.02.2016
  • netzadler
    netzadler

    Konsum ist zum Teil sinnlos.

    Sie sagen es ja selbst, es muss konsumiert werden, sonst... genau, das Wirtschaftswachstum muss hochgehalten werden, das kann kein Selbstzweck sein.

    beim Konsum klettern wir in der bedürfnispyramide immer weiter nach oben. das BIP muss sich auf der bedürfnispyramide so verteilen, dass es eine Pyramide bleibt...es sei denn der mensch wird manipuliert ala matrix

    10:10 Uhr, 18.02.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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