Kommentar
14:23 Uhr, 21.07.2009

Chico: WAS ist DAS ?

Erwähnte Instrumente

Wieso steigen die Indizes plötzlich so schnell, so stark und so durchgehend? Habe ich irgendetwas verpaßt ? Die bisher veröffentlichten Ergebnisse der Earnings Season sind so bombastisch gut doch gar nicht ausgefallen.

Weygand: Aufgrund der Impulsivität und Explosivität der Kursanstiege kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Short Squeezes handelt.

Chico: Was ist das ?

Weygand: Bei einem Short Squeeze handelt es sich um Zwangseindeckungen von Shortsellern. Als Shortseller spekulierst du auf fallende Kursnotierungen. Dies geschieht entweder direkt, indem du Aktien, Devisen oder aber Indizes und Rohstoffe über Futures in Erwartung fallender Kurse verkaufst, um sie später zu günstigeren Kursnotierungen zurückkaufen zu können. In Deutschland ist das indirekte Shortselling über Optionsscheine und Hebelzertifikate sehr beliebt. Dabei führt der Emittent den eigentlichen Leerverkauf durch, da er diese Zertifikate hedgen muß.

Wenn es nun wider Erwarten zu steigenden Kursen kommt, muß der Shortseller seine zuvor leerverkauften Positionen am Markt wieder zurückkaufen. Die Heftigkeit der Kursanstiege der letzten 1-2 Wochen ist ein Zeichen dafür, dass sehr viele Shortseller unterwegs waren. Es zeigt, dass im großen Stil auf fallende Kurse spekuliert wurde. Es zeigt sicherlich aber auch auf, dass mit hohen EInsätzen leerverkauft wurde. Je schneller die Kurse steigen, desto mehr Shortseller decken ihre Positionen und treiben damit die Kurse nach oben.

Anbei die Kursverläufe von DOW Jones, DAX und Nasdaq100.

In den Medien werden die Kursgewinne damit erklärt, dass die bisher präsentierten Quartalsergebnisse überraschend gut ausgefallen seien. „Die Leute entwickeln wieder Appetit auf Risiko“, erklärt UBS-Stratege Brian Kim. Bereits in der vergangenen Woche hatten 71 Prozent der berichtenden US-Großunternehmen besser als erwartet abgeschnitten.

Der zweite Motor des Aktienaufschwungs sind die Meldungen von der Konjunkturfront, die sich zunehmend aufhellen. Der gestern gemeldete US-Frühindikatoren-Index setzte im Juni seinen Anstieg fort, den dritten Monat in Folge. Diesmal gab es ein Plus von 0,7 Prozent, mehr als erwartet. „Die Zahlen signalisieren einen Wendepunkt,“ kommentierte James O’Sullivan, Volkswirt bei UBS Securities, der US-Investment-Tochter der Schweizer Großbank. „Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Die Rezession wird in diesem Quartal zu Ende gehen, so O’Sullivan.

David Kostin, Marktstratege bei Goldman Sachs hob das Jahresendziel für den S&P 500 auf 1.060 Punkte an (vorher: 940). Das bedeutet einen Anstieg von 15 Prozent. Kostin glaubt, dass die sich jetzt abzeichnende Verbesserung der Unternehmensgewinne eine Rallye verursacht. Am Jahresanfang hatte der Stratege noch ein Ziel von 1.100 Punkten ausgerufen, senkte es aber am 26. Februar auf die besagten 940 Punkte.

Hier der O-Ton aus einer aktuellen institutionellen Researchstudie von Goldman Sachs:

"

1. Breaking the range. We have experienced the brief euphoric one-month “pop” phase
of the typical equity market recovery from a bear market low (27% rally from 667 to 850),
endured the characteristic several-month long range-bound “stall” period (10% range
from 850 to 940), and now we anticipate a more extended “sustained rally” in the US
equity market during the second-half of 2009 (13% gain to our new year-end target of 1060).

2. We are increasing our year-end 2009 price target for the S&P 500 to 1060 from 940
reflecting a potential price return of approximately 13% from current levels. To put our
price target in context, a S&P 500 return of 13% over six months would be in-line with the
14% mean return during the six-month long “sustained rally” recovery periods after the
five bear markets since 1970. Viewed from different perspective, the mean 6-month return
for the S&P 500 using all data since 1950 has been 4%. A 13% return over six months
would be 0.8 standard deviations above the mean and rank in the 80th percentile. Looking
back to the start of 2009 when the S&P 500 traded at 903, a potential year-end closing price
of 1060 would represent a 17% annual return and place the current year in the 71st
percentile of annual returns over the past 60 years. Recognize, of course, that 2008’s return
of -38% ranked in the 1st percentile of annual returns since 1950.

3. We are raising our 2009 and 2010 operating earnings estimates for the S&P 500 to
$52 (from $40) and $75 (from $63) reflecting year/year growth of 5% and 45%,
respectively. The $12 per share increase in our profit forecast for each of the next two
years stems primarily from a lower estimate of provisions and write-downs in the
Financials sector. We now assume provisions and write-downs total $17 per share in 2009
and $6 in 2010 compared with our previous assumptions of $23 and $8, respectively.
Measured on a pre-provision and pre-write-down basis our estimates are $69 and $81. The
S&P 500 currently trades at 940 or 12.5x our 2010 operating EPS estimate or 11.6x our preprovision
and pre-write-down EPS estimate.

4. We are widening our recommended sector tilts to reflect our view that average
correlation of sector and stock returns will continue to decline from their record-high
levels in 2008. Falling correlation means return dispersion will rise and investors should
move further away from the benchmark. At the sector level, we encourage investors to
overweight Cyclicals (energy, Materials, Financials, Information Technology, and
Industrials) and underweight Defensive sectors (Consumer Staples, Health Care, Telecom).

5. At the thematic level, we favor stocks with high operating leverage that will benefit
most from any improvement in top-line sales. We recommend buying 24 stocks in our
high operating leverage basket and selling a similar basket of low operating leverage
stocks (Bloomberg: vs. ). We also prefer firms with high sales
exposure to Brazil, Russia, India and China where we expect faster economic growth
than in the US during 2009 and 2010. We recommend our 50-stock basket of US firms
with the highest percentage of sales to the BRICs (Bloomberg: ). We are
closing our dividend growth trade given its more defensive nature .

6. The US economic backdrop represents the most significant risk to our equity
market forecast. Although the current outlook is for below-trend growth through 2010, the
risk of a double-dip recession is significant. As noted in the US Economics Analyst What to
make of the Fed’s upbeat 2010 view? (July 17, 2009), five factors continue to weigh on
final demand: (1) higher savings; (2) falling wage growth; (3) the overhang of houses and
capacity; (4) state and local budget cutbacks; and (5) fading federal stimulus. Each one of
these items represents a serious headwind and collectively these various pressures
suggest that any upturn in demand is likely to be extremely weak. Although earnings,
valuation, and money flow offer support to our view that the S&P 500 will experience a
more sustained rally during the second-half of 2009, the fourth pillar of our analysis — the
US economy — is the shakiest part of the foundation."

Chico: Irgendwie werden mir momentan wieder zuviele der prominenten Marktbeobachter zu bullisch. Auch Roubini, der Dauerbär, äußert sich urplötzlich positiv.

Er sieht ein Ende der wirtschaftlichen Talfahrt. „Die vielen staatlichen Finanzhilfen wirken“, sagte Roubini in einem Interview mit dem Handelsblatt .„Wir stehen vor einer Bodenbildung, haben die allerdings noch nicht erreicht.“

Der Professor an der Stern School of Business der New York University rechnet aber nicht damit, dass die Nachfrage vor Jahresende anzieht. Die Erholung werde dann eine geringe Dynamik haben.

In Europa erwartet Roubini, der als Einziger die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise frühzeitig vorhergesagt hat, für die nächsten Jahre ein Wachstum von maximal einem Prozent. Die Staaten in Europa stellten zu wenig Geld bereit, kritisierte Roubini. „Besonders Deutschland könnte mehr Steuergeld investieren“, fordert er.

Das Land könnte es sich leisten, tue es aber nicht aus Angst, das falsche Signal für die schwächeren Nachbarn auszusenden. „Länder wie Griechenland, Italien, Portugal oder Spanien würden aber so einen Stimulus aus Deutschland am meisten brauchen“, sagte der Ökonom.

Eine wesentliche Gefahr liegt Roubini zufolge im Risiko anziehender Energiepreise, die einem Aufschwung die Flügel stutzen könnten. „Ein Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel könnte in einer schwachen Wirtschaftslage ein Schock sein.“

Deutliche Kritik übte Roubini am Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB). „Die Zentralbanker unterschätzen, wie sehr die Krise Europa beeinträchtigen wird“, sagt er. Die EZB sorge sich wie in der Vergangenheit zu sehr um die Inflation allein.

Weygand: Chico, das ist richtig. Ein ungemein effektiver Sentimentindikator sind eben diese Dauerbären oder -bullen. Wenn Sie anfangen zu kippen, ist das unter sentimenttechnischen Gesichtspunkten kein gutes Zeichen. Es handelt sich um klare Kontraindikationen, die sich nicht wegdiskutieren lassen.

Dennoch. Dadurch, dass die Indizes kurz vor dem endgültigen Wegbrechen nach unten quasi wie Münchhausen wieder an ihren eigenen Schöpfen nach oben gezogen wurden, hat sich der Markt Luft geschaffen. Das überträgt sich natürlich auch auf Marktteilnehmer. Wenn sich die Finanzmärkte nicht so erheblich erholt hätten, würde jetzt nicht noch aggressiver um Opel gepokert werden. Auch wäre eine Rettung des Porzellanherstellers Rosenthal nicht wahrscheinlich gewesen. Insofern hat diese Kurserholung und Stimmungsaufhellung der Akteure etwas gutes.
Chico: Was war eigentlich gestern mit dem US Biotech Index los ? Ist das ein Artefakt im Chart ? Irgendwie sieht die gestrige Tageskerze unnatürlich aus.

Weygand: Dazu kann ich nur sagen, dass solche Entwicklungen typisch für den Biotechsektor sind. Nein, es handelt sich nicht um ein Artefakt. Es handelt sich um die Realität im Biotechsektor. Verantwortlich für diese Kursexplosion des Sektors ist vor allem die Aktie von Human Genome Sciences. Die Aktie ist gestern um 276 Prozent auf 12,81 Dollar explodiert. Der Biotechkonzern präsentierte - gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Glaxo - eine positive Studie für sein Lupus-Präparat (gegen aggressive Entzündungskrankheit).

Chico: Ziemlich wilder Markt momentan. Bleibt ihr eigentlich bei eurer Einschätzung, dass die Indizes nochmals deutlich korrigieren werden ?

Weygand: Chico, wir behalten unsere charttechnischen Einschätzungen bei. Leider Gottes war es das noch nicht mit dem Armageddon. Wir rechnen basierend auf unseren charttechnischen Auswertungen im Anschluß an die jetzt laufenden Bärenmarktrallye-Extensionen mit einem weitergehenden Kahlschlag an den Aktienmärkten.

So Chico, ich muß jetzt mal weitermachen.

Chico: Ok, man sieht sich.

Hinweis der Redaktion: Wer ist Chico ? Chico ist a) das Maskottchen von GodmodeTrader und b) im Sinne eines fiktiven Anlegers zu verstehen. Bei unserer Arbeit auf GodmodeTrader erreicht uns fortlaufend Feedback der facettenreichen Anlegerschaft. Anleger unterschiedlicher Colour stellen Fragen, äußern sich zu Anlagethemen und Finanzmärkten, berichten von persönlichen Erlebnissen. All das wird in der "Person" des Chico verarbeitet und für die Gesamtheit in einzelnen Artikeln publiziert.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen