Kommentar
12:47 Uhr, 02.05.2007

Chancen in der zweiten Reihe

An den Aktienbörsen der Emerging Markets ist die Nervosität in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Mit Blick auf die großen Länder in den aufstrebenden Regionen ist dies berechtigt. Um so wichtiger wird nun die Länderauswahl. Dabei rücken kleinere Märkte in den Fokus der Investoren.

Ende Februar sind die Kurse an der Aktienbörse in Shanghai schockartig um fast neun Prozent eingebrochen. Und nachdem sich die Kurse weitgehend erholen konnten, folgten Ende April erneute Verluste. Die Anleger bleiben deshalb verunsichert – insbesondere gegenüber China. Zu Recht, denn die Gefahr einer Überhitzung wächst. Allein im Jahr 2006 hat der chinesische Aktienmarkt um 130 Prozent zugelegt. Entsprechend hoch sind mittlerweile die Notierungen. Die mögliche Überbewertung der Börsen wird auch von der chinesischen Regierung als Problem wahrgenommen. Deshalb dürfen gelistete Unternehmen die Erlöse aus Aktienverkäufen nicht mehr erneut in Aktien anlegen.

Ähnlich wie in China sieht es bei den anderen großen Emerging Markets aus. Angesichts der sinkenden Rohstoffpreise könnte in einigen Ländern die Nervosität der Anleger weiter zunehmen und damit die Volatilität der Aktienmärkte steigen. Diese Gefahr besteht insbesondere dort, wo Rohstoffexporte eine wichtige Rolle spielen, hier vor allem Öl und Kupfer. Unter den großen Märkten könnten Russland und Brasilien darunter zu leiden haben.

Einstiegschancen abseits der großen Vier
In Russland sorgt nicht nur der Umschwung bei den Ölpreisen für stagnierende Aktienmärkte. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die im kommenden Jahr anstehende Präsidentenwahl. Auch in Brasilien verblassen die Aussichten. Der steigende Real- Kurs und Änderungen in der Fiskalpolitik geben Anlass, in nächster Zeit die Entwicklung genauer zu beobachten.

Ein hohes Binnenwachstum muss durch mehrere Faktoren gestützt sein

Aussichtsreiche Märkte, die auch 2007 noch ein erhebliches Entwickungspotenzial besitzen, finden sich jetzt vor allem in der zweiten Reihe der aufstrebenden Volkswirtschaften. Gute Investitionsmöglichkeiten bieten sich somit in Ländern, die bislang noch nicht im Zentrum des Anlegerinteresses standen. Ein wichtiges Kriterium für gute Einstiegschancen ist das Potenzial für eine Senkung der Leitzinsen. ABN AMRO Asset Management sucht darüber hinaus nach Märkten, die ein starkes Binnenwachstum haben, das möglichst durch mehrere unterschiedliche Faktoren gestützt wird.

Überdurchschnittliche Wachstumsaussichten versprechen auch Länder, die mithilfe der bislang hohen Rohstoffpreise ausreichend inländische Liquidität aufbauen konnten und so Wachstumsmöglichkeiten für heimische Investitionen geschaffen haben. Liquide Börsen und eine vergleichsweise niedrige Aktienbewertung sind weitere wichtige Voraussetzungen.

Kommen möglichst viele dieser Faktoren zusammen, haben diese Länder die besten Chancen, die Eintrübung der weltweiten Konjunkturaussichten und den Rückgang der Rohölpreise durch eine starke Binnenwirtschaft zu kompensieren und auch im Jahr 2007 überdurchschnittliche Wachstumsraten zu erreichen. Deshalb befinden sich die spannendsten Emerging Markets derzeit nicht unter den großen Vier Brasilien, China, Indien oder Russland. ABN AMRO Asset Management sieht die besten Einstiegschancen bei Emerging Markets wie Indonesien, Malaysia, Mexiko und Südafrika.

China bleibt weiter Entwicklungsmotor
Für die Emerging Markets insgesamt gilt: Viele wichtige Faktoren, die das Wachstum der Schwellenländer in den vergangenen Jahren begünstigt haben, bleiben erhalten – der Trend zur Globalisierung, die hohe Liquidität und günstige Finanzierungsbedingungen. Auch wenn der chinesische Aktienmarkt an Attraktivität verliert, bleibt China unverändert ein wichtiger Entwicklungsmotor für die Emerging Markets. Mit dem anhaltend hohen chinesischen Wirtschaftswachstum gibt es gute Gründe, auch im Jahr 2007 bezüglich der wirtschaftlich aufstrebenden Regionen optimistisch zu sein.

Weniger abhängig von Rohstoffpreisen

Der breite Aufwärtstrend an den Emerging Markets, von dem Investoren in den vergangenen Jahren profitieren konnten, ist nicht mehr so eindeutig – Investoren können stärker nach Nischenmärkten suchen, um weiter an der allgemeinen Stärke der Wachstumsregionen teilzuhaben. Zu den aussichtsreichsten Ländern zählt ABN AMRO Indonesien und Südafrika.

Indonesien: Unternehmensgewinne
Die indonesische Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren bemerkenswert stabil gezeigt. Trotz Naturkatastrophen blieb die Konjunktur außergewöhnlich robust. Im Jahr 2006 hat der indonesische Aktienmarkt den MSCI Emerging Markets Index um 40 Prozent übertroffen. Dabei wurde der Aufschwung nicht nur von den steigenden Rohstoffpreisen getragen. Eine solidere Wirtschaftspolitik, das starke Wachstum der Finanzmärkte und die steigende Investitionstätigkeit sorgten für Stabilität. Für die Zukunft sollten Zinssenkungen weiteres Potenzial für ein hohes Wachstum der Investitionen und der Unternehmensgewinne schaffen.

Südafrika: stabile Binnenkonjunktur
Südafrika gehört zu den rohstoffreichsten Ländern der Erde und hat in den vergangenen Jahren erheblich am Rohstoffboom mitverdient. Da das Land Teile der Exportgewinne umsichtig in den Ausbau von Infrastruktur, Bauwirtschaft und Industrie gesteckt hat, besitzt es inzwischen eine vergleichsweise stabile Binnenkonjunktur. Verstärkte Investitionen in das Bildungswesen und arbeitsbeschaffende Maßnahmen, die vor allem der breiten schwarzen Unterschicht zu Gute kommen, sorgen für eine sinkende Arbeitslosigkeit und regen die Konsumnachfrage an. Deshalb sollte die südafrikanische Wirtschaft den Rückgang der Rohstoffpreise sehr gut verdauen können – zumal die Notierungen zwar nicht mehr auf Höchstständen liegen, sich aber immer noch auf hohem Niveau bewegen. Weitere Pluspunkte für die südafrikanische Wirtschaft sind die Aussichten auf eine Senkung der Leitzinsen und die weiterhin expandierende Kreditwirtschaft.

Quelle: ABN Amro Asset Management

ABN Amro Asset Management ist die Kapitalanlagegesellschaft der ABN Amro Bank. Weltweit beschäftigt ABN Amro Asset Management 1.600 Mitarbeiter in über 24 Ländern, darunter Portfoliomanager und Analysten rund um den Globus. ABN Amro Asset Management verwaltet ein Vermögen von insgesamt 188 Mrd. Euro in Spezialfonds (31. März 2006) und über 500 Publikumsfonds.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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