Cat Bonds und Covid-19: „Business as usual“
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Während der derzeitigen Pandemie fragen sich Anleger natürlich, ob Katastrophenanleihen (Cat Bonds) und versicherungsgebundene Wertpapiere (Insurance Linked Securities, ILS) von den allgemeinen Marktturbulenzen betroffen sind. Zwar gibt es Anleihen, die außergewöhnlichere Katastrophen wie Pandemien abdecken, doch dabei handelt es sich um Nischenprodukte. Im Allgemeinen bleiben die Bedingungen am Markt für Katastrophenanleihen vom Covid-19-Ausbruch unberührt.
Angesichts der heftigsten Marktturbulenzen seit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 möchten wir daran erinnern, dass Katastrophenanleihen und ILS in Verbindung mit Risiken ausgegeben werden, die grundsätzlich nicht mit dem Konjunkturzyklus, Zinsbewegungen, dem politischen Umfeld oder Wechselkursschwankungen zusammenhängen. Stattdessen reagieren die Erträge dieser Anlagen auf hohe Verlustereignisse bei Versicherungen und Rückversicherungen, vor allem in Verbindung mit Naturphänomenen wie Erdbeben und Orkanen. Ein Börsencrash kann keinen Wirbelsturm oder ein Erdbeben auslösen. Natürlich treten von Zeit zu Zeit Naturkatastrophen ein und führen zu entsprechenden Verlusten, doch dies geschieht unabhängig von den laufenden Aktivitäten an den traditionellen Finanzmärkten.
Das bedeutet: ILS-Erträge reagieren auf andere Einflussfaktoren und profitieren von ihrem grundsätzlich nicht korrelierenden Verhalten mit den breiteren Märkten. Dadurch unterscheiden sie sich von anderen Anlageklassen, bei denen die Korrelation in Zeiten von Marktspannungen deutlich ansteigen kann. So kann die Aufnahme von ILS in ein Portfolio das halten, was nicht-direktionale Strategien versprechen: Die geringere Volatilität und stabilere Erträge ermöglichen eine umgehende Verbesserung der Anlegerportfolios. Wir glauben nicht, dass wir unsere Anlagestrategie oder Positionierung als Reaktion auf den Ausbruch von Covid-19 anpassen müssen. Für uns bleibt das Jahr 2020 „Business as usual“.
Sterblichkeitsrate von Covid-19 dürfte nach unten korrigiert werden
Dennoch verfolgen auch wir die immer dramatischere Entwicklung und machen interessante Beobachtungen im Hinblick auf die Reaktion der Märkte.
Zu den wesentlichen Aufgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört die Veröffentlichung und Verbreitung wissenschaftlich fundierter Informationen zur öffentlichen Gesundheit, die es politischen Entscheidungsträgern, Wissenschaftlern sowie Ärzten und medizinischem Personal ermöglichen, das Leben und die Gesundheit der Menschen besser zu schützen. Natürlich ist dies von entscheidender Bedeutung. Keinerlei Erwähnung im Mandat der WHO finden jedoch die Finanzmärkte. Es gibt „Fed-Beobachter“, die die aktuellen Erklärungen der US-Notenbank regelmäßig kommentieren. „WHO-Beobachter“ gibt es hingegen nicht. In der Folge beeinflusst die WHO die Märkte derzeit auf eine Art und Weise, die so neu und außergewöhnlich ist wie das Virus selbst.
Ein anschauliches Beispiel ist die Medienkonferenz der WHO vom 3. März 2020. In seinen einleitenden Bemerkungen erwähnte der WHO-Generaldirektor beinahe beiläufig, dass Covid-19 in 3,4 Prozent der gemeldeten Fälle tödlich verlaufen sei. Er bezog sich indirekt auf die Todesfallrate, d. h. den Anteil der Fälle, die zum Tod führen. Wir verwenden in diesem Beitrag die umgangssprachlichen Begriffe „Sterblichkeitsrate“ und „Sterblichkeit“ synonym zur Todesfallrate (case fatality rate, CFR). Die von der WHO implizierte Sterblichkeitsrate von 3,4 Prozent sorgte für alarmierende Schlagzeilen in den Medien. Die Zahl ließ die allgemeine Bevölkerung annehmen, dass das neuartige Coronavirus ebenso gefährlich sein könnte wie die Spanische Grippe von 1918, bei der eine Sterblichkeit von 2 bis 3 Prozent verzeichnet wurde. In Schulen, Unternehmen und an den Märkten brach daraufhin Panik aus.
Dabei ist vielen Beobachtern der Finanzmärkte nicht klar, dass die von der WHO angegebene Sterblichkeitsrate von 3,4 Prozent in den kommenden Monaten nach unten korrigiert werden dürfte – und zwar um das 3- bis 10-Fache.
Die Pandemie hält nun seit beinahe drei Monaten an. Zu einem ähnlichen Zeitpunkt während der Schweinegrippe-Pandemie von 2009 berichtete die WHO auf Basis von im Labor bestätigten Fällen eine CFR für die Schweinegrippe von 2,0 Prozent. Drei Jahre später lag die allgemein anerkannte Sterblichkeitsrate bei weniger als 0,03 Prozent. Zwischen den anfänglichen Beobachtungen und den Ex-post-Schätzungen sank die CFR also um mehr als das 50-Fache.
Warum hat sich die WHO anfangs so verschätzt? Nun, für die Epidemiologie ist dies keineswegs ungewöhnlich. Eine Untersuchung von 77 veröffentlichten Schätzungen der Sterblichkeitsrate der Schweinegrippe von 2009 zeigt, wie sich die CFR-Schätzungen entwickeln, da die Schätzmethode im Laufe der Zeit angepasst wird. Zunächst wurde die Sterblichkeit der Schweinegrippe auf Basis der Zahl der im Labor bestätigten Fälle geschätzt. Daraus ergab sich eine durchschnittliche CFR von 1,9 Prozent. Als im Laufe der Zeit symptomatische Fälle zu den im Labor bestätigten Fällen hinzukamen, sank die CFR auf durchschnittlich 0,06 Prozent – ein Rückgang um rund das 30-Fache. Als diese Fälle schließlich um milde oder asymptomatische Fälle ergänzt wurden, ging der Durchschnitt der untersuchten Schätzungen auf 0,007 Prozent zurück. Dies ist insgesamt ein Rückgang um rund das 300-Fache. Daher lautet das Fazit der Untersuchung wenig überraschend: „Wir raten grundsätzlich davon ab, die auf Basis der bestätigten Fälle geschätzte CFR zu verwenden“.
Was bedeutet dies für die Märkte?
Die Covid-19-Tests nehmen weltweit rasch zu. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sie so verbreitet werden wie Grippetests. Deshalb ist es so gut wie sicher, dass die CFR-Schätzungen abnehmen, wenn sich die Datenlage und unser Verständnis des Virus verbessern. Wenn die CFR auf unter 1 Prozent sinkt und ein breites gesellschaftliches Engagement zur raschen Überwindung der Krise entsteht, könnte dies eine Wende in der allgemeinen öffentlichen Stimmung und eine anschließende Erholung der Finanzmärkte bewirken.
Wann können wir mit einem solchen Wendepunkt rechnen? Das ist schwer vorauszusagen. Es könnte einen Monat dauern, zwei oder vier Monate – oder noch länger. Die Märkte und die WHO verfolgen entgegengesetzte Absichten. In einigen Online-Quellen ist bereits von Covid-19-Sterblichkeitsschätzungen von ungefähr 1 Prozent die Rede. Dies muss jedoch von der WHO offiziell bestätigt werden – und die WHO wird dies erst tun, wenn es im Einklang mit ihren Zielen für die öffentliche Gesundheit steht. Hier spielen die aktuellen Eindämmungsziele der WHO eine entscheidende Rolle. Eine von der Öffentlichkeit als hoch wahrgenommene Sterblichkeitsrate stützt Maßnahmen zur Eindämmung. Sollten sich die Eindämmungsmaßnahmen jedoch als nicht erfolgreich erweisen, könnten niedrigere CFR-Schätzungen es der WHO erleichtern, zu Eindämmungsmaßnahmen überzugehen.
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