Fundamentale Nachricht
17:03 Uhr, 30.11.2022

Britischer Haushalt: Keine großen Überraschungen

Die aktuelle Situation in Großbritannien ist laut Anna Rosenberg, Head of Geopolitics bei Amundi, eine große Herausforderung, aber die Ankündigung der Neuverschuldung für das nächste Jahr bestätigt das Engagement der neuen Regierung, das Vertrauen der Märkte durch mehr Haushaltsdisziplin wiederzugewinnen.

Das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in das Vereinigte Königreich ist seit dem Brexit-Referendum durch das unbeständige politische Umfeld erschüttert worden. Angesichts der tiefen Gräben, die sich durch die konservative Partei ziehen, wird es für Premierminister Rishi Sunak und seinen Schatzkanzler sehr viel schwieriger sein, eine Wiederwahl zu erreichen. Die steigende Unzufriedenheit der Wähler und der Parteienstreit könnten 2023 zu vorgezogenen Neuwahlen führen, was bedeutet, dass die politische Ungewissheit noch einige Zeit im Mittelpunkt der Sorgen der Anleger stehen wird.

Gesamt gesehen bot der Haushalt den Marktteilnehmern keine großen Überraschungen. Das Ausmaß der Haushaltskonsolidierung und die meisten der angekündigten Maßnahmen entsprachen den Erwartungen. Die britischen Vermögenswerte reagierten nicht unangemessen. Die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit war das Hauptziel der Regierung, und die angekündigten Maßnahmen milderten einen Teil der Risikoprämie für britische Vermögenswerte.

Welche politischen und sozialen Auswirkungen hat der britische Haushalt?

Wenn man die Wähler zwingt, jetzt den Gürtel enger zu schnallen, und hofft, dass dies zu einem Rückgang der Inflation und der Zinssätze führt, könnten die Tories die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage für sich reklamieren und vor den nächsten Wahlen Steuersenkungen anbieten.

Bemerkenswert war, dass die Tories ihre wichtigste Wählerschaft, die Rentner, noch stärker unterstützen wollen, indem sie sich verpflichteten, die Renten entsprechend der Inflation anzuheben. Mit der Erhöhung der Ausgaben für Schulen und den staatlichen Gesundheitsdienst versuchen die Konservativen, ihre Wählerschaft aus der Mittelschicht zu beruhigen, die über die Verschlechterung der Leistungen der öffentlichen Hand besorgt ist.

Die sozialen Auswirkungen des Haushalts sind zum jetzigen Zeitpunkt weniger klar. Zwar werden die Steuererhöhungen auf breiter Front spürbar sein, doch hat die Regierung auch verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung derjenigen angekündigt, die am stärksten von der Lebenshaltungskostenkrise betroffen sind. Insgesamt hat dieser Haushalt das Potenzial, den Konservativen zu helfen, vor den nächsten Wahlen wieder etwas Boden gut zu machen.

Wird sich das Ansehen Großbritanniens auf den Finanzmärkten verbessern?

Ja, zumindest vorerst. Die Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen werden der Regierung helfen, das Vertrauen wiederzugewinnen, das sie durch den unglücklichen "Mini-Haushalt" von Liz Truss verloren hat. Die fiskalische Zurückhaltung und die Abstimmung der Geldpolitik auf die Finanzpolitik werden die Bedenken über die Entwicklung der britischen Finanzen und die wirtschaftlichen Aussichten zerstreuen.

Wie wird sich das auf die Staatsverschuldung und die Kreditaufnahme auswirken?

Wir gehen davon aus, dass die Märkte die mittelfristigen Aussichten für die Kreditaufnahme in einem schwächeren makroökonomischen Umfeld mit nach oben tendierenden Angebotsrisiken und in einem restriktiveren geldpolitischen Umfeld, das zur Bekämpfung des Inflationsdrucks erforderlich ist, weiter beobachten werden.

Was erwarten wir von der Bank of England?

Wie allgemein erwartet, hat sich die Bank of England (BoE) auf ihrer letzten Sitzung mit einem Zinsschritt von 75 Basispunkten der EZB und der Fed angeschlossen. Doch trotz der stärkeren Anhebung als zuvor war die Kommunikation insgesamt gemäßigt. Die BoE dämpfte ausdrücklich die Erwartungen des Marktes in Bezug auf die Endfälligkeit der Zinsen und räumte ein, dass eine stärkere Straffung notwendig sei. Gleichzeitig machte die Zentralbank deutlich, dass die Risiken nach wie vor steigen könnten, da die Herausforderung für die Zentralbank 2023 weiterhin darin bestehen wird, ihre Glaubwürdigkeit bei der Inflationsbekämpfung zu wahren.

Wir gehen davon aus, dass die britischen Zinssätze ihren Höchststand bei 4,5 % erreichen werden.

Was bedeutet das für das Pfund Sterling und britische Vermögenswerte?

Die Inflation überraschte im Oktober weiterhin positiv (was die realen Renditen belastete), während die britische Wirtschaft 2023 in eine Rezession rutschen dürfte. Laut OBR-Prognosen – OBR steht für Office for Budget Responsibility – wird das britische BIP 2023 um 1,4 % schrumpfen. Dies macht das Pfund unserer Ansicht nach kurzfristig sehr anfällig für negative Überraschungen. Die Währung ist nach wie vor in hohem Maße zyklisch und ihr realer Kurs ist angesichts der schwachen Außenhandelsposition des Vereinigten Königreichs nach wie vor zu niedrig. Die Korrektur des Pfund Sterling mag vorbei sein, aber wir sehen noch keine Anzeichen für eine Outperformance der Währung.

Welche Auswirkungen hat dies auf den britischen Aktienmarkt?

Der britische Markt bietet ein interessantes Profil für Aktien mit hoher Marktkapitalisierung, hohe Dividenden und ein defensives Sektorprofil, was in Zeiten der Stagflation interessant ist.

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