Kommentar
14:30 Uhr, 30.06.2016

Brexit oder Brentry?

Es gab sicherlich schon bessere Zeiten für Großbritannien! Nach dem politischen Brexit vom vergangenen Freitag, dessen Umsetzung sicherlich noch einige Zeit auf sich warten lässt, hat das englische Team bei der Fußball-Europameisterschaft bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Zumindest bei diesem sportlichen Großereignis will man fortan nicht mehr vertreten sein und überlässt diese Rolle den ebenfalls austrittwilligen Walisern. Die Außenwirkung Großbritanniens hat in den vergangenen Tagen massiv gelitten und tiefe Gräben in Europa geschaffen. Aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs könnte die Stimmung nicht schlechter sein.

Die junge Generation sieht sich ihrer Zukunftsperspektiven beraubt und einzelne Länder Großbritanniens streben nach Unabhängigkeit. Inzwischen zeigt sich, dass die Aufklärung der Bevölkerung zu den Folgen eines Brexit unzureichend war und nicht jedem Abstimmenden die Folgen dieses Votums bekannt waren. Doch nun ist es zum Jammern zu spät. Auch alle Petitionen sowie Hinweise auf die geringe Wahlbeteiligung und die allzu geringe 50 %-Zustimmungs-Klausel zeugen von einer schlechten „Verlierer-Mentalität“. Jetzt gilt es, nicht auf Zeit zu spielen, sondern den Wählerauftrag in die Tat umzusetzen. Demokratie muss verstanden werden.

Die Verhandlungen sollten zügig beginnen, denn zu regeln gibt es einiges. Die Zeit der Ungewissheit ist für alle Finanzmärkte Gift und dieses gilt es, so gering wie nur möglich zu dosieren. Am Ende der Konsultationen wird sicherlich ein Kompromiss gefunden sein, der in einem zweiten Referendum zur Abstimmung gebracht wird und somit den Exit vom Brexit ermöglicht. Bei dieser Vorgehensweise muss allerdings darauf geachtet werden, dass die Politikverdrossenheit bei der übrigen EU-Bevölkerung nicht noch gesteigert wird. Ob das aber gelingen wird, darf getrost bezweifelt werden! In der Tierwelt wird immer davon gesprochen, dass ein Bock alleine nicht stoßen kann. Auf das gesamte gesellschaftliche Leben übersetzt heißt das, dass immer zumindest zwei „Parteien“ ein Ergebnis zu verantworten haben. Deshalb wäre es auch innerhalb der EU an der Zeit, den Kapitän auszutauschen und so nach außen ein Zeichen des Neuanfangs zu setzen. Aktuell scheint es allerdings so, als wären den EU-Verantwortlichen solche Gedankenspiele nicht in den Sinn gekommen. Jean-Claude Juncker und seine Aussagen zu CETA sind das beste Beispiel für die momentan gelebte Selbstherrlichkeit.

Also bleibt uns nur die Hoffnung, dass in den kommenden Monaten das Wachrütteln unserer Politiker noch zu einer positiven Erneuerung Europas führen wird. Die 27:1 Verhandlungen werden keine Wunschveranstaltung sein, sondern eine Scheidung mit gleichzeitiger Regelung der Unterhaltszahlungen, der Besuchszeiten und der Sorgerechte. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Verhandlungsführung der Beteiligten gerichtet sein. Wird auf Zeit gespielt, wird unverhohlen gedroht bzw. verhält man sich weiterhin in allen bisherigen Vertragsbestandteilen vertragskonform? So wäre beispielsweise ein Einstellen der Zahlungen an die Gemeinschaft oder umgekehrt sicherlich kontraproduktiv.

Die EU besteht auch weiterhin noch aus 28 Mitgliedsstaaten

Mit dem Referendum hat die Welt zwar nicht aufgehört sich zu drehen, aber eine gewisse Unwucht ist zu spüren. Die Entscheidung der Briten bedeutet den Verlust des drittgrößten Nettozahlers der EU und somit eine mögliche jährliche Mehrbelastung i.H.v. ca. 3 Mrd. € für den deutschen Steuerzahler. Es gibt aber auch andere Folgen, die es zu regeln gilt.

So wird die europäische Bankenaufsichtsbehörde European Banking Authority (EBA), die in London angesiedelt ist, früher als ursprünglich angedacht, sich nach einem neuen Domizil umschauen und auch der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Investitionsbank (EIB) muss in Angriff genommen werden. Sicherlich wird im kommenden Jahr Großbritannien, das im zweiten Halbjahr die EU-Präsidentschaft übernehmen sollte, diesen Part nicht mehr wahrnehmen. Ob man die entstandene Lücke einfach dadurch schließen wird, indem man die folgenden Präsidentschaften vorverlegt oder eines der Gründungsmitglieder der Vorgängervereinigung einspringt, wird erst nach Einleiten des Austrittverfahrens zu klären sein.

Aber auch längerfristig stehen in Europa viele Entscheidungen an, die ein Stimmungsbild widergeben. So wird beispielsweise im Oktober des Jahres in Italien ein Referendum über die seit über 30 Jahren angedachte Verfassungsänderung durchgeführt. Im April bzw. Mai nächsten Jahres wählt Frankreichs Bevölkerung einen neuen Präsidenten und vorher wird am 15. März in den Niederlanden über die Zusammensetzung des Parlaments neu entschieden. Die Bundestagswahlen im Herbst 2017 runden aus deutscher Sicht ein Superwahljahr mit bis dahin noch fünf Landtagswahlen (Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Saarland) und einer Wahl des Bundespräsidenten (12. Februar 2017) ab.

Die kommenden Monate werden also von diversen innen- und außenpolitischen Störfeuern geprägt sein, denn auch die Regierungen in Österreich und Spanien können nicht unbedingt als stabil bezeichnet werden.

Italien sorgt sich um die Finanzindustrie

Italiens Banken sorgen allem Anschein nach bei der eigenen Regierung für schlaflose Nächte. Denn anders ist es nicht erklärbar, dass die italienische Regierung alle möglichen Register zieht, um die Banken des Landes mit ca. 40 Mrd. € unterstützen zu dürfen. Der vor wenigen Wochen zu diesem Zwecke eingerichtete Fonds „Atlante“ mit einer Kapitalausstattung von ca. 5 Mrd. € kann im Krisenfall keine Bankenschieflage abfedern. Das ist inzwischen - nicht zuletzt durch die Brexit-Reaktion an den Finanzmärkten - allen klar geworden.

Bei den italienischen Banken haben sich inzwischen ca. 300 Mrd. € an ausfallgefährdeten Krediten angesammelt und drohen der Finanzbranche im schlimmsten Fall nachhaltig Schaden zuzufügen. Aus diesem Grunde bittet Rom um Ausnahmen bei der eigentlich verbotenen Staatsfinanzierung und bei den Bail-in-Regeln. Entsprechende Gespräche hat der Ministerpräsident Italiens, Matteo Renzi, bereits mit der EU-Kommission geführt und hofft, dass man seinem Wunsch, einer möglicherweise notwendigen Bankenrettung mit Steuergeldern, entsprechen wird.

Auch in diesem Fall wird wieder deutlich, dass niedrige Zinsen allein im Euroraum nicht ausreichen, um Kreditgeber und -nehmer zu beglücken. Denn die Finanzinstitute haben mit den gesunkenen Margen nur noch sehr begrenzte Möglichkeiten, Verluste aus notleidenden Krediten auszugleichen. Die niedrigen Zinssätze stellen für viele Kreditnehmer einen Anreiz dar, sich zu verschulden und zwar in einer Größenordnung, die man sich vorher niemals hätte leisten können. Gleichzeitig werden die Banken von der EZB immer wieder aufgefordert, den Unternehmen Geld zur Verfügung zu stellen. Doch Schulden werden auch endfällig und spätestens dann wird sich herausstellen, dass in vielen Fällen die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank zur Falle für Banken, Unternehmen und Privatpersonen wurde.

Die BIZ sorgt sich um die Weltwirtschaft

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ist in großer Sorge um die Weltwirtschaft und verweist auf das niedrige Wirtschaftswachstum, was zusammen mit Rekordschulden bei den Staaten den Spielraum zur Bekämpfung von Krisen immer mehr einengt. Kommen dann noch solche Ereignisse wie der Brexit dazu, kann sich daraus sehr schnell ein globales Problem ergeben.

Bisher haben die Notenbanken alles daran gesetzt, die daraus resultierende Gefahr mit historischen Niedrigzinsen, die in einigen Staaten sogar zu Negativrenditen führten, einzudämmen. Doch genau das ist das Problem, denn die niedrigen Zinsen suggerieren den Politikern, dass alles gut enden wird und man nur für etwas Inflation sorgen muss. Viele Finanzchefs von Unternehmen sehen das ähnlich und wagen sich an Übernahme-Transaktionen von Mitbewerbern, da ihnen das Geld von Investoren so billig wie nie zuvor zur Verfügung gestellt wird. Teilweise können sich auch Unternehmen vor Anfragen nach Schuldscheindarlehen nicht mehr retten. Allerdings übertünchen diese Marktkonstellationen die Gefahren einer schuldenfinanzierten Wachstumspolitik. Hinzu kommen noch die ausfallgefährdeten Kredite in den Bankbüchern, die kürzlich nicht nur die Regierung Italiens auf den Plan gerufen haben.

Ein solcher Hinweis wie er auf der Jahresversammlung in Basel von dem Generaldirektor der BIZ, Jaime Caruana, ausgesprochen wurde, sollte nicht nur zur Kenntnis genommen werden, sondern einen Umdenkprozess in Gang setzen. Denn als Zentralbank der Notenbanken ist die BIZ sicherlich im Besitz von Informationen zu Gefahrenpotentialen, die im „worst case“ die globale Wirtschaft ins Wanken bringen können. Hoffen wir, dass noch die Möglichkeit zum Gegenlenken besteht und es nicht bereits zu spät ist.

Die Ratingagenturen melden sich zu Wort

Die Ratingagenturen Standard & Poor‘s und Fitch haben die Bonitäts-Einstufung von Großbritannien sehr schnell den veränderten Gegebenheiten angepasst und im Investmentgrade auf die dritte Stufe „AA“ gesenkt. Dass hierbei zusätzlich noch der Ausblick mit „negativ“ bewertet wird, ist sicherlich der Unsicherheit in puncto Stabilität, wirtschaftlicher und politischer Entwicklung geschuldet.

Doch auch andere Staaten wie zum Beispiel Österreich müssen mit einer negativeren Bewertung leben. So hat die Ratingagentur Moody’s die langfristigen Verbindlichkeiten der Alpenrepublik nur noch mit „AA1“ bewertet und ihr hiermit die bisherige Bestnote „AAA“ entzogen. Als Grund werden die Aussichten auf ein mittelfristig schwächeres Wirtschaftswachstum des Eurolandes angeführt. Diese Probleme kann aktuell Deutschland noch weit von sich weisen. Aber ob die zusätzlichen Belastungen eines Umbaus der EU-Finanzierung, die Deutschland wahrscheinlich 3 Mrd. € kosten wird sowie die Neuverteilung der bisherigen Bürgschaften früher oder später zu einer anderen Bonitäts-Einstufung führt, kann nicht ausgeschlossen werden. Noch ist Deutschland der Fels in der Brandung und wird es hoffentlich auch noch lange bleiben.

Investieren auch Fans des BVB und des FCB?

In den Tagen nach dem Brexit-Referendum ist der Primärmarkt für Corporate Bonds fast vollkommen zum Erliegen gekommen. Lediglich ein Relikt aus der vergangenen Woche wurde in dieser Zeit an den Märkten zur Notierung gebracht und steht im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft. Ganz zur Freude der meisten Fußballfans hier zu Lande ist unser Team noch immer dabei. Solche Großereignisse eignen sich für die Clubs der Fußball-Bundesliga, sich personell zu verstärken und ihren bisherigen Kader für die kommende Spielzeit neu zu bestücken.

Eine Verstärkung der anderen Art gelang dem Gelsenkirchener Fußball Club Schalke 04. Durch die erfolgreiche Platzierung einer Dualtranche im Gesamtvolumen von 50 Mio. € kann die Ablösung einer ursprünglich am 11.07.2019 endfälligen Gattung (A1ML4T) in Angriff genommen werden. Die Altemission wurde zum 11. Juli des Jahres vorzeitig gekündigt und entsprechend den Anleihebedingungen zu 103 % an die Gläubiger zurück bezahlt.

Bei der ersten Tranche handelt es sich um eine 5-jährige Anleihe (A2AA03) mit Fälligkeit am 07.07.2021 im Volumen von 16 Mio. €. Schalke 04 zahlt dem Investor einen jährlichen Kupon in Höhe von 4,25 %. Der Ausgabepreis betrug 100 %. Der Emittent hat sich per 07.07.2020 ein Sonderkündigungsrecht zu 100,50 % festschreiben lassen.

Die zweite Anleihe (A2AA04) mit 7-jähriger Laufzeit beläuft sich auf 34 Mio. € und bietet dem Anleger eine nominale Verzinsung in Höhe von 5 % p.a. bis zum 07.07.2023. Doch auch bei diesem Bond ließ der Emittent ein vorzeitiges Kündigungsrecht zum 07.07.2021 bei 101,50 % in die Anleihebedingungen aufnehmen. Die Anleihe wurde zum Nennwert begeben.

Beide Anleihen wurden seitens des Emittenten Schalke 04 mit der „privatanleger-freundlichen“ Mindestanlagesumme von 1.000 € ausgestattet. Ob sich allerdings die Fans der Bundesligisten Borussia Dortmund und des FC Bayern München von den hohen Nominalzinsen zu einem Engagement verleiten lassen, ist bisher noch nicht bekannt.

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