Kommentar
11:18 Uhr, 29.03.2018

Brexit ist ein teurer Spaß

Bei all der Diskussion über Zölle treten andere Probleme in den Hintergrund. Das ist im Einzelfall vielleicht gar nicht so schlecht. Es verdeckt das Desaster.

Die Brexit-Befürworter warben vor dem Referendum unter anderem damit, dass Großbritannien nach dem EU-Austritt mehr Geld zur Verfügung haben würde. Immerhin fallen die regelmäßigen Zahlungen in das EU-Budget weg. Dieses Geld kann dann in Großbritannien bleiben und anderweitig verwendet werden.

So einfach ist die Sache natürlich nicht. Langfristig wird gespart. Daran besteht kein Zweifel. Kurzfristig allerdings zahlt Großbritannien ohne großen Gegenwert. In den letzten Jahren stiegen die Zahlungen auf fast 20 Mrd. Pfund (Grafik 1). Diese Bruttozahlungen spiegeln allerdings nicht ganz die Realität wider.

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Großbritannien erhielt im Gegensatz zu anderen Ländern einen Rabatt auf die Zahlungen. Dieser lag 2016 bei 5 Mrd. Pfund. So wurden immer noch 13,8 Mrd. Pfund überwiesen, doch im Gegenzug erhielt Großbritannien auch Gelder. Diese beliefen sich in Summe auf 4,4 Mrd. Pfund. Netto zahlte Großbritannien zuletzt also 9,4 Mrd. Pfund ein.

Das ist immer noch eine Menge Geld. Es entspricht 0,5 % der Wirtschaftsleistung. Diesen Betrag kann Großbritannien einsparen. Das geht allerdings nicht sofort. Die Regierung muss in den kommenden Jahren bestehende Verpflichtungen begleichen (Grafik 2). Über die Jahre bis 2064 summieren sich diese auf knapp 40 Mrd. Pfund auf.

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Die Scheidungsrechnung ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Einerseits sind die Kosten hoch, andererseits ziehen sich die Zahlungen über Jahrzehnte hin. Der EU-Austritt mag zwar bald stattfinden, doch frei von finanziellen Verpflichtungen ist Großbritannien noch lange nicht.

Auch die Übergangszeit, die bis Ende 2020 dauert, hat es in sich. Großbritannien wird weiterhin in das EU-Budget einzahlen und muss die Regeln des Binnenmarktes einhalten und neue Regeln übernehmen. Mitreden darf das Land jedoch nicht mehr.

Trotzdem ist die Regierung erleichtert, dass es eine Übergangsfrist gibt. Die Regierung schätzt selbst, dass die Wirtschaftsleistung Großbritanniens dauerhaft um 8 % niedriger sein wird, wenn die EU verlassen wird. Großbritannien kann zwar knapp 10 Mrd. Pfund pro Jahr einsparen, doch verliert langfristig pro Jahr 160 Mrd. Pfund an Wirtschaftsleistung. Da muss man nicht lange rechnen, um zu erkennen, dass der Deal schlecht ist.

Zu allem Überfluss ist Großbritannien sehr stark von Güterimporten abhängig. Die Handelsbilanz ist tiefrot. Auch die Abwertung der Währung nach dem Referendum hat daran nichts geändert. Letztlich bedeutet dies langfristig höhere Inflation. Die Bevölkerung wird das nicht freuen. Schon jetzt steigen die Reallöhne nicht mehr.

Immerhin kann Großbritannien in der Übergangszeit neue Handelsbeziehungen aufbauen. Ein Teil der Nachteile, die durch den Brexit entstehen, lassen sich in dieser Zeit vielleicht wieder wegverhandeln. Das bleibt abzuwarten.

Der drohende Handelskonflikt mit den USA lässt jedoch Zweifel aufkommen wie gut Großbritannien allein zurechtkommen wird. In Konfliktsituationen ist es immer einfacher, wenn man eine Gemeinschaft ist, die fast 20 % der globalen Wirtschaftsleistung repräsentiert. Die Verhandlungsmacht ist einfach größer.

Je länger sich die Verhandlungen hinziehen, desto offensichtlicher werden die Probleme, mit denen Großbritannien in Zukunft kämpfen muss. Erst sind die Kosten der Scheidung sehr hoch und dann droht ein Verlust von Wirtschaftsleistung. Es ist zudem unwahrscheinlich, dass Großbritannien seine Souveränität komplett wiedererlangt. Jedes bilaterale Abkommen beschränkt die Souveränität bis zu einem gewissen Grad. Es fällt also wirklich schwer das Positive zu sehen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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