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Kommentar
13:08 Uhr, 22.04.2025

"Bond Vigilantes": Ein Begriff, den man sich merken sollte

Unter "Bond Vigilantes" versteht man Marktteilnehmer am Anleihemarkt, die durch gezielte Verkäufe von Staatsanleihen auf aus ihrer Sicht unverantwortliche Fiskalpolitik reagieren. Der Begriff beschreibt - zumeist institutionelle - Investoren, die Staaten durch den Verkauf von Staatsanleihen mit steigenden Renditen bestrafen und damit ein disziplinierendes Gegengewicht zur Regierungspolitik darstellen.

Der Begriff wurde in den 1980er-Jahren in den USA geprägt – insbesondere in Zusammenhang mit der Reagan-Administration. Damals stiegen Haushaltsdefizite stark an, woraufhin die Renditen von US-Staatsanleihen deutlich zulegten. Der Begriff „Bond Vigilantes“ („Anleihen-Selbstjustizler“) ist eine Anspielung auf jene Personen, die in Wildwest-Filmen das Gesetz in die eigene Hand nehmen, um für Ordnung zu sorgen – nur hier halt nicht mit Waffen, sondern mit Kapitalströmen. Wie disziplinierend das sein kann, ist derzeit sehr prägnant in den USA zu beobachten.

Wie wichtig der Bondmarkt ist, musste auch vor zweieinhalb Jahren die damalige britische Premierministerin Liz Truss lernen. Ihr politisches Schicksal war im Herbst 2022 eng mit einer schweren Vertrauenskrise am britischen Staatsanleihemarkt verbunden. Auslöser war das sogenannte "Mini-Budget", das ihre Regierung am 23. September 2022 vorlegte. Es enthielt Steuersenkungen in Höhe von 45 Mrd. £ und staatliche Energiepreisstützungen, jedoch ohne klare Gegenfinanzierung durch Ausgabenkürzungen oder Einnahmesteigerungen. Das führte zu massiven Zweifeln an der Tragfähigkeit der britischen Staatsfinanzen. Investoren reagierten mit dem Abverkauf britischer Staatsanleihen (Gilts), was die Renditen in kurzer Zeit sprunghaft steigen ließ. Die Bank of England musste dann sogar ein befristetes Notkaufprogramm für langfristige Gilts in Höhe von bis zu 65 Mrd. £ ankündigen, um die Stabilität des Finanzsystems zu sichern.

Der entstandene politische Schaden hingegen war nicht mehr zu reparieren: Erst entließ Truss ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng, dessen Nachfolger Jeremy Hunt große Teile des Mini-Budgets zurücknahm. Doch auch Truss selbst verlor den Rückhalt in der eigenen Partei und musste schließlich nach nur 44 Tagen im Amt zurücktreten. Damit hält sie den Rekord für die kürzeste Amtszeit eines Premierministers in der britischen Geschichte. Der Fall gilt seither als Beispiel dafür, wie empfindlich der Anleihemarkt auf unkoordinierte Fiskalpolitik reagieren kann und wie schnell Märkte politische Karrieren beenden können.

Oliver Kantimm, Redaktion "Der Aktionärsbrief"

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