Bond Notes – naht das Ende der Welt?
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Als eingefleischter Bond-Muffel betrachte ich die Entwicklungen auf dem Anleihemarkt natürlich mit der gebotenen Skepsis. Ich war schon skeptisch, als die jetzt ins Trudeln geratenen Wertpapiere noch als sicher angepriesen wurden. Aber ich bin auch skeptisch, wenn einige Beobachter bereits eine Katastrophe kosmischen Ausmaßes heraufbeschwören. Fluktuationen sind auf Kapitalmärkten ebenso natürlich wie gelegentliche Überflutungen in den Tiefebenen. Das mag jedoch für jemandem, dessen Haus (oder Hypotheken-Portfolio) davon gespült wurde, wenig tröstlich sein. Lassen Sie uns daher einmal einen genaueren Blick auf die neuesten Entwicklungen werfen.
Wir erleben seit geraumer Zeit eine verstärkte Hinwendung zu Qualitätswerten. Anleiheinvestoren stoßen Risikowerte wie Hypothekenwerte, High-Grade-Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen sowie die nunmehr berüchtigten CDOs (Collateralized Debt obligations) zugunsten von USSchatzwechseln ab. Die plötzlichen – nach Meinung vieler Analysten verspäteten – „ratings migrations“ bei Subprime-Hypothekentiteln durch Moody’s, S&P und Fitch belasteten die Märkte zusätzlich. Sofern Sie mit den neuesten Euphemismen von der Wall Street nicht vertraut sind: „ratings migration“ hat nichts mit dem Zug der Singvögel zu tun. Früher nannten wir das Kind noch beim Namen: „credit downgrades“. Soll heißen: Bonitätsherabstufungen. Downgrades haben in der Regel Abverkäufe zur Folge. Überdies lassen die Broker zunehmend die Finger von Bonds, die in den Dunstkreis des CDO-Marktes geraten sind. Da sich jetzt nur noch wenige Käufer für die risikoreichsten Anlageformen finden, senken Finanzintermediäre und Hedgefonds ihre Risikoprofile. Das geschieht entweder durch Verkauf ihrer liquidesten Risikowerte oder durch Kauf von Credit Protection auf den Terminmärkten. Entsprechend hat sich hier bereits eine Schieflage eingestellt. Letztendlich steht nur wenigen Anlegern der Sinn nach Risiko gleich welcher Art.
Diese Probleme sind allerdings nicht auf die CDO- und Hypothekenmärkte beschränkt. Sofern die Käufer sich im High-Yield-Bereich stur stellen, mag dies allerdings eher mit den zu unternehmensfreundlichen Anleihebedingungen („bond covenants“) und übermäßiger Fremdfinanzierung von LBOs zu tun haben als mit negativen Entwicklungen in Schwestermärkten. Nichtsdestotrotz haben Banken Überbrückungskredite ausgereicht, um später über Collateralized Loan Obligations (CLO) Gewinne einzustreichen. Auf den traditionellen High-Yield-Märkten muss man also damit rechnen, dass die Überbrückungskredite länger in den Büchern bleiben als ursprünglich vorgesehen. Zur Absicherung dieses Credit Risk greifen die Banken jetzt zunehmend auf den bereits überschwemmten Kreditderivatemarkt zurück.
Mehrere Hedgefonds haben bereits dichtgemacht oder stehen vor dem Kollaps, andere können ihre Bestände nur mit Mühe finanzieren. Die Hedgefonds-Krise ist global, die betroffenen Fonds befinden sich in New York, London und Sydney. Ich würde mich auch gar nicht wundern, wenn sich alsbald weitere internationale Standorte dazugesellten. Hinzu kommt, dass die Spreads von Anleihen des Finanzsektors (Banken, Broker, Hypothekengläubiger usw.) im Vergleich zu Versorger- und Industriewerten erhebliche Rückschläge hinnehmen mussten. Es verwundert daher nicht, dass die Finanzpresse mit Begriffen wie „Erschütterung“, „Blutbad“ und „Weltuntergang“ ein düsteres Bild malt. Gleichwohl ist es an der Zeit für einen Reality Check.
Krise? Kann man wohl sagen. Weltuntergang? Wohl kaum. Kurz vor der Talsohle? Mitnichten! Lassen Sie uns einmal prüfen, welche künftigen Ereignisse ein Indiz für das Erreichen der Talsohle wären. Ungewissheit ist eine finanzielle Größe an den Kapitalmärkten. Auf dem Anleihemarkt besteht insofern Ungewissheit, als dass das Ausmaß notleidender Kredite unklar ist. Werden die Inhaber notleidender Unternehmensanleihen sich gezwungen sehen, ihre Werte auf einem uninteressierten Markt zu verkaufen? Ungewiss ist zudem die Reichweite der Kreditausfälle, Zwangsvollstreckungen und Verluste am Markt für Wohnungsbaukredite. Anlass zur Sorge geben ferner die negativen Folgen variabler Hypothekenzinsen. Die höheren Abtragszahlungen werden zwangsläufig die Budgets vieler Eigenheimbesitzer strapazieren. Mit Zahlungsausfällen ist zu rechnen. Sobald sich hier mehr Klarheit einstellt, sollte sich auch die Stimmung in der Anlegerschaft heben.
Wenn der Kurs von Risikowerten unter ihren langfristigen Substanzwert fällt, gilt das gemeinhin als Indiz für den Eintritt in die Talsohle. Aber Unterbewertung ist nicht das einzige Anzeichen. Die Risikowerte müssen auch tatsächlich bei einem so niedrigen Preis den Besitzer wechseln, der sich nicht durch die Rahmendaten rechtfertigen lässt.
Und so sicher, wie sich auch die Fluten immer wieder zurückziehen, so setzen sich auch immer wieder die seinerzeit von Adam Smith, dem Begründer der Nationalökonomie, beschriebenen Marktinstinkte durch. Das bringt mich zu einem weiteren Klischee von der Wall Street: „real money buyers“. „Real“ soll hier als Gegensatz zu aufgenommenem Geld verstanden werden. Der Begriff bezieht sich sowohl auf Anleihefonds als auch institutionelle Investoren außerhalb des Hedgefonds-Segments. „Real-Money“-Käufer tauchen – zumindest seit dem Zusammenbruch des New Yorker Investmenthauses Drexel Burnham Ende der 1980er Jahre – immer dann auf, wenn der Tiefstpunkt des Risikozyklus erreicht ist. Mein verhaltener Optimismus mag naiv oder unangebracht erscheinen, aber ich gehe davon aus, dass die gegenwärtigen Turbulenzen smarten Anleiheinvestoren eine hervorragende Kaufgelegenheit bieten. Wer vorher den Weitblick hatte, sich von den Krisensektoren fern zu halten, ist jetzt in der idealen Position, um Risikowerte zu Dumpingpreisen zu kaufen. Denn so erzeugt man schließlich Alpha.
Quelle: ING Investment Managment
ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit Euro annähernd 400 Milliarden Assets under Management (Q2 2007), vertreten in 30 Ländern mit 2.500 Experten (Europa: 713, Americas: 866, APAC: 921), ist ING Investment Management (ING IM) weltweit unter den Top 25 im Asset Management. ING IM Europe hat Niederlassungen in 14 europäischen Ländern mit annähernd Euro 160 Milliarden Assets (Q2 2007) under Management.
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