Kommentar
15:15 Uhr, 18.02.2003

Börsen und Kriege - Strategien für die Anleger

Zu den größten Unsicherheiten für die globalen Volkswirtschaften und die Aktienmärkte Ende 2002 und Anfang 2003 gehört die Wahrscheinlichkeit eines Krieges im Irak. Es ist schwierig, die genauen Auswirkungen eines Krieges auf die Weltmärkte vorherzusagen. Die Geschichte hat jedoch gezeigt, dass Kriege in der Regel längerfristige Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben und kurzfristig zu erhöhten Schwankungen an den Aktienmärkten führen. Im vorliegenden Beitrag werden wir uns auf Basis der gegenwärtigen Erkenntnisse mit den möglichen Auswirkungen eines potenziellen Militärkonflikts im Irak beschäftigen und der Frage nachgehen, was das für Anleger bedeutet.

Insbesondere untersuchen wir die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Krieges, wobei wir den Schwerpunkt auf den Ölpreis und die Auswirkungen auf die Aktien- und Anleihemärkte legen. Zudem stellen wir einige zentrale Strategien vor, die Anleger für den Fall eines Krieges verfolgen könnten.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Krieges

Aus ökonomischer Sicht wirkt sich ein Militärkonflikt vor allem auf die Staatsausgaben und das Wirtschaftswachstum aus. Das folgende Schaubild zeigt, wie sich verschiedene Arten von Konflikten in der Regel auf die Weltwirtschaft auswirken. Die Anzahl der an einem Konflikt beteiligten Länder bestimmt Ausmaß und Ausbreitung des Krieges, während die Dauer des Krieges in Jahren gemessen wird.

Längere und geographisch stärker ausgedehnte Kriege haben in der Regel kurzfristig positive Auswirkungen auf das BIP-Wachstum und die Inflation. Bei Kriegsende kehren sich diese Auswirkungen in der Regel aber wieder um und erreichen ihr Niveau vor Beginn der militärischen Auseinandersetzung und können damit das Wirtschaftswachstum hemmen. Insbesondere in Regionen, für die Rohstoffe eine grosse Rolle spielen, können Konflikte ausbrechen und einen erheblichen Anstieg der Rohstoffpreise nach sich ziehen.

Ölpreise und ihre Auswirkungen - Erfahrungen aus dem Golfkrieg

Bei einer potenziellen militärischen Auseinandersetzung im Irak spielt der Ölpreis eine wichtige Rolle. Im Vordergrund steht insbesondere die Frage, wie hoch der Ölpreis steigen und wie lange er auf höherem Niveau verharren wird. Je höher und länger der Ölpreisanstieg, desto negativer die Auswirkungen auf das globale Wirtschaftswachstum. Während des Golfkriegs 1990/1991 verzeichnete der Ölpreis zwischenzeitlich einen Anstieg um 160,1%, wie die unten stehende Graphik veranschaulicht.

Phase 1 02.08.90 Einmarsch des Irak in Kuwait
Phase 2 17.01.91 Beginn des Golfkrieges (Luftkrieg)
Phase 3 25.02.91 Beginn des Bodenkrieges
Phase 4 09.04.91 Kriegsende

Die gute Nachricht ist, dass der Ölpreis schon angefangen hatte, zu fallen, als der Bodenkrieg begann. Und wie die Tabelle oben zeigt, war der Ölpreis bei Ende des Golfkriegs schon wieder deutlich zurückgegangen auf nur noch 53% des Höchststands und bewegte sich auf dem Niveau vor dem Einmarsch. Wegen der aktuellen Spannungen mit dem Irak sowie des Generalstreiks in Venezuela ist der Ölpreis um 48,8% gegenüber seinem Stand Anfang 2002 gestiegen. Wenn dies so bleibt, könnte das negative Auswirkungen auf das globale Wachstum haben. Eine Lösung des Irak-Konflikts dürfte jedoch einen Rückgang des Ölpreises am Kassamarkt nach sich ziehen, da der Kriegsaufschlag entfallen würde.

Zwei mögliche Szenarien

Auf Basis der gegenwärtigen Erkenntnisse hinsichtlich eines möglichen Krieges gegen den Irak stehen vor allem die nachfolgenden zwei Szenarien im Vordergrund:

1. Der Krieg könnte in einen langen, mehr als ein Jahr dauernden Kampf münden, bei dem man auf erbitterten Widerstand der Iraker trifft. Mitunter wird dieses Szenario mit dem Konflikt in Vietnam verglichen, der vom 7. August 1964 bis zum 30. April 1975 dauerte - also nahezu elf Jahre. In diesem Fall würde der Ölpreis weiter steigen und damit längerfristig die Inflation nach oben treiben, was sich wiederum auf das BIP-Wachstum auswirken würde. Das Haushaltsdefizit in den USA würde wegen der höheren Staatsausgaben und des schwächeren Dollars weiter zunehmen. Bezogen auf die Märkte hätte dies negative Auswirkungen auf die Aktienmärkte, während Staatsanleihen ihre Rally fortsetzen dürften. Für die gesamte Dauer des Krieges würde sich die Risikoscheu der Anleger weltweit fortsetzen.

2. Es kommt zu einem kurzen, bis zu sechs Monate dauernden Krieg. In diesem Fall dürfte der Ölpreis wegen der Angst vor einer Angebotsverknappung kurz und stark ansteigen, während es an den Aktienmärkten kurzfristig zu Kursverlusten kommen dürfte. Wegen ihres Status als so genannter "sicherer Hafen" dürften Staatsanleihen von diesem Szenario profitieren. Insgesamt geht man jedoch davon aus, dass der Ölpreis fallen, das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen wieder steigen und die Wachstumsprognosen nach oben korrigiert werden, sobald der Krieg beendet ist. Die häufig zitierte Parallele ist der Golfkrieg, der vom Beginn des irakischen Einmarschs nach Kuwait am 2. August 1990 bis zum Ende des Krieges am 9. April 1991 genau 250 Tage dauerte.

Unsere Fidelity-Analysten sind keine Militärstrategen und es ist unmöglich, die Zukunft vorauszusagen. Viele Beobachter gehen jedoch davon aus, dass das wahrscheinlichste Szenario ein kurzer Krieg mit einem Übergang zu Frieden in der Region ist. Für die globalen Wachstumsaussichten wäre dieses Szenario auf jeden Fall das wünschenswertere, denn damit hätten die Unwägbarkeiten eines Krieges ein Ende. Zwar würde der Ölpreis zunächst stark ansteigen, dürfte aber schließlich wieder auf ein annehmbareres Niveau fallen. Von ihren Tiefständen könnten sich dann auch die Aktienmärkte wieder erholen.

Um das potenzielle Risiko von Kursrückgängen an den Aktienmärkten während eines Konflikts zu analysieren ist es hilfreich, sich die Erfahrungen aus der Vergangenheit anzuschauen, insbesondere die Reaktionen an den Aktienmärkten bei Ausbruch früherer Kriege.

Erst spürbarer Rückgang, dann starke Rally an den Aktienmärkten

Aus der oben stehenden Graphik geht hervor, dass die Märkte nach dem Einmarsch der Iraker in Kuwait zunächst deutlich nachgaben. So verloren der S&P 500 Composite Index 19,2%, der FTSE 100 16,2% und der DJ EURO STOXX 50SM Index 27,5% bezogen auf die jeweilige Landeswährung ausgehend von den Höchstständen 1990 bis zu den Tiefstständen nach dem Einmarsch. Danach gab es eine Kursrally, als die alliierten Streitkräfte ihre Operationen begannen. Ein Jahr nach dem Einmarsch hatte sich der DJ EURO STOXX 50SM Index bereits um 35,5% erholt.

Staatsanleihen erzielen in Konfliktsituation zunächst eine gute Performance

In unsicheren Zeiten schichten viele Anleger in vermeintlich sichere Staatsanleihen und Geldmarktinstrumente um. Sie sind aber möglicherweise dann im Nachteil, wenn eine Rally an den Aktienmärkten einsetzt und sie den Beginn des Aufwärtstrends verpassen. Genau diese Erfahrung mussten Inhaber von Anleihen im Golfkrieg machen.

Wertentwicklung von Anleihen während des Golfkrieges

Nach welcher Strategie sollten Anleger nun vorgehen?

In Zeiten vermehrter Unsicherheit gibt es verschiedene Strategien, die Anleger verfolgen können.

1. Für den Fall, dass Anleger ihr Anlagekapital nicht unmittelbar brauchen, könnte es angesichts des aktuellen Marktklimas und der langfristigen Aussichten besser sein, die Bestände zu halten und nicht zu verkaufen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass Anleger möglicherweise zu einem Zeitpunkt verkaufen, an dem die Märkte ihren Tiefpunkt annähernd erreicht haben. Hinzu kommt, dass - wie die vorstehenden Daten zeigen - es häufig zu einem vergleichsweise starken Wiederanstieg an den Märkten kommt. Man kann davon ausgehen, dass militärische Konflikte längerfristig nichts an der grundlegenden Beziehung zwischen den verschiedenen Anlageklassen ändern, von denen Aktien die attraktivste Anlageklasse für die Anleger bleiben, die einen langfristigen Kapitalzuwachs anstreben.

2. Anlegern, die ihr Anlagekapital nicht langfristig binden können oder ihr Risiko streuen möchten, stehen mehrere Optionen zur Verfügung. Eine Möglichkeit ist, einen Teil ihres Portfolios in Renten- oder geldmarktnahe Fonds umschichten. Solche Anlagen zeichnen sich durch ein geringeres Risiko aus, sie beinhalten aber auch ein geringeres Ertragspotenzial als Aktienfonds. Durch Umschichten in diese Anlageklassen können Anleger jedoch unter Umständen den Zeitpunkt für den Beginn eines Aufschwungs an den Aktienmärkten verpassen.

3. Anleger, die ihr Risiko streuen oder über freie Mittel verfügen, die sie in Aktien anlegen wollen, sollten die Vorteile einer Risikostreuung auf verschiedene Anlageklassen oder geographische Regionen berücksichtigen.

Wie sieht die Wertentwicklung der einzelnen Branchen in Konfliktphasen aus?

Wie bereits erwähnt, setzte bei Beginn der Operation "Wüstensturm" am 17. Januar 1991 eine Rally an den Aktienmärkten ein. Zyklische Branchen wie Öl schnitten hierbei schlecht ab, während andere Branchen wie Finanzdienstleister Rückenwind verspürten. Der S&P 500 Index wurde von defensiven Branchen wie Pharma und Tabak dominiert, während Versorger zu den Verlierern gehörten. Wenn die Erfahrungen der Vergangenheit in irgendeiner Weise Rückschlüsse auf die Gegenwart zulassen können, dann dürften Anleger gut beraten sein, kurzfristig defensiveren Branchen den Vorzug zu geben und erst dann wieder in Branchen mit einem höheren Beta-Koeffizienten* (und damit höherem Risiko) umzuschichten, wenn der Konflikt und die Unsicherheiten beendet sind.

*Anmerkung: Der Beta-Koeffizient misst die Volatilität einer Aktie.

Welche Position nimmt Fidelity im Hinblick auf diese Unwägbarkeiten ein?

Wir möchten zunächst noch einmal unterstreichen, dass Fidelity den so genannten Bottom-up-Ansatz verwendet. Das bedeutet, dass unsere Fondsmanager Unternehmen anhand ihrer individuellen Ergebnisse bewerten und nicht den Versuch unternehmen, den Zeitpunkt für Markttrends zu bestimmen. Auch in unsicheren Zeiten stehen für unsere Manager die Geschäftsstrategie, Fundamentaldaten, Rentabilität, Finanzkraft, die Fähigkeit zur Erzeugung von Cashflow sowie die künftige Wachstumsstrategie der einzelnen in unserem Portfolio enthaltenen Unternehmen sowie potenzieller Investments im Vordergrund. Fidelity wird daher auch in turbulenten Zeiten an solchen Unternehmen festhalten, die unseres Erachtens über solide Zukunftsaussichten verfügen.

Schlussfolgerung:

Wie bereits festgestellt kann niemand den Ausgang eines möglichen Krieges im Irak vorhersehen. Aber viele Beobachter gehen davon aus, dass es im Falle eines Krieges zu einer kurzen militärischen Auseinandersetzung kommen wird und die Unsicherheiten beseitigt werden, die in jüngster Zeit wie ein Damoklesschwert über den weltweiten Märkten hingen. Anleger sollten berücksichtigen, dass aus Zeiten vermehrter Unsicherheit, wie wir sie gerade erleben, in der Vergangenheit häufig attraktive Anlagechancen hervorgegangen sind. In Zeiten erhöhter geopolitischer Unsicherheit ist ein Bottom-up-Ansatz, wie ihn Fidelity verfolgt, wahrscheinlich in der Lage, ein genaueres Bild des Geschäftsumfeldes zu vermitteln. Denn in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, wie wir sie zur Zeit erleben, macht es ein unsicherer Ausblick noch schwieriger, Entscheidungen zu treffen, die auf dem Top-down-Ansatz basieren. Dagegen gibt ein Bottom-up-Ansatz, dem laufende Treffen mit den einzelnen Unternehmen zugrunde liegen, ein detaillierteres, zeitlich exakteres und genaueres Bild über die Lage einzelner Unternehmen und wie sie sich verändern.

Die Erfahrungen der Vergangenheit legen den Schluss nahe, dass sich die Märkte nach und nach von einem Krieg erholen und schließlich einen höheren Stand erreichen als vor Kriegsausbruch. Daher sollten Anleger angesichts der Verunsicherung, die derzeit an den internationalen Aktienmärkten herrscht, längerfristig denken. Zudem scheint es - angesichts der jüngsten Performance an den internationalen Aktienmärkten -, dass ein Großteil der "schlechten Nachrichten" schon in den Kursen eingepreist sein könnte. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass wir bei Ausbruch eines Krieges weitere erhebliche Schwankungen an den Märkten beobachten können.

Quelle: Fidelity

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