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18:49 Uhr, 24.08.2001

BoerseGO Wrap Up: Alles nur "heiße Luft"?

Die Reorganisation geht bei den meisten Unternehmen im Technologie-Sektor unaufhaltsam weiter. 2001 - das Jahr der "bad news" und der geteilten Meinungen. Die Bullen argumentieren mit den Zinssenkungen, die der Wirtschaft als bald die nötige Liquidität geben wird, die sie benötigt. Auch die Steuersenkungen, die sich vor wenigen Wochen in einer ersten Runde auswirkten, sollen der angeschlagenen Wirtschaft unter die Arme greifen.

Die Investoren haben indes wenig Zeit, um über Rezessionsgefahren oder gar die Inflation zu diskutieren: Viel zu viel sind sie damit beschäftigt, sich von ihren Depotleichen zu verabschieden und nach neuen Chancen zu suchen, die schlechten Nachrichten zu verwalten oder einfach nur die Wunden aus dem katastrophalen Marktverlauf der letzten Monate zu lecken.

Nachdem die Research Abteilung der Deutsche Bank durch eine blamable Aktion die Volksaktie der Deutschen Telekom erst zum Kauf empfahl, stellten die Market Maker des Branchenprimus am Folgetag 44 Mio. Aktien zum Verkauf in den Markt. Wie bekannt wurde, stammte der Großteil des Aktienpaketes vom Hong Konger Telekomunternehmen Hutchinson Whampoa.

Juristisch sei der Deutschen Bank hier nichts vorzuwerfen, so die einhellige Meinung von Analysten. Doch auf der anderen Seite war die Aktion für den Kleinaktionär wie ein Schlag ins Gesicht. "Die Volksaktie und damit die Aktienkultur wackelt," schrieb das Handelsblatt in dieser Woche. Und zu Recht.

Auch wenn die Aktien der Deutschen Telekom am Freitag gegenwärtig um 9.09% auf 18.13 Euro zulegen können, bleibt ein angekratztes Image der Deutschen Bank. Nicht zu vergessen sind auch die Kleinanleger, deren Vertrauen einmal mehr auf die Probe gestellt wurde.

Sonera kündigte indessen an, bis zum Jahresende 72 Mio. Aktien der DTAG verkaufen zu wollen. Auch vermeldete in dieser Woche Telephone & Data Systems, Aktien der Deutschen Telekom verkaufen zu wollen. TDS hält laut eigenen Angaben 131.5 Mio. DTAG-Aktien. Allerdings sei ein Verkauf der Aktien zum aktuellen Kurs "unwahrscheinlich," so ein Unternehmenssprecher.

Gestern schrieb der technische Analyst von Hilliard Lyons Research, Richard Dickson, dass seine Indikatoren eine kurzfristig leicht überverkaufte Marktsituation im Technologiesegment aufzeigen würden, was zu steigenden Kursen in den nächsten Tagen führen könnte. Er rät den Investoren, die Rallyes zum Verkauf zu nutzen.

Und tatsächlich: Der Markt kann in den USA sowie in Deutschland am heutigen Freitag stark ansteigen. Der Nasdaq Composite steigt in einem starken Intraday-Aufwärtstrend um 2.98% oder 54.87 Punkte auf 1897.84 Zähler. Auch der konservativer angehauchte Standard & Poor´s 500 Index kann um erwähnenswerte 1.74% oder 20.22 Punkte auf 1182.31 Zähler ansteigen. Der Dow gewinnt satte 207.86 Punkte oder 2.03% auf 10437.01 hinzu.

Besonders stark können sich heute Netzwerk- und Halbleiter-Aktien entwickeln. Der Philadelphia Semiconductor Index steigt zur Stunde um 5.03% auf 588.56 Zähler, der AMEX Networking Networking Index kann um 4.12% Prozentpunkte zulegen.

Der primäre Impuls für die steigenden Kurse ist laut Marktbeobachtern nebst einer rein charttechnischen Erholung die Meldung von Cisco Systems, das Geschäftsfeld in 11 Kernbereiche aufteilen zu wollen.

Während Analysten nicht viel neues und überraschendes in der Ankündigung erkennen können, nehmen Investoren die Meldung zum Anlass, die Aktien zu kaufen. Cisco steigen zur Stunde um 6.98% oder $1.17 auf $17.93, das Intraday-Hoch lag bei $18.08.

Laut Morgan Stanley sei die Aufteilung in 11 Geschäftsbereiche nichts berauschend Neues. Die CS First Boston bezweifelt sogar die reelle Auswirkung der Reorganisation auf das operative Geschäft. Die ABN Amro sieht in der Ankündigung vom CEO John Chambers, er sehe eine Stabilisierung, maximal eine Garantie dafür, dass die bereits gemachten Schätzungen erreicht werden können. Vielmehr sieht die niederländische Großbank hierin die Gefahr weiterer Stellenkürzungen in der Vorstandsebene.

Der amerikanische Finanzsender CNBC stellte die Ankündigung von Cisco Systems in Frage, es sei nichts wirklich entscheidendes über die kommenden Quartale gesagt worden. "Alles nur heiße Luft?" so ein Zitat vom weltweit führenden Nachrichtensender CNBC.

Nichts desto trotz möchten wir nichts schwarzmalen: Chambers sprach von einer Erholung und auch ein Argument der Bullen wird von Tag zu Tag legitimer: Irgendwann kann es nicht mehr schlimmer werden.

Der holländische Elektronikkonzern Phillips untermauerte mit einer Meldung am Freitag dieses Argument: Der CEO Gerard Kleisterlee kündigte an, eine erste Erholung im Sektor von Phillips erkennen zu können.

Ein weiterer Sektor könnte demnächst wieder in eine rosigere Zukunft blicken: Microsoft kündigte am Freitag an, die Entwicklungsarbeiten an dem neuen Betriebssystem Windows XP abgeschlossen zu haben. Die ersten CDs seien bereits auf dem Weg zu den PC-Fabrikanten.

Aber auch hier ist der Markt in zwei Lager gespalten: Zum einen berichtete das Wall Street Journal mit einem Leitartikel darüber, dass der Abschwung im PC-Sektor mehr als nur zyklischer Natur sei. Die Preissenkungen von Intel und AMD würden in den nächsten Monaten die Margen noch weiter unter Druck bringen.

Analysten im anderen Lager sind der Meinung, dass das neue Betriebssystem des Softwareriesen die Nachfrage nach neuen PCs ankurbeln könne. Auch Intel sprach von einer Erholung der PC-Nachfrage zum Ende des Jahres.

Einen guten Rat gab Anfang der Woche Ralph Acampora den Investoren: Acampora sieht den Markt in "Gut und Böse" aufgeteilt, und die Unterschreitung der kurzfristigen Unterstützungslinie beim Nasdaq Composite und beim S&P 500 sieht der Analyst als Ausweitung der Trading Ranges, in denen sich die Indices in den nächsten Wochen bewegen werden.

Er empfiehlt seinen Kunden, die Unterstützungslinien der Aktien und Sektoren, aber auch der Indices genau zu beobachten. Laut dem Analysten spaltet diese Dualität den Markt: Es gibt Sektoren, die profitieren, und Sektoren, die stetig weiter abgeben. Daher empfiehlt er starke Selektion bei dem Kauf von Aktien und eine penibel genaue Beachtung von Unterstützungslinien und Nachrichten im Markt.

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