Bitkom sieht AfD-Positionen als Gefahr für Deutschlands Digitalwirtschaft
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Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones) - Forderungen der AfD würden Deutschlands digitale Wirtschaft beschädigen und ihre Wettbewerbsfähigkeit massiv belasten. Zu diesem Schluss kommt der Digitalverband Bitkom in einem Positionspapier. Der Verband warnte, dass die Ausrichtung der AfD den Grundwerten und Zielen der deutschen Digitalwirtschaft in fast allen Feldern diametral entgegenstehe.
"Deutschlands digitale Wirtschaft steht für Innovation und Internationalität, für eine offene Gesellschaft, weltweiten Austausch und permanenten Wandel. Die digitale Wirtschaft entwickelt Technologien, die Menschen auf der ganzen Welt verbinden, Grenzen überwinden und die Entstehung einer globalen Gemeinschaft fördern", sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
Bitkom untersuchte konkrete Positionen der AfD in sechs Politikfeldern im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf die digitale Wirtschaft. Zu diesen Bereichen gehören Zuwanderung, Binnenmarkt, Bildung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Technologie und Innovation sowie digitale Souveränität.
Der Digitalverband kommt zu dem Schluss, dass sich unter den Bedingungen der AfD-Politik etwa der IT-Fachkräftemangel massiv verschärfen würde. Bereits 2023 fehlten in Deutschland 149.000 IT- Spezialisten. Ohne Zuwanderung sei diese Lücke nicht zu schließen. "In Deutschlands IT- und Telekommunikations-Unternehmen arbeiten fast 1,4 Millionen Menschen aus allen Regionen und Ländern. 180.000 Menschen sind anderer Nationalität, 70 Prozent kommen von außerhalb der EU. Sie sind unverzichtbar für das digitale Deutschland. Vielfalt macht uns stark", sagte Wintergerst. "Wenn wir Schritt halten wollen mit den führenden Innovationsstandorten wie den USA und China, müssen wir die besten IT-Fachleute der Welt nach Deutschland holen."
Diese Menschen könnten sich aussuchen, wo sie arbeiteten - Deutschland bewerbe sich bei ihnen, nicht umgekehrt. Daher müsse Deutschland nicht nur als Wirtschaftsstandort, sondern auch als Lebensmittelpunkt hochattraktiv sein.
Sorge wegen Leugnung des menschengemachten Klimawandels
Große Sorge bereitet der deutschen Digitalwirtschaft nach eigener Aussage auch die Leugnung des menschengemachten Klimawandels. "Davor die Augen zu verschließen, nimmt uns in der Wirtschaft Chancen", heißt es in dem Papier. Aus wissenschaftlicher Perspektive sei unstrittig, dass man die Art und Weise, in der man lebe, wirtschafte und arbeite klimagerecht weiterentwickeln müsse. Es gehe darum, die Potenziale digitaler Technologien umfassend für Klima- und Umweltschutz nutzbar zu machen und gleichzeitig den Wohlstand in der Breite der Gesellschaft zu fördern.
Auch beim Thema Bildung stehen die Positionen der AfD den Bedarfen deutscher Unternehmen entgegen. So richte sich die AfD in ihrem Europawahlprogramm explizit gegen "Bestrebungen, den Unterricht generell zu digitalisieren", wie der Verband warnte. Der Bitkom und seine Unternehmen stünden dagegen für ein zeitgemäßes Bildungssystem, zu dem digitale Lehr- und Lernmethoden selbstverständlich dazugehören. "In der digitalen Welt sind Medienkompetenz und digitale Fähigkeiten genauso wichtig wie der klassische schulische Bildungskanon", sagte Wintergerst.
Auch die AfD-Forderungen nach einem Austritt aus der EU, die grundsätzliche Technologie- und Innovationsaversion sowie ihr Ruf nach Autarkie der EU-Mitgliedstaaten lehnen die Unternehmen der deutschen Digitalwirtschaft entschieden ab. Eine rückwärtsgewandte Politik, die Deutschland von den globalen Entwicklungen der digitalen Wirtschaft entkoppeln wolle und Grenzen hochziehe, wo man Offenheit brauche, sei eine "massive Gefahr für den Wirtschaftsstandort" Deutschland, wie Bitkom warnte.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
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