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10:15 Uhr, 26.02.2024

Bitkom: Digitalisierung kann 2030 mehr als 70 Mio Tonnen CO2 einsparen

BERLIN (Dow Jones) - Digitale Technologien können laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom wesentlich dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erfüllt. Der jährliche Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) in Deutschland könnte 2030 um rund 73 Millionen Tonnen reduziert werden, sofern die Digitalisierung beschleunigt wird, wie aus der neuen Bitkom-Studie "Klimaeffekte der Digitalisierung" hervorgeht. Dabei sind die höheren CO2-Emissionen, die durch den Einsatz dieser Technologien unter anderem in Rechenzentren und bei Endgeräten entstehen, bereits berücksichtigt. Digitale Technologien könnten demnach rund 24 Prozent zum selbstgesteckten Klimaziel 2030 beitragen. Die größten Hebel lägen dabei im Energie- und Gebäudebereich.

Einsparpotenzial ergeben sich laut Bitkom etwa bei Windrädern, die mithilfe von Sensoren ihre Rotorblätter optimal an die Windstärke anpassen, bei Feldern, die auf Basis von Satellitendaten sparsamer gedüngt werden, oder bei Fabriken, die dank Künstlicher Intelligenz hocheffizient produzierten und dabei Energie einsparten.

"Mit der Digitalisierung besitzen wir einen starken Hebel, um die CO2-Emissionen deutlich zu senken und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Je ambitionierter der Einsatz digitaler Technologien vorangetrieben wird, desto größer sind die Einsparungen", sagte Bitkom-Vizepräsidentin Christina Raab anlässlich der Vorstellung der Studie.

Sollte die Digitalisierung nicht beschleunigt werden, sondern im bisherigen Tempo fortschreiten, lassen sich der Studie zufolge im Jahr 2030 Einsparungen von rund 50 Millionen Tonnen CO2 erzielen - das entspräche 16 Prozent der Zielvorgabe. 2022 lag Deutschlands CO2-Ausstoß noch bei 746 Millionen Tonnen, 2023 laut Schätzungen bei 673 Millionen Tonnen, 2030 soll er lediglich 438 Millionen Tonnen betragen.

   Intelligente Stromnetze und smarte Produktion von erneuerbarer Energie 

Das größte CO2-Einsparpotenzial durch digitale Technologien liegt laut Studie im Energiesektor. Hier können bei einer beschleunigten Digitalisierung bis zu 26,4 Millionen Tonnen CO2 und bei einer Standard-Digitalisierung 24,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030 eingespart werden. Ausschlaggebend seien hier zum einen Smart Grids, also intelligente Stromnetze, in denen Stromerzeugung und -verbrauch präzise gesteuert werden können. Zum anderen liegt hohes Einsparpotenzial in der smarten Produktion erneuerbarer Energien, so Bitkom.

Im Gebäudesektor könnten intelligente, vernetzte Gebäude viel Energie einsparen, etwa wenn ein Haus automatisch die Heizung herunterfährt, wenn ein Fenster geöffnet wird, oder wenn ein Büro die Klimaanlage je nach Wetterlage und Anzahl der anwesenden Personen intelligent regelt. Bei einer Standard-Verbreitung smarter Gebäudetechnologien im privaten und gewerblichen Bereich können laut Bitkom-Studie in 2030 rund 12,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Bei einer beschleunigten Verbreitung intelligenter Technologien sind es bis zu 18,3 Millionen Tonnen.

"Bisherige Förderprogramme für die energetische Sanierung von Gebäuden sind noch immer zu einseitig auf traditionelle Maßnahmen ausgerichtet. Den Kampf für das Klima gewinnen wir aber nicht allein mit dicker Dämmung, wir gewinnen ihn in erster Linie mit smarter Steuerung", betonte Raab.

   Vernetzte automatisierte Produktion in der Industrie 

In der industriellen Fertigung lassen sich bis zu 12,7 Millionen Tonnen CO2 bei einer beschleunigten Digitalisierung im Jahr 2030 einsparen - und 5,6 Millionen Tonnen bei einem Standard-Digitalisierungstempo. Eine maßgebliche Technologie ist zum einen die Automatisierung in der Produktion, bei der Anlagen und Maschinen, Werkstücke und ihre Bauteile miteinander vernetzt sind und Prozesse selbstständig unter möglichst geringem Material- und Energieeinsatz ablaufen. Zum anderen sorgt der sogenannte Digitale Zwilling für erhebliche CO2-Einsparungen: Diese virtuellen Abbilder kompletter Produktions- und Betriebszyklen ermöglichen es, Prozesse zunächst am digitalen statt am realen Objekt durchzuführen.

Im Verkehrssektor könnten bis zu 9,3 Millionen Tonnen CO2 bei einer beschleunigten Digitalisierung eingespart werden. Potenziale liegen der Studie zufolge vor allem in einem digitalen Verkehrsnetz und einer digitalen Verkehrsoptimierung, bei der etwa Sensoren an der Straße oder GPS-Systeme in Autos Echtzeitdaten liefern, mit denen Ampeln geschaltet, Verkehrsströme umgeleitet oder öffentliche Transportmittel verstärkt werden können.

In der Landwirtschaft könnten den Berechnungen zufolge bis zu 6 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. So könnten die mit hohem Energiebedarf hergestellten Düngemittel präzise und punktgenau an den Pflanzen aufgebracht werden. Auch in der Nutztierhaltung könnten durch den Einsatz digitaler Tierhaltungssysteme, die den Gesundheitszustand und die Fütterung von Rindern oder Schweinen überwachen, Einsparungen erzielt werden.

"Digitaler Klimaschutz ist eine riesige Chance für die deutsche Wirtschaft. Die Unternehmen erhalten und steigern so ihre Wettbewerbsfähigkeit und sparen gleichzeitig CO2 ein", sagte die Bitkom-Vizepräsidentin.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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