BIP: weniger Wachstum als erwartet, aber Qualität besser als gedacht
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1. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt hat im ersten Quartal 2006 um 0,4 % qoq zugenommen. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte, die im Mittel (Median) 0,6 % qoq erwartet hatten, enttäuscht, unsere ursprüngliche Prognose von 0,5 % qoq war zu Recht pessimistischer. Das Vorjahresniveau wird kalender- und saisonbereinigt um 1,4 %, unter Berücksichtigung der drei zusätzlichen Arbeitstage sogar um 2,9 % übertroffen.
2. Die heute veröffentlichten BIP-Daten sind lediglich eine Schnellschätzung. Details über die Zusammensetzung des Wachstums werden erst am 23. Mai veröffentlicht. Dennoch lassen sich auch heute schon folgende Tendenzen ausmachen:
• Eine bedeutende Stütze des Wachstums im ersten Quartal waren einmal mehr die Nettoexporte. Getragen von einer enormen weltwirtschaftlichen Dynamik – das Welt-BIP nahm im gleichen Zeitraum um annualisiert 5,4 % zu – stiegen die Exporte spürbar an. Gleichzeitig nahmen aber auch die Importe zu, vermutlich vor allem aufgrund von Vorleistungsimporten. Diese finden Eingang in die aktuelle Produktion, ein größerer Teil der Vorleistungsgüter könnte aber auch in die Vorratslager geflossen sein, denn die Unternehmen beginnen, sich für die Zeit zu wappnen, in der die mehrwertsteuerbedingt höhere Nachfrage bedient werden muss.
• Aufgrund des Streiks im nordrhein-westfälischen Statistischen Landesamt liegen keine Daten zu den Inlandsumsätzen der Investitionsgüterproduzenten für das erste Quartal vor. Unser Bild über die Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen ist daher nur unvollkommen und vage. Aufgrund der hohen – wenn auch vermutlich übertriebenen – Zuversicht der Unternehmen und infolge der noch guten Finanzierungsbedingungen ist ein merklicher Anstieg zu erwarten. Wenngleich dabei unverändert der Ersatz veralteter Maschinen eine wichtige Rolle spielen dürfte, so sollten auch Kapazitätserweiterungen vorgenommen worden sein.
• Die Bauinvestitionen sind wohl trotz guter Bauaufträge deutlich gesunken. Schuld daran ist die ungünstige Witterung im ersten Quartal. So brach die Bauproduktion im ersten Quartal um 8,7 % qoq ein. Das übersetzt sich nicht Eins zu Eins in die Bauinvestitionen, aber ein Rückgang zwischen drei und vier Prozent (qoq) ist wahrscheinlich. Dies spiegelt sich auch in der ifo-Umfrage zu witterungsbedingten Baubehinderungen wider: Nur einmal – im Jahr 1996 – gab es ein Quartal, in dem mehr Bauunternehmen solche Baubehinderungen meldeten. Damals brachen die Bauinvestitionen um über 8 % ein.
• Die große Überraschung des ersten Quartals ist der private Konsum. So meldete das Statistische Bundesamt in der Presseerklärung einen positiven Wachstumsimpuls. Dies steht jedoch in krassem Widerspruch zu den Umsätzen im Einzelhandel, die in der weiten Abgrenzung (einschließlich Tankstellen und Kfz-Handel), im ersten Quartal um 1,2 % qoq zurückgingen. Hauptgrund für diesen Rückgang war ein Einbruch im März (-3,2 % mom), für den das Statistische Bundesamt aber gleichzeitig einen Aufwärtsrevisionsbedarf angekündigt hat. Dieser Revisionsbedarf muss wohl immens gewesen sein. An diesem Beispiel zeigt sich einmal mehr, dass es bei Konjunkturindikatoren mehr auf die Qualität der Statistik ankommen sollte, als auf die Schnelligkeit der Veröffentlichung.
3. Auch wenn das Wachstum im ersten Quartal etwas schwächer als von manchem erwartet ausgefallen ist, auf die Jahresrate hochgerechnet (annualisiert) liegt es mit 1,6 % über dem langfristig erzielbaren Wachstum (Potenzialwachstum) von rund 1¼ %. Von einer echten Enttäuschung kann man also angesichts dieses überdurchschnittlichen Wachstums nur eingeschränkt sprechen, auch angesichts des Erstarkens der Binnennachfrage. Denn zu den außenwirtschaftlichen Impulsen gesellten sich binnenwirtschaftliche von Ausrüstungsinvestitionen und Konsum. Zudem ist die Entwicklung der Bauinvestitionen trotz deren Rückgangs viel versprechend: Nicht nur dass die witterungsbedingten Ausfälle nachgeholt werden, auch die grundsätzliche Dynamik ist in Teilen der Bauwirtschaft nach oben gerichtet. Dies ist nicht nur aufgrund von mehrwertsteuerbedingten Vorzieheffekten bei den Ausbauarbeiten der Fall, sondern auch aufgrund der vermutlich abgeschlossenen Strukturbereinigung im Nichtwohnungsbau.
4. Trotz des schwächer als ursprünglich erwarteten ersten Quartals halten wir an unserer Prognose einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr um 1,7 % fest. Allerdings erwarten wir nun aufgrund der witterungsbedingten Nachholeffekte den konjunkturellen Höhepunkt im zweiten Quartal 2006 mit einem Wachstum von ungefähr ¾ % qoq. Diese Verschiebung im Zeitprofil bringt einen höheren statistischen Überhang mit sich, der sich in einer Aufwärtsrevision der BIP-Prognose für das Jahr 2007 niederschlägt, für das wir nun ein Wachstum von 0,6 % erwarten.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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